Hypophyse im menschlichen Kopf (Illustration)
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Hypophyse – Hormondrüse im Türkensattel

Von: Nathalie Blanck (Ärztin und Medizinautorin)
Letzte Aktualisierung: 02.10.2017 - 09:24 Uhr

Klein wie eine Haselnuss, riesig in der Wirkung: Die Hirnanhangdrüse (Hypophyse) steuert durch Hormone die verschiedensten Funktionen im Körper – vom Körperwachstum über die Milchproduktion nach einer Geburt bis hin zur Harnausscheidung. Doch ein Tumor oder andere Krankheiten können die Funktion der Hypophyse beeinträchtigen. Hier erfahren Sie mehr über die Schaltzentrale unseres Hormonsystems.

Wie sieht die Hypophyse aus und wo liegt sie genau?

Der griechische Name Hypophyse bedeutet wörtlich "das unten anhängende Gewächs". Das beschreibt ihre anatomische Position ziemlich gut: Die Hypophyse "hängt unter" unserem Gehirn. Sie sitzt auf der Sella turcica (Türkensattel), einer Vertiefung der Schädelbasis mitten in unserem Schädel, etwa auf Höhe der Nase und der Ohren. Sie ist einen knappen Zentimeter groß und etwa ein Gramm leicht.

Die Hypophyse besteht aus dem Hypophysenvorderlappen (HVL, Adenohypophyse) und dem Hypophysenhinterlappen (HHL, Neurohypophyse). Die Region zwischen beiden Lappen wird Pars intermedia genannt. Über den Hypophysenstiel ist die Hypophyse mit dem Hypothalamus verbunden, einem Teil des Zwischenhirns.

Die Neurohypophyse ist ein Teil des Gehirns, nämlich eine Ausstülpung des Zwischenhirns. Die Adenohypophyse ist eine Hormondrüse. Hypothalamus und Hypophyse bilden zusammen eine wichtige Funktionseinheit.

Welche Funktion hat die Hypophyse?

Der Hypophysenvorderlappen produziert Hormone, der Hypophysenhinterlappen ist Speicherort für Hormone, die der Hypothalamus herstellt. Die Pars intermedia gehört funktional zum HVL, da sie ebenfalls ein Hormon erzeugt.

Was passiert im Hypophysenvorderlappen?

Die Adenohypophyse stellt folgende Hormone her:

  • das Nebennierenrinden stimulierende (adrenocorticotrope) Hormon (ACTH)
  • das Wachstumshormon (auch: growth hormone = GH oder Somatotropin = STH)
  • das Schilddrüsen stimulierende Hormon (TSH)
  • das Follikel stimulierende Hormon (FSH)
  • das luteinisierende Hormon (LH)
  • Prolaktin

ACTH regt die Nebennieren an, Kortison, Aldosteron und Androgene zu bilden.

GH beziehungsweise STH fördert das Wachstum, indem es Energie zur Verfügung stellt: Leber und Fettgewebe setzen Fette und Zucker frei. Außerdem regt die Leber das Knochenwachstum an. Zusätzlich fördert GH die Eiweißbildung.

TSH wirkt auf die Schilddrüse, so dass diese mehr Hormone produziert.

FSH und LH regen die Produktion von Geschlechtshormonen in Hoden beziehungsweise Eierstöcken an. Bei der Frau lassen sie die Eizellen reifen und lösen den Eisprung aus, bei Männern sind sie für die Spermienbildung verantwortlich.

Prolaktin fördert das Wachstum der Brustdrüse und die Milchproduktion, gleichzeitig hemmt es den Eisprung. Auf diese natürliche Form der "Verhütung“ bei stillenden Müttern sollte man sich allerdings nicht ausschließlich verlassen.

Die Aktivität der Adenohypophyse wird durch den Hypothalamus kontrolliert, der "Steuerhormone" freisetzt: Inhibiting-Hormone bremsen die Produktion, Releasing-Hormone fördern sie. Auch "Rückmeldungen" der jeweiligen Zielorgane beeinflussen die Funktion des HVL.

Was geschieht im Hypophysenhinterlappen?

Der HHL besteht aus Nervenzellen, deren Köpfe im Hypothalamus sitzen, weshalb er auch Neurohypophyse genannt wird. Er dient als Speicherort für zwei Hormone, die im Hypothalamus gebildet werden und über die Nervenzellen in den Hypophysenhinterlappen gelangen:

Das antidiuretische Hormon (ADH, auch Vasopressin oder Adiuretin) wirkt in den Nieren auf die Wasserresorption. Die Harnausscheidung vermindert sich und Wasser wird im Körper zurückgehalten. Der Urin ist stärker konzentriert, was man an Farbe und Geruch merkt. Außerdem kann ADH die Blutgefäße verengen und den Blutdruck erhöhen.

Oxytocin löst bei Schwangeren die Wehen aus, indem die Muskeln der Gebärmutter sich zusammenziehen. Daneben sorgt es nach der Geburt für den "Milcheinschuss".

Was macht die Pars intermedia?

Die Pars intermedia produziert das Melanozyten-stimulierende Hormon (MSH, Melanotropin). MSH regt in unseren Hautpigmentzellen (Melanozyten) die Produktion von Melanin an, das uns vor der schädlichen UV-Strahlung der Sonne schützt. Zusätzlich steuert MSH unseren Appetit und unsere sexuelle Erregung.

Hypophyse: Tumor und andere Krankheiten

Wenn ein Tumor auf die Hypophyse drückt, stört er die Hormonbildung. Häufiger kommen gutartige Geschwulste des drüsenbildenden Gewebes vor, HVL-Adenome, die eine Hormonschwäche auslösen. Bösartige Tumoren der Hypophyse sind äußerst selten.

Auch eine Entzündung der Hirnhäute (Meningitis) oder des Gehirns (Enzephalitis), ein Unfall oder eine Operation, Bestrahlung oder Durchblutungsstörungen können die Funktion der Hypophyse beeinträchtigen.

Hormonproduktion bei Störungen der Hypophyse

Wird die Hormonbildung der Hypophyse durch einen Tumor oder andere Erkrankungen gestört, kann dies dazu führen, dass zu viele oder zu wenige Hormone produziert werden. Welche Folgen hat das?

Was passiert, wenn die Hypophyse zu wenig Hormone produziert?

Das sind mögliche Auswirkungen:

  • Wenn die Hirnanhangdrüse zu wenig ADH produziert, entsteht ein zentraler Diabetes insipidus (nicht zu verwechseln mit Diabetes mellitus, der "Zuckerkrankheit“). Betroffene können kein Wasser im Körper zurückhalten und scheiden bis zu 20 Liter Urin am Tag aus. Um den Flüssigkeitsverlust zu ersetzen, trinken sie sehr viel.
  • Ein Mangel an Wachstumshormonen (GH) führt bei Kindern zu hypophysärem Zwergwuchs. Die Kinder bleiben klein, Intelligenz und Körperproportionen sind jedoch normal. Bei Erwachsenen wird durch GH-Mangel vermehrt Fett im Bauchbereich eingelagert und die Muskelmasse nimmt ab. Der Fettstoffwechsel ist gestört und das Risiko für Gefäßverkalkung steigt.
  • Wenn zu wenig FSH und LH produziert werden, setzt bei Frauen die Regelblutung aus, bei Männern ist die sexuelle Potenz gestört. Die Behaarung im Achsel- und Schambereich nimmt ab und die Lust auf Sex sinkt.
  • Mangel an TSH führt zu einer Schilddrüsenunterfunktion. Symptome sind unter anderem Müdigkeit und Lustlosigkeit, Gewichtsverlust, Frieren, Verstopfung sowie manchmal Depressionen.
  • Fehlt dem Körper ACTH, hat dies Auswirkungen auf den Zucker-, Salz- und Flüssigkeitshaushalt. Blutdruck und Blutzucker sinken, die Betroffenen sind oft antriebsarm.
  • Wird zu wenig MSH produziert, sieht die Haut blass aus.
  • Ein Mangel an Prolaktin führt bei stillenden Frauen dazu, dass sie keine Milch mehr produzieren.

Was passiert, wenn die Hypophyse zu viel Hormone produziert?

Manche der gutartigen Tumoren der Hypophyse stellen selbst Hormone her – es kommt zu einer Überproduktion.

  • Der häufigste gutartige hormonbildende Tumor der Hypophyse ist das Prolaktinom, das Prolaktin produziert. Frauen mit einem Prolaktinom leiden unter gestörter Regelblutung und sexueller Unlust, bei manchen kommt es auch zu Milchfluss aus den Brustdrüsen. Bei Männern ist die Potenz beeinflusst und die Lust auf Sex sinkt.
  • Stellt die Hypophyse zu viel Wachstumshormone her, führt dies bei Kindern zu übermäßigem Größenwachstum (Gigantismus). Bei Erwachsenen löst es Akromegalie aus: Hände, Füße und Kopf wachsen, die Gesichtszüge werden "gröber". Auch die inneren Organe werden unverhältnismäßig groß.
  • Durch eine Überproduktion von ACTH setzen die Nebennieren zu viel Cortisol frei, so wird das Cushing-Syndrom ausgelöst. Betroffene haben ein rundes, großes Gesicht, dünne Arme und Beine, aber starke Fettansammlungen im Bauch- und Nackenbereich (Stammfettsucht) sowie rote Streifen auf der Haut (Striae rubrae). Dazu kommen Störungen des Zuckerstoffwechsels, in manchen Fällen auch Diabetes, sowie der Abbau von Knochen- und Muskelgewebe.
  • Schüttet die Hypophyse zu viel ADH aus, spricht man vom Schwartz-Bartter-Syndrom (SIADH). Ursachen können Entzündungen im Gehirn, schwerste Verbrennungen oder auch die Einnahme bestimmter Medikamente (zum Beispiel trizyklische Antidepressiva) sein. In vielen Fällen verläuft die Krankheit unerkannt, manchmal treten Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen oder Muskelkrämpfe auf.

Weitere Auswirkungen eines Hypophysentumors

Besonders große Tumoren an der Hirnanhangdrüse lösen Sehstörungen aus, weil sie auf die benachbarte Kreuzung der Sehnerven drücken. Manchmal treten auch Kopfschmerzen auf.

Wie kann ich meine Hypophyse schützen und unterstützen?

Einen eigentlichen Schutz für die Hypophyse gibt es nicht. Alles, was dem gesamten Organismus gut tut, also ausgewogene Ernährung, regelmäßige Bewegung und möglichst wenig Stress, unterstützt aber natürlich auch die Hirnanhangdrüse.