Frau mit Trigeminusneuralgie fasst sich in schmerzendes Gesicht
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Trigeminusneuralgie: Schmerzen am Trigeminusnerv

Von: Andreas Willett (Student der Humanmedizin)
Letzte Aktualisierung: 09.01.2023 - 12:36 Uhr

Die Trigeminusneuralgie gehört zu den häufigsten Formen von Gesichtsschmerzen. Sie ist gekennzeichnet durch schlagartig auftretende stechende Schmerzattacken an der Stirn, den Wangen und am Kinn. Obwohl der Schmerz meist schnell wieder vorübergeht, gehört er zu den stärksten Schmerzen, die ein Mensch empfinden kann. Im Folgenden erfahren Sie die Ursachen dieser Erkrankung und lernen neben den typischen Symptomen und der Diagnostik auch die Behandlungsmöglichkeiten kennen. Außerdem stellen wir Ihnen Übungen vor, die bei der Therapie der Schmerzen am Trigeminusnerv helfen können.

Was ist eine Trigeminusneuralgie?

Bei der Trigeminusneuralgie handelt es sich um scharfe Schmerzen im Gesicht, die im Versorgungsbereich des Trigeminusnervs auftreten. Dieser Nerv ist der fünfte Hirnnerv und wird auch Nervus trigeminus oder Drillingsnerv genannt (Trigeminus = Drilling), da er aus drei verzweigten Ästen, den sogenannten Trigeminusästen besteht. Der Fachbegriff Neuralgie bezeichnet allgemein Schmerzen im Versorgungsgebiet eines Nervs, also Nervenschmerzen.

Die Gesichtsschmerzen werden durch eine Funktionsstörung dieses Nervs ausgelöst. Die Erkrankung tritt mit dem Alter gehäuft auf, Frauen sind etwa doppelt so häufig betroffen wie Männer.

Welche Symptome treten bei Trigeminusneuralgie auf?

Charakteristische Anzeichen sind heftige, unerwartete und meist einseitige Schmerzen, die sich mitunter mit Kopfschmerzen oder auch Zahnschmerzen verwechseln lassen. Die Schmerzen sind "elektroschockartig" beziehungsweise blitzartig einschießend und lassen sich als kurze, heftige Schläge beschreiben, die nur wenige Sekunden andauern. Seltener können aber auch Dauerschmerzen vorkommen.

Meist entspringen sie dem Ohr (oftmals werden daher auch Ohrenschmerzen wahrgenommen) und strahlen über den Bereich der Augen und der Stirn in die Wangen, den Kiefer und das Kinn aus.

Was verursacht eine Trigeminusneuralgie?

Mediziner unterscheiden zwischen drei Varianten der Erkrankung, die unterschiedliche Auslöser haben.

Die klassische Trigeminusneuralgie beruht auf einem pathologischen (krankhaften) Gefäß-Nerven-Kontakt. Der Trigeminusnerv wird von einem Gefäß (meist Arteria superior cerebelli, die "obere Kleinhirnschlagader") so zusammengedrückt, dass der Nerv geschädigt wird. Durch den andauernden Druck auf den Nerven kommt es zu einer degenerativen Zerstörung der sogenannten Myelinscheide (Demyelinisierung), einer Art Schutzschicht, die diesen Gesichtsnerv umgibt. Durch diese Veränderung werden elektrophysiologische Impulse an den freiliegenden Nervenfasern erzeugt, die zu einer Übererregung von Nerven und Schmerzfasern führen.

Das Risiko für einen solchen krankhaften Kontakt zwischen Arterie und Nerv ist höher, wenn die Gefäßwände verdickt sind. Daher wird das Risiko für eine Trigeminusneuralgie durch eine Verkalkung der Arterien (Arteriosklerose) erheblich gesteigert.

Die symptomatische Trigeminusneuralgie ist deutlich seltener. Ihre Ursachen sind zum Beispiel:

  • Entzündungen, wie bei Multipler Sklerose (MS)
  • Raumforderungen durch Tumoren (beispielsweise Akustikusneurinome oder Meningeome, eine Form von Hirntumoren)
  • Hirnstamminfarkte (Schlaganfall durch Verschluss einer versorgenden Hirnstammarterie)
  • bestehende Durchblutungsstörungen
  • ein Schiefhals (Torticollis)

Die idiopathische Trigeminusneuralgie entspricht in Bezug auf die Symptome der klassischen Trigeminusneuralgie. Der Unterschied liegt lediglich darin, dass ihre Ursachen bislang nicht geklärt sind.

Wie ist der Verlauf einer Trigeminusneuralgie?

Der Krankheitsverlauf ist sehr variabel. Während die Schmerzattacken bei den meisten Betroffenen anfangs nur sporadisch auftreten, nehmen ihre Frequenz und Intensität mit der Zeit häufig zu. Ihr Auftreten kann sehr unregelmäßig sein, sodass mal nur einige Tage zwischen den Attacken liegen, ein anderes Mal dagegen mehrere Monate.

Während die Schmerzanfälle anfangs nur spontan auftreten, werden sie im weiteren Krankheitsverlauf zunehmend auch durch sogenannte Trigger ausgelöst. Dies können Bewegungen durch Kauen, Zähneputzen und Sprechen oder durch Mimik, aber auch äußere Reize wie Berührungen oder ein kalter Luftzug sein. Auch Stress jeglicher Art kann den Trigeminusnerv reizen und die Schmerzentstehung provozieren.

Da die unerwartet auftretenden Schmerzepisoden oftmals mit einem großen Leidensdruck einhergehen und viele Patient*innen große Angst vor dem Auftreten der nächsten Attacke haben, entwickeln viele auch eine depressive Symptomatik. In diesen Fällen ist eine Mitbehandlung der Depression dringend angeraten, da psychische Ursachen eine große Rolle beim Aufkommen neuer Attacken spielen.

Wie wird die Diagnose gestellt?

Die Diagnose der Trigeminusneuralgie wird in erster Linie über die typische Schmerzsymptomatik gestellt. Als erste Anlaufstelle führt der*die Hausarzt*Hausärztin eine ausführliche Schmerz- und Krankheitsanamnese durch, in der unter anderem die genaue Lokalisation des Schmerzes und seine Häufigkeit erfragt werden. Zunächst werden andere Ursachen wie Migräne, Kiefer- und Zahnkrankheiten ausgeschlossen und es wird ermittelt, ob weitere Symptome vorliegen. Bei Verdacht auf eine andere zugrundeliegende Erkrankung erfolgt gegebenenfalls eine Überweisung zu einem*einer Arzt*Ärztin aus dem Bereich der HNO, Augenheilkunde oder Kieferorthopädie. Steht jedoch eine Trigeminusneuralgie im Raum, liegt die weitere Untersuchung in der Hand von Neurolog*innen oder Neurochirurg*innen.

Zur Diagnosesicherung wird eine MRT-Untersuchung des Kopfes durchgeführt. So kann einerseits festgestellt werden, ob es zu einem Gefäß-Nerven-Kontakt kommt, andererseits können auch mögliche Raumforderungen wie ein Tumor, der auf den Nerv drückt, entdeckt werden. Auch entzündliche Erkrankungen des Zentralen Nervensystems, wie eine Multiple Sklerose (MS), können mit einer MRT nachgewiesen werden.

Welche weiteren Erkrankungen können verantwortlich für Gesichtsschmerzen sein?

Die Trigeminusneuralgie ist nur eine von vielen möglichen Ursachen für Gesichtsschmerzen. Weitere häufige Gründe sind von Hals und Nacken ausstrahlende Verspannungen der Muskulatur sowie Zahnerkrankungen mit Zahnschmerzen.

Auch der sogenannte Cluster-Kopfschmerz kann mit der Trigeminusneuralgie verwechselt werden. Darunter versteht man starke Schmerzen im Bereich der Schläfen, die immer einseitig auftreten und sich in bestimmten Zeiten, sogenannten "Clustern", häufen. Die Ursachen sind allerdings andere als bei der Trigeminusneuralgie. Auch eine Unterscheidung von Migräne gelingt nicht immer, da diese ebenfalls oft einseitig auftritt und von Stress getriggert werden kann.

Darüber hinaus gibt es weitere Ursachen für Gesichtsschmerzen:

  • Nasennebenhöhlenentzündungen
  • Schmerzen infolge einer Gesichtsrose (Zoster-Neuralgie)
  • Craniomandibuläre Dysfunktion (Fehlregulation der Kiefergelenke)
  • Augenerkrankungen (zum Beispiel Glaukom)
  • Tolosa-Hunt-Syndrom (Entzündung venöser Blutgefäße mit Augenmuskellähmung)

Was hilft bei Trigeminusneuralgie?

Zur Behandlung der Trigeminusneuralgie stehen zahlreiche Möglichkeiten zur Verfügung. Eine Therapie mit Schmerzmedikamenten ist in der Regel sinnlos, weil sie meist erst ihre Wirkung entfalten, wenn die Schmerzattacke bereits vorüber ist. Therapieziel ist es daher, der Entstehung neuer Nervenschmerzen vorzubeugen.

Medikamentöse Therapie

Prinzipiell stellt die medikamentöse Therapie durch eine*n Neurologin*Neurologen oder Schmerztherapeutin*Schmerztherapeuten die erste Behandlungsmöglichkeit dar. Zur Verfügung stehen Antikonvulsiva beziehungsweise Antiepileptika wie Carbamazepin und Oxcarbazepin (dies sind die sogenannten Mittel der ersten Wahl) oder Gabapentin, Baclofen und Phenytoin (Mittel der zweiten Wahl). Beim Ausbleiben einer Wirkung ist auch eine Kombinationstherapie mit Medikamenten unterschiedlicher Wirkungsmechanismen möglich.

Die Dosis wird in der Regel erhöht, bis die Schmerzen beseitigt sind. In der Mehrzahl der Fälle ist durch den konservativen Behandlungsansatz mit Medikamenten eine merkliche Linderung der Symptome oder sogar ein Verschwinden möglich.

Die genannten Medikamente gelten zwar als sehr wirksam, weisen allerdings auch eine Vielzahl an Nebenwirkungen (Benommenheit, Schwindel, Abgeschlagenheit, Unkonzentriertheit) auf. Im Therapieverlauf ist mit einem Abnehmen dieser Nebeneffekte zu rechnen, weshalb sie bei starken und häufigen Schmerzepisoden oftmals eine Weile eingesetzt werden, sofern die Behandlung wirksam ist.

Operation bei Trigeminusneuralgie

Wenn die medikamentöse Behandlung nicht zu einer ausreichenden Besserung führt oder die Nebenwirkungen die Lebensqualität zu stark beeinträchtigen, wird eine Operation in Erwägung gezogen.

Die häufigste Methode ist die sogenannte Mikrovaskuläre Dekompression des Trigeminusnervs nach Jannetta (Janetta-OP). Das Prinzip dieses Verfahrens ist die Aufhebung des Gefäß-Nerven-Kontaktes zwischen dem Nervus trigeminus und dem anliegenden Blutgefäß ("obere Kleinhirnschlagader") durch das Einführen eines Kunststoffstückes (zum Beispiel Teflon). Dieser Eingriff wird unter Vollnarkose durchgeführt und erfordert die vorherige Darstellung des Nervs mittels einer MRT-Untersuchung. Als seltene Nebenwirkung werden Taubheitsgefühle im Versorgungsgebiet des Trigeminusnervs beschrieben, auch Hörminderungen können in Ausnahmefällen auftreten. Die Mikrovaskuläre Dekompression ist jedoch eine sehr erfolgreiche Methode und führt bei 98 Prozent der Betroffenen zu Schmerzfreiheit nach der OP, nach zehn Jahren liegt die Erfolgsrate immer noch bei 68 Prozent.

Ein weiteres Operationsverfahren ist die Perkutane Radiofrequenzthermokoagulation des Trigeminusnervenknotens. Durch thermische Zerstörung (Thermokoagulation) ist es möglich, die Schmerzfasern selektiv zu zerstören, da sie empfindlicher gegenüber Wärme als andere Nervenfasern sind. Auch mit dieser Methode liegt die Erfolgsrate bei über 90 Prozent. Allerdings beklagt mehr als jede*r zweite Patient*in nach der Operation eine verminderte Empfindlichkeit in den vom Trigeminusnerv versorgten Gesichtsbereichen, bis zu vier von zehn Patient*innen leiden darüber hinaus an Missempfindungen.

Weitere perkutane Operationsverfahren (perkutan = durch die Haut hindurch) sind die Ausschaltung des Trigeminusnervs mittels Ballondilatation und die chemische Zerstörung durch Glycerininjektion. Diese Methoden werden aber nur noch selten angewandt.

Bei der Radiochirurgischen Therapie wird der Trigeminusnerv hirnstammnah mit Gamma-Strahlung ("Gamma Knive") oder Elektronen- und Photonenstrahlung ("Linearbeschleuniger") bestrahlt und dadurch zerstört. Langzeitergebnisse über den Therapieerfolg fehlen bislang.

Alternative Behandlungsmöglichkeiten: Was kann man noch gegen Trigeminusneuralgie tun?

Auch die Akupunktur wird in der Behandlung der Trigeminusneuralgie häufig angewendet. Es liegen zwar keine ausreichenden wissenschaftlichen Belege für ihren Nutzen vor, dennoch gibt es immer wieder positive Erfahrungsberichte von Betroffenen.

Als Hausmittel steht zur Verbesserung der Nervenversorgung außerdem Vitamin B12 zur Verfügung. Auch Rotlicht kann gegen Schmerzen helfen, da die abgegebene Wärme die Durchblutung erhöht und die Muskeln entspannt, wodurch der Druck auf die Nerven verringert werden kann.

Übungen bei Trigeminusneuralgie

Betroffene sind oftmals auf der Suche nach Übungen gegen die Trigeminusneuralgie. Zwar ist deren Wirksamkeit in diesem Fall nicht belegt, dennoch empfinden manche Betroffene sie als hilfreich. Zum einen können Übungen zur Entspannung, beispielsweise die progressive Muskelentspannung, helfen, Stress abzubauen und somit mögliche Trigger zu reduzieren. Auch Lockerungsübungen für die Kau- und Kiefermuskulatur oder gegen Nackenverspannungen können (je nach Auslöser) zum Einsatz kommen.

Zum anderen gibt es auch gezielte Übungen zur Stimulation des Trigeminusnervs. Eine solche Übung ist beispielsweise diese (für die linke Gesichtshälfte):

  1. Spreizen Sie Daumen und Mittelfinger der linken Hand weit auseinander und legen Sie die beiden Finger rechts und links an Ihre Schläfen. Der Ellenbogen ist auf Schulterhöhe angehoben.
  2. Legen Sie die rechte Hand auf Ihre Stirn, diese dient nur dazu, den Kopf zu stabilisieren, damit dieser nicht nach hinten gleitet.
  3. Stellen Sie sich nun vor, Sie würden Ihren gesamten Kopf mit der linken Hand nach rechts bewegen. Üben Sie nur einen leichten Druck aus, ohne dass eine Bewegung der Arme sichtbar wird. Achten Sie darauf, dass die Bewegung aus dem Arm heraus erfolgt, das Handgelenk bleibt unbeweglich.
  4. Üben Sie diesen Druck nur kurz aus, lassen dann wieder etwas nach und wiederholen die Bewegung sofort erneut. Insgesamt sollten zehn Wiederholungen auf der betroffenen Seite erfolgen.

Ist eine Trigeminusneuralgie heilbar?

Bei jeder dritten betroffenen Person kommt es nur zu einer einzigen Episode im Leben. Häufig sind spontane Besserungen nach Phasen von mehreren Monaten, andererseits auch Verschlechterungen im Lebensverlauf möglich. Mit den beschriebenen medikamentösen und operativen Methoden lässt sich die Erkrankung bei den meisten Patient*innen gut behandeln und oftmals sogar eine Beschwerdefreiheit erzielen. Eine Therapie, die bei allen Betroffenen wirkt, gibt es bislang nicht. Auch eine Vorbeugung zur Neuentstehung einer Trigeminusneuralgie ist bislang nicht bekannt.