Nebenhoden: Mann hält Hände über Genitalbereich
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Nebenhoden: Warteschleife für Spermien

Von: Nathalie Blanck (Ärztin und Medizinautorin)
Letzte Aktualisierung: 22.04.2015 - 12:09 Uhr

Die wenigsten Männer (geschweige denn Frauen) wissen, dass der Hodensack neben den Hoden auch noch die Nebenhoden beherbergt. Dabei sind diese besonders wichtig für die Fruchtbarkeit des Mannes: Hier reifen die Spermien heran und warten auf ihren "Einsatz". Was sind die Nebenhoden, welche Erkrankungen können sie betreffen und wie kann man vorbeugen?

Wie sitzen die Nebenhoden?

Die Nebenhoden (Epididymis, Parorchis) gehören zusammen mit Penis und Hoden zu den männlichen Geschlechtsorganen. Gemeinsam mit den Hoden sitzen sie im Hodensack (Skrotum). Wie ein "C" ziehen sie sich auf der Rückseite der Hoden von deren oberen Ende längs nach unten.

Jeder Nebenhoden ist etwa 5 cm lang und enthält in seinem Inneren einen bis zu 6 m langen, stark geschlungenen Schlauch, den Nebenhodengang (Ductus epididymidis). Das obere Ende, der Kopf des Nebenhodens (Caput epididymidis), ist über viele kleine Kanäle, die Hodenkanälchen (Ductuli efferentes), mit dem Hoden verbunden.

Der mittlere Abschnitt des Nebenhodens wird Körper (Corpus epididymidis) genannt. Am unteren Ende folgt der Schwanz des Nebenhodens (Cauda epididymidis), der direkt in den Samenleiter übergeht. Der Samenleiter mündet schließlich auf Höhe der Prostata in die Harnröhre. Der gesamte Nebenhoden ist über Bindegewebe (Mesepididymis) eng mit den Hoden verbunden.

Das Innere des Nebenhodengangs ist mit einem Gewebe (Zylinderepithel) ausgekleidet, das dicht mit kleinen "Wimpern" (Stereozilien) besetzt ist. Außen sitzen an Nebenhodenkopf und -körper kontraktile Myofibroblasten (Bindegewebszellen, die sich zusammenziehen), der Schwanz wird von glatten Muskelzellen umgeben. Dadurch kann sich der Nebenhodengang zusammenziehen und die Spermien weitertransportieren.

Welche Funktion haben die Nebenhoden?

Über die Hodenkanälchen gelangen die unreifen Samenzellen aus den Hoden in die Nebenhoden. Der Kontakt mit der Wand des Nebenhodenganges, dem Nebenhodenepithel, ist wichtig für die spätere Beweglichkeit der Spermien. Das Epithel sondert Glykoproteine ab, also Moleküle aus Zucker und Eiweiß. Diese werden von der Oberfläche der Samenzellen aufgenommen.

Durch Kontraktion der Myofibroblasten werden die Spermien im Verlauf von etwa 12 Tagen vom Kopf über den Körper bis zum Nebenhodenschwanz befördert, wo sie schließlich gespeichert werden. Wenn sich die glatte Muskulatur des Nebenhodenschwanzes kontrahiert, werden die Spermien über den Samenleiter zur Harnröhre transportiert und schließlich bei der Ejakulation nach außen abgegeben. Ihre endgültige Befruchtungsfähigkeit erreichen die Samenzellen übrigens erst im weiblichen Genitaltrakt.

Die sogenannte Kapazitation, die vom Östrogen im weiblichen Körper ausgelöst wird, befähigt die Spermien, die Hülle des weiblichen Eis zu durchdringen.

Welche Krankheiten stehen im Zusammenhang mit den Nebenhoden?

Die Nebenhoden können von verschiedenen Erkrankungen betroffen sein. So kann ein tastbarer Knoten in den Nebenhoden beispielsweise auf eine Zyste (Spermatozele) hindeuten. Die Nebenhodenzyste geht meist mit einer schmerzlosen Schwellung der Nebenoden einher. Es handelt sich um eine gutartige Veränderung, die nur dann einer Behandlung bedarf, wenn sie Beschwerden bereitet. Daneben kann es im Zusammenhang mit den Nebenhoden beispielsweise zu einer Entzündung und anderen Beschwerden kommen.

Nebenhodenentzündung (Epididymitis)

Die häufigste Erkrankung ist die Nebenhodenentzündung. Die Nebenhoden sind schmerzhaft und stark angeschwollen, die Haut des Hodensacks ist gerötet. Die Schmerzen strahlen oft bis in die Leistengegend aus. Häufig tritt mäßiges, selten hohes Fieber auf. Meist fühlt sich der Betroffene ganz allgemein krank und angeschlagen.

Liegt gleichzeitig eine Harnwegsinfektion vor, kommen noch Schmerzen beim Wasserlassen und ständiger Harndrang hinzu. Verursacher der Epididymitis sind meist Bakterien, die aus dem Harntrakt, der Prostata oder den Hoden in die Nebenhoden einwandern.

Bei jüngeren Männern sind es vor allem sexuell übertragbare Keime wie Chlamydien oder die Erreger der Gonorrhoe ("Tripper"), die eine Epididymitis auslösen. Bei älteren Männern mit vergrößerter Prostata entleert sich häufig die Blase nicht vollständig. In dem Restharn, der in der Blase bleibt, vermehren sich leicht Bakterien. Durch den großen Druck, mit dem die Betroffenen ihre Blase entleeren, entsteht ein Überdruck, durch den die Bakterien über Harnröhre und Samenleiter aufwärts in die Nebenhoden gelangen.

Die häufigsten Erreger sind Escherichia coli, Enterokokken, Proteus mirabilis, Klebsiellen und Pseudomonas aeruginosa. Auch das Tragen einen Blasenkatheters über einen längeren Zeitraum begünstigt eine Nebenhodenentzündung. Durch den dünnen Katheterschlauch, der direkt in die Harnblase führt, dringen relativ leicht Bakterien ein und gelangen über den Samenleiter in die Nebenhoden.

Kinder und Jugendliche haben eher selten eine Nebenhodenentzündung. Hier ist oft eine Verdrehung der Hoden (Hodentorsion) die Ursache für Schmerzen und Beschwerden im Hodenbereich. Suchen Sie bei Verdacht sofort einen Arzt auf, eine Hodentorsion muss sofort operiert werden, sonst stirbt der Hoden mangels Durchblutung ab.

Zwar ist eine Nebenhodenentzündung oft bakteriell bedingt, doch auch eine Quetschung oder Schläge auf den Nebenhoden rufen eine entzündliche Reaktion hervor.

Die Therapie erfolgt je nach Auslöser mit Antibiotika, die das Bakterienwachstum hemmen. Die zum Teil erheblichen Schmerzen behandelt man mit entzündungshemmenden Schmerzmitteln. Zusätzlich helfen Bettruhe, Hochlagerung des Hodens sowie Kühlung. Auch das Tragen von engen Unterhosen ist für die meisten Betroffenen angenehm. Es kann bis zu 6 Wochen dauern, bis eine Nebenhodenentzündung wieder vollkommen ausgeheilt ist.

Wird die Epididymitis nicht konsequent behandelt, wird sie chronisch, greift eventuell auf den anderen Nebenhoden oder sogar auf die Hoden (Epidymorchitis) über. Bei einer beidseitigen Nebenhodenentzündung ist ein Verschluss der Nebenhodenkanälchen oder des Samenleiters möglich – was zur Unfruchtbarkeit (Verschlussazoospermie) führt und bei Kinderwunsch evtl. in einer Operation behoben werden muss. Sehr selten werden bei besonders schweren chronischen Fällen die Nebenhoden operativ komplett entfernt (Epididymektomie).

Von-Hippel-Lindau-Erkrankung

Diese sehr seltene, erbliche Erkrankung tritt meist zwischen dem zweiten und vierten Lebensjahrzehnt auf. Es bilden sich an den unterschiedlichsten Organen Tumoren, am häufigsten an den Augen sowie im Zentralnervensystem. Aber auch die Geschlechtsorgane können betroffen sein. Bei Männern sind dann z. B. gutartige Geschwulste, sogenannte Zystadenome, an den Nebenhoden möglich. Diese ertastet man als derbe, kirschgroße Schwellung oberhalb der Hoden oder diagnostiziert sie im Ultraschall. Operiert werden diese gutartigen Tumoren nur, wenn sie z. B. die Samenleiter blockieren und dadurch zu Unfruchtbarkeit führen.

Mumps (Ziegenpeter)

Bei 20 bis 30% aller Jungen kommt es im Zusammenhang mit einer Mumpserkrankung zu einer Orchitis, einer Entzündung der Hoden – sehr selten greift diese auch auf die Nebenhoden über.

Vorbeugung – die Nebenhoden schützen und unterstützen

In den meisten Fällen läuft eine Nebenhodenentzündung glimpflich und ohne bleibende Schäden ab. Um ein Übergreifen der Entzündung auf die Hoden oder eine Chronifizierung zu vermeiden, sollten Betroffene beim ersten Auftreten von Beschwerden sofort einen Arzt aufsuchen und die verordnete Therapie konsequent befolgen. Auch "harmlose“ Harnwegsentzündungen sollten Sie ernst nehmen und immer gut auskurieren, damit sie nicht auf die Nebenhoden übergreifen.

Durch einfache Vorsichtsmaßnahmen beim Geschlechtsverkehr – durch das Tragen von Kondomen – vermeiden Sie sexuell übertragbare Infektionen, die eine Epididymitis hervorrufen können. Da auch starke mechanische Einflüsse eine Nebenhodenentzündung begünstigen, sollten Sie beim Ausüben von "Risikosportarten“ wie z. B. Eishockey ein Suspensorium tragen.