Mann mit Vaskulitis
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Vaskulitis – entzündete Gefäße

Von: Dagmar Reiche (Ärztin und Medizinautorin), Dr. med. Jana Wittkowski (Ärztin), Silke Schwertel (geb. Hamann) (Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 14.02.2020 - 14:31 Uhr

Blutgefäße durchziehen den gesamten Körper – von der großen Hauptschlagader, über die winzigen Kapillaren im Gewebe bis zu den Venen, die das Blut wieder zum Herzen transportieren. Leicht vorstellbar, dass Gefäßveränderungen zu einer Vielzahl von Störungen an verschiedenen Organen führen können. Eine solche Veränderung ist die Vaskulitis, eine Gefäßentzündung. Was steckt dahinter, welche Formen gibt es und welche Symptome treten auf? Das erfahren Sie hier.

Was ist Vaskulitis?

Vaskulitis (Mehrzahl: Vaskulitiden) ist ein Begriff, der zahlreiche recht unterschiedliche, glücklicherweise seltene Krankheitsbilder umfasst, die eines gemeinsam haben: Es kommt zu entzündlichen Veränderungen in Blutgefäßen. Eine Vaskulitis ist also ein Sammelbegriff für verschiedene Formen der Gefäßentzündung. Da es sich dabei um eine rheumatische Entzündung handelt, wird sie auch als Blutgefäßrheuma bezeichnet.

Fast alle Vaskulitiden gehören zu den Autoimmunkrankheiten, werden also durch fehlgeleitete Reaktionen des Immunsystems gegen körpereigenes Gewebe ausgelöst und auch als Immunvaskulitis bezeichnet. Selten kann die Entzündung auch durch eine Infektion der Gefäße, zum Beispiel durch Bakterien oder Pilze entstehen.

Gefäßentzündung: Was geschieht im Körper?

Bei einer Vaskulitis entzündet sich die Gefäßwand eines oder mehrerer Blutgefäße. Durch die entstandene Schwellung wird das betroffene Gefäß enger und es gelangt weniger Blut hindurch – man bezeichnet diese Verengung als Stenose. In der Folge werden Organe und Gewebe nicht mehr mit ausreichend Sauerstoff versorgt und in ihrer Funktion beeinträchtigt. Verschließt sich das Blutgefäß vollständig, kann es zum Absterben von Gewebe oder einem lebensgefährlichen Organinfarkt kommen.

Neben dem Anschwellen der Gefäßwände sind mögliche Folgen einer Vaskulitis auch, dass die Gefäßwände durchlässig für Blutbestandteile werden oder platzen können. Auch können sich Aussackungen (Aneurysmen) bilden, die zu Blutungen führen können.

Welche Formen von Vaskulitis gibt es?

Prinzipiell unterscheiden die Fachleute primäre Formen, die direkt die Gefäße betreffen, und sekundäre Formen, bei denen die Gefäße im Rahmen anderer Krankheiten (zum Beispiel Kollagenosen, Aids) mitbetroffen sind oder auf bestimmte Medikamente reagieren.

Da die Symptome vor allem davon abhängen, welche Blutgefäße (und in welchem Ausmaß) betroffen sind, werden die primären Formen seit 1992 entsprechend weiter eingeteilt und die einzelnen Krankheitsbilder (mit teilweise komplizierten Namen) darunter einsortiert:

  • Vaskulitis kleiner Gefäße:
    • mit bestimmten Autoantikörpern (ANCA). Zu diesen sogenannten ANCA-assoziierten Vaskulitiden gehören:
      • Granulomatosis mit Polyangiitis (früher Wegner-Granulomatose oder Morbus Wegener)
      • Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis (früher Churg-Strauss-Syndrom)
      • mikroskopische Panarteriitis (mPAN, auch: mikroskopische Polyangiitis, MPA)
    • ohne ANCA. Zu diesen sogenannten nicht-ANCA-assoziierten Vaskulitiden gehören:
      • IgA-Vaskulitis (früher Schönlein-Henoch-Purpura)
      • Kryoglobulinämie beziehungsweise Kryoglobulinämische Vaskulitis
      • Hypokomplementämische Urtikaria-Vaskulitis (Anti-C1q Vasculitis)
      • Anti-GBM-Erkrankung (glomeruläre Basalmembran)
      • leukozytoklastische Vaskulitis
  • Vaskulitis mittelgroßer Gefäße:
    • Panarteriitis nodosa (cPAN, auch: Polyarteritis nodosa, PAN)
    • Kawasaki-Syndrom
  • Vaskulitis großer Gefäße (Riesenzellarteriitis, RZA):
    • Riesenzell-Temporal-Arteriitis (unter der die beiden Krankheiten Polymyalgia rheumatica und Temporalarteriitis Horton zusammengefasst werden)
    • Takayasu-Arteriitis
  • Vaskulitis variabler Gefäßgröße:
    • Cogan-I-Syndrom
    • Morbus Behçet

Daneben gibt es noch weitere Einteilungskriterien, so gibt es beispielsweise die Vaskulitis einzelner Organe. Dazu zählen unter anderem die Hautvaskulitis (kutane leukozytoklastische Vaskulitis) und die primäre Angiitis des Zentralen Nervensystems (ZNS). Auch gibt es Varianten der Vaskulitis, die im Rahmen von mehreren der genannten Formen auftreten können, so etwa die zerebrale Vaskulitis.

Hinter all diesen verschiedenen Formen der Vaskulitis verbergen sich eigene Krankheitsbilder, die jeweils unterschiedliche Symptome verursachen und entsprechend andere Formen der Behandlung erfordern.

Nekrotisierende Vaskulitis und Raynaud-Syndrom

Falls die Entzündungen zur Zerstörung der Gefäßwände und zum Verschluss der Blutgefäße mit dem Absterben (Nekrose) des umliegenden Gewebes führen, spricht man von einer nekrotisierenden Vaskulitis. Sie kommt vor allem bei der ANCA-Vaskulitis der kleinen Gefäße und bei der Panarteriitis nodosa vor, Verlauf und Prognose sind eher schlechter als bei den übrigen Formen.

Eine Vaskulitis kann auch, besonders bei Kälte, zu Gefäßkrämpfen führen, dem sekundären Raynaud-Syndrom. Folge sind das Weiß- oder Blauwerden der Finger, Fingerkuppen oder der ganzen Hand. Dies kommt häufig bei Rauchern vor, die an einer Thrombangiitis obliterans (Winiwarter-Buerger-Syndrom) leiden, einer Entzündung, die in einzelnen Gefäßabschnitten stattfindet und dort zu Blutgerinnseln mit Gefäßverschlüssen führt.

Ursachen: Wie entsteht Vaskulitis und wer ist betroffen?

Nach wie vor sind die genauen Ursachen der Vaskulitis unbekannt. Vermutlich spielen äußere Faktoren wie eine Infektion mit Viren (zum Beispiel Grippe oder Virus-Hepatitis) eine Rolle, die bei Menschen mit einer bestimmten genetischen Empfänglichkeit (also einer entsprechenden genetischen Veranlagung) die Immunreaktionen und die darauffolgenden Entzündungen auslösen.

Interessanterweise spielen sich viele der Krankheiten überwiegend bei bestimmten Personengruppen ab – so zum Beispiel:

  • das Kawasaki-Syndrom und die Schönlein-Henoch-Purpura im Kindesalter
  • die Takayasu-Arteriitis bei jüngeren Frauen
  • die Polyarteriitis bei Männern mittleren Alters
  • die Riesenzell-Temporal-Arteriitis bei Älteren

Welche Symptome verursacht eine Vaskulitis?

Die Beschwerden und Anzeichen bei Vaskulitis sind sehr unterschiedlich und manchmal zumindest am Anfang so unspezifisch, dass oft einige Zeit vergeht, bis die Diagnose gestellt wird. Häufige Symptome oder verursachte Krankheitsbilder sind unter anderem:

  • Fieber und Gewichtsverlust, Krankheitsgefühl (als Zeichen, dass eine Systemerkrankung und Entzündung vorliegt)
  • kleinere (Purpura) oder größere, teilweise seltsam geformte bläulich-rote Hautflecke (als Zeichen der erhöhten Gefäßbrüchigkeit)
  • Gelenk- oder Muskelschmerzen (wenn sich die Entzündungen dort abspielen)
  • Entzündungen verschiedener Nerven, Augenentzündungen
  • Schlaganfall, Herzinfarkt, Bluthochdruck, Durchblutungsstörungen der Beine (arterielle Verschlusskrankheit)
  • starkes Nasenbluten, Nasennebenhöhlenentzündungen, Bluthusten (vor allem bei Granulomatose mit Polyangiitis, früher: Wegener-Granulomatose), Allergie (bei Eosinophiler Granulomatose mit Polyangiitis, früher: Churg-Strauss-Syndrom)
  • Bauchschmerzen, Blut im Stuhl
  • Entzündung der Nierenkörperchen (Glomerulonephritis)
  • Beingeschwüre (bei der Kryoglobulinämie)

Gefäßentzündung: Wie wird die Diagnose gestellt?

Die Diagnosestellung bei einer Vaskulitis ist oft schwierig, da nahezu jedes Organ betroffen sein kann und sich die Krankheit auf unterschiedlichste Weisen äußert. Nach der Befragung (Anamnese) und körperlichen Untersuchung wird der Arzt zunächst Blut abnehmen. Besonders die Entzündungsparameter sind erhöht, je nach Organbeteiligung sind auch entsprechende Blutwerte und das Blutbild verändert. Zusätzlich werden Autoantikörper, insbesondere ANCA bestimmt.

Weitere Untersuchungen wie eine Röntgenkontrastdarstellung der Gefäße (Angiografie) oder eine Magnetresonanztomografie (MRT) richten sich nach der Verdachtsdiagnose; die endgültige Diagnose kann erst mit einer Gewebeprobe eines betroffenen Gefäßes gestellt werden.

Ausgeschlossen werden müssen andere Ursachen der Veränderungen, zum Beispiel bösartige Tumoren, Infektionen mit einer Blutvergiftung oder Gerinnungsstörungen.

Welche Therapie gibt es bei Vaskulitis?

Eine rechtzeitig erkannte Vaskulitis lässt sich zwar nicht heilen, wohl aber stoppen oder abmildern. Die Therapie einer Vaskulitis sollte am besten in einer Spezialklinik erfolgen. Im Zentrum der Behandlung steht die Unterdrückung beziehungsweise Modulation der Immunreaktion, um die Entzündung einzudämmen. Dies erfolgt meist zunächst durch die Gabe von Kortison-Präparaten. In schwereren Fällen können zusätzlich stärkere Immunsuppressiva wie Azathioprin, Immunglobuline, Interferone und/oder niedrigdosierte Chemotherapeutika (Zytostatika) wie Methotrexat oder Cyclophosphamid angewendet werden.

Bei bestimmten schweren Formen der Vaskulitis wie der Granulomatose mit Polyangiitis können außerdem sogenannte Biologicals (künstlich hergestellte Antikörper) wie Rituximab zum Einsatz kommen. Sind lebenswichtige Organe beteiligt, kann unter Umständen ein Blutplasmaaustausch (Plasmapherese) notwendig sein. Seit September 2017 ist außerdem Tocilizumab zur Behandlung der Riesenzellarteriitis zugelassen.

Vaskulitis: Was kann ich selbst tun?

Durch die Gefäßentzündungen verursachte Krankheiten wie ein Herzinfarkt werden zusätzlich behandelt. Eine Selbsttherapie oder vorbeugende Maßnahmen (außer das Rauchen aufzugeben) sind leider nicht möglich. Möglicherweise soll sich eine an Omega-3-Fettsäuren reiche Ernährung oder die Einnahme von Fischölkapseln positiv auf eine Vaskulitis auswirken.

Wie sind Verlauf und Prognose?

Selbst bei einer nekrotisierenden Vaskulitis ist die Prognose mit einer optimalen Therapie relativ gut. Besonders erhöht ist nach längerer Krankheitsdauer das Risiko für Herzinfarkte und Nierenversagen, bei der Riesenzell-Temporal-Arteriitis für Erblinden. Bei einer früh erkannten Form der Vaskulitis ist die Lebenserwartung nicht wesentlich geringer als bei einer gesunden Person.

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