Frau leidet an Inkontinenz
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Inkontinenz: Was hilft wirklich?

Von: Kathrin Mehner (Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 01.09.2020 - 10:28 Uhr

Unter Inkontinenz ist der Verlust der Kontrolle über die Abgabe von Harn – seltener auch von Stuhl – zu verstehen. Oftmals liegen die Ursachen einer Harninkontinenz im Bereich der ableitenden Harnwege. Aber auch Probleme in Gehirn und Rückenmark oder mit den Nerven können zu einer Inkontinenz führen. Lesen Sie hier, welche Formen der Inkontinenz es bei Männern und Frauen gibt, welche Hilfsmittel zur Verfügung stehen und welche Therapie bei Inkontinenz hilft.

Ursachen von Inkontinenz

Bei einer Inkontinenz können entweder organische Ursachen oder eine Erkrankung beziehungsweise Verletzung des Nervensystems vorliegen. Dadurch kommt es zu einer Störung in der Zusammenarbeit von Gehirn und Nerven auf der einen Seite und Beckenbodenmuskulatur, Blasenmuskulatur und Schließmuskeln auf der anderen Seite. 

Je nachdem, ob Urin oder Kot unbewusst abgegeben werden, spricht man von einer Harn- beziehungsweise Stuhlinkontinenz. Bei beiden Typen werden verschiedene Formen unterschieden, die jeweils unterschiedliche Ursachen haben.

Die Ursachen für eine Harninkontinenz müssen nicht immer im Bereich der ableitenden Harnwege liegen. Auch Störungen an Nerven, Gehirn oder Rückenmark können zu einer Inkontinenz führen. In seltenen Fällen kann eine Inkontinenz auch durch Medikamente hervorgerufen oder verstärkt werden. Teilen Sie Ihrem Arzt deswegen unbedingt mit, welche Medikamente Sie regelmäßig einnehmen. 

Von Harntröpfeln oder Nachtröpfeln spricht man, wenn nach der Entleerung der Blase wenige Tropfen Urin abgehen. Dieses Symptom tritt überwiegend bei Männern auf und hat zur Ursache, dass die Harnröhre, die von der Blase bis zur Penisspitze führt, nicht vollständig durch die entsprechenden Muskeln geleert wird. Infolgedessen bildet sich an einem niedrigen Punkt in der Harnröhre etwas Urin, welcher dann abtropft.

Formen der Harninkontinenz

Patienten, die an einer Harninkontinenz leiden, haben Probleme, ihren Urin kontrolliert abzugeben. Grundsätzlich werden bei einer Harninkontinenz fünf verschiedene Formen unterschieden:

  • Belastungsinkontinenz
  • Dranginkontinenz
  • Reflexinkontinenz
  • Überlaufinkontinenz
  • Extraurethrale Harninkontinenz

Belastungsinkontinenz

Bei einer Belastungsinkontinenz, auch bekannt als Stressinkontinenz, kommt es durch einen erhöhten Druck im Bauchraum zum unwillkürlichen Harnverlust. Dies kann beispielsweise beim Tragen von schweren Gegenständen, aber auch beim Lachen, Husten oder Niesen der Fall sein. In Extremfällen kann auch bei normalen Bewegungen, wie etwa dem Gehen, ein Urinverlust auftreten. Dieser kann von wenigen Tropfen bis hin zu einem Urinverlust im Strahl reichen.

Liegt eine Belastungsinkontinenz vor, ist meist die Verbindung zwischen Blasenhals und Harnröhre beeinträchtigt. Eine häufige Ursache sind Operationen und Unfälle, durch die das Gewebe des Beckenbodens geschwächt oder Nerven im Bereich des Beckens verletzt werden. Bei Männern ist das Risiko für eine Belastungsinkontinenz nach einer Prostata-OP besonders hoch. Dadurch kann es nämlich passieren, dass sich der Schließmuskel der Blase absenkt. 

Bei Frauen ist die Beckenbodenmuskulatur schwächer ausgeprägt als bei Männern, weshalb sie häufiger unter einer Belastungsinkontinenz leiden. Besondere Strapazen für den Beckenboden stellen Schwangerschaft und Geburt dar. Während der Schwangerschaft, aber auch nach der Geburt macht sich häufig eine Belastungsinkontinenz bemerkbar. Auch durch die hormonellen Veränderungen in den Wechseljahren steigt das Risiko für eine Inkontinenz. 

Dranginkontinenz

Bei einer Dranginkontinenz (auch: Urgeinkontinenz) tritt ganz plötzlich ein Harndrang auf, der so stark ist, dass es die Betroffenen zum Teil nicht mehr rechtzeitig auf die Toilette schaffen. Oftmals tritt der Harndrang mehrmals pro Stunde auf, obwohl die Blase noch gar nicht wieder vollständig gefüllt ist.

Ursache einer Dranginkontinenz ist ein Problem bei der Signalübertragung: Obwohl die Blase noch nicht voll ist, wird an das Gehirn das Signal zum Entleeren gesendet. 

Unterschieden werden kann hierbei in:

  • Sensorische Dranginkontinenz: gestörte Wahrnehmung der Blasenfüllung (vorzeitiges Füllungsgefühl), zum Beispiel infolge von Blasensteinen oder einer Entzündung der ableitenden Harnwege
  • Motorische Dranginkontinenz: krampfartiges, unwillkürliches Zusammenziehen des Harnblasen-Schließmuskels, in deren Folge bereits eine minimale Füllung der Harnblase einen starken Harndrang auslöst

Als konkrete Ursachen kommen Operationen, die zu einer Schädigung der Nerven geführt haben, eine unzureichend behandelte Diabetes mellitus sowie neurologische Erkrankungen wie Multiple Sklerose oder Parkinson in Frage. Ebenso kann der Auslöser eine ständige Reizung der Blase durch Harnwegsinfekte wie eine Blasenentzündung oder eine Verengung des Blasenausganges, etwa infolge einer Prostata-Vergrößerung, darstellen. Zudem können hinter einer Dranginkontinenz auch psychische Ursachen stecken. 

Reflexinkontinenz

Bei einer Reflexinkontinenz spüren die Betroffenen nicht mehr, ob die Blase voll ist. Zudem können sie die Entleerung der Blase nicht mehr willentlich steuern. Deswegen entleert sich diese von Zeit zu Zeit selber.

Bei einer Reflexinkontinenz sind die Nerven gestört, die die Blase steuern. Dadurch kommt es zu einem Verlust der Kontrolle über den Schließmuskel. Ursache hierfür können ebenfalls neurologische Erkrankungen wie Multiple Sklerose sein. Daneben kommen aber auch Verletzungen am Rückenmark in Frage, wie sie beispielsweise im Rahmen einer Querschnittslähmung auftreten (spinale Reflexinkontinenz). 

Von einer supraspinalen Reflexinkontinenz spricht man, wenn die Kontrolle über die willkürliche Blasenentleerung aufgrund von Hirnleistungsstörungen verlorengeht, beispielsweise aufgrund von Alzheimer, Demenz, Parkinson oder eines Schlaganfalls.

Überlaufinkontinenz

Bei einer Überlaufinkontinenz laufen immer wieder kleine Mengen Urin ab, sobald die Blase gefüllt ist.

Ursache der Beschwerden ist ein Ablaufproblem am Blasenausgang. Durch ein Hindernis am Ausgang – beispielsweise eine vergrößerte Prostata, einen Tumor oder eine verengte Harnröhre – kann der Urin nicht problemlos abfließen. Erst wenn der Druck in der Blase immer weiter zunimmt, können kleine Mengen an Urin entweichen. Die Überlaufinkontinenz geht daher mit einem Gefühl einher, dass die Blase nie komplett geleert wird.

Diese Form der Inkontinenz ist die häufigste bei Männern. 

Extraurethrale Harninkontinenz

Bei einer extraurethralen Harninkontinenz kommt es ebenfalls zu einem ständigen Urinverlust. Allerdings fließt der Urin nicht über die Harnwege ab, sondern durch eine Fistel, die die Blase mit anderen Organen wie der Scheide oder dem Darm verbindet. Dadurch haben die Betroffenen keinerlei Kontrolle über den Harnverlust.

Eine extraurethrale Harninkontinenz ist in der Regel angeboren. 

Stuhlinkontinenz: Stufen und Formen

Patienten mit einer Stuhlinkontinenz haben Schwierigkeiten, ihre Darmgase sowie ihren Stuhl kontrolliert abzugeben. Je nach Schweregrad der Inkontinenz werden dabei drei Stufen unterschieden:

  • Stufe 1: Es kommt zu einem unkontrollierten Abgang von Darmgasen. Unter Belastung kann es außerdem teilweise zu Stuhlschmieren kommen.
  • Stufe 2: Es kommt zu einem unkontrollierten Abgang von Darmgasen und dünnem Stuhl.
  • Stufe 3: Es kommt zu einem völligen Verlust über die Stuhlkontrolle. Die Folge ist ein ständiges Stuhlschmieren. Zudem wird nicht nur flüssiger, sondern auch fester Stuhl verloren.

Je nach Ursache der Beschwerden werden genau wie bei der Harninkontinenz auch bei der Stuhlinkontinenz fünf Formen unterschieden:

  • motorische
  • sensorische
  • reservoirbedingte
  • neurale
  • psychische

In einigen Fällen merken die Betroffenen den Stuhldrang noch, schaffen es aber nicht mehr rechtzeitig bis zur Toilette. In anderen Fällen spüren die Betroffenen dagegen nichts und der Stuhlverlust passiert vollkommen unbewusst. 

Ursachen einer Stuhlinkontinenz

Eine Stuhlinkontinenz kann durch verschiedene Erkrankungen bedingt sein. Neben chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn kommen auch neurologische Erkrankungen als Auslöser in Frage. Ebenso können Tumore im Enddarm, eine Beckenbodenschwäche, stark ausgeprägte Hämorrhoiden oder Verstopfungen die Ursache darstellen.

Der Schließmuskel kann weiterhin durch Verletzungen nach Operationen oder einer Geburt beeinträchtigt werden. Werden Nerven geschädigt, kann dadurch auch die Wahrnehmung am Darmausgang gestört werden. Schließlich kommen auch bestimmte Medikamente wie Abführmittel, Antidepressiva oder Mittel gegen Parkinson als Ursache infrage.

Was hilft bei Inkontinenz?

Viele Betroffene empfinden Inkontinenz als ein peinliches Thema und sprechen deshalb nicht darüber – auch nicht mit einem Arzt. Wenn Sie Probleme haben, Urin oder Stuhl zu halten, sollten Sie jedoch immer einen Arzt aufsuchen. Für diesen ist das Thema nicht neu oder außergewöhnlich – zögern Sie einen Arztbesuch also nicht unnötig lange hinaus. Welche Behandlung für Sie speziell infrage kommt, ist immer von der Form der Inkontinenz abhängig. Bis die Therapie anschlägt, gibt es diverse Hilfsmittel wie Einlagen oder Windeln, die Ihre Lebensqualität erhöhen können. 

Harninkontinenz zunächst konservativ behandeln

Bei bestimmten Ursachen wie einer extraurethralen Inkontinenz oder einer vergrößerten Prostata ist in der Regel immer eine OP nötig. Ebenso müssen Probleme mit der Harnröhre häufig durch einen operativen Eingriff behoben werden. Und bei einer Blase, die überaktiv ist oder sich aus eigener Kraft nicht mehr entleeren kann, kann ein Blasenschrittmacher helfen. Allerdings sollten vor einer OP immer konservative Methoden ausgeschöpft werden.

Als konservative Methoden kommt unter anderem die Einnahme von Medikamenten infrage. Hier werden bei einer Dranginkontinenz Anticholinergika, bei einer Überlaufinkontinenz Alpharezeptorenblocker und bei einer Reflexinkontinenz Parasympatholytika verschrieben. Unter Umständen muss bei einer Reflexinkontinenz oder einer Überlaufinkontinenz auch ein Katheter gelegt werden.

Wichtig ist auch, dass Sie die Beckenbodenmuskulatur trainieren. Dies kann entweder aktiv durch spezielle Gymnastik-Übungen oder passiv durch Elektrotherapie geschehen. Dabei werden die Muskeln im Beckenboden durch elektrische Impulse trainiert.

Ebenso kann ein Toilettentraining hilfreich sein: Dabei bestimmen Sie zusammen mit Ihrem Arzt Getränke und Trinkmenge sowie feste Toilettenzeiten. 

Beckenbodengymnastik stärkt die Muskulatur

Ein Beckenbodentraining ist besonders bei einer Belastungsinkontinenz sehr zu empfehlen, denn der Beckenboden stützt den Schließmuskel der Blase. Durch einen kräftigen Beckenboden kann somit einer Inkontinenz vorgebeugt werden.

Das Training sorgt dafür, dass die Muskeln im Bereich des Beckenbodens gezielt gekräftigt werden. Am besten erlernen Sie das Training zusammen mit einem Physiotherapeuten. So können Sie sicherstellen, dass Sie die Übungen richtig ausführen und das Training auch effektiv ist.

Alternativ finden Sie hier 10 Beckenbodengymnastik-Übungen, die Sie ganz einfach zu Hause durchführen können.

Erste Hilfe bei Stuhlinkontinenz

Auch bei einer Stuhlinkontinenz können Methoden wie Beckenbodengymnastik, Elektrotherapie sowie ein Toilettentraining hilfreich sein. In Absprache mit dem behandelnden Arzt können zudem Abführmittel oder Mobilitätshemmer eingesetzt werden, um den Dickdarm zur Stuhlausscheidung zu stimulieren oder die Häufigkeit des Stuhlgangs zu verringern. 

Oftmals kann eine Stuhlinkontinenz aber auch durch eine Umstellung der Ernährungsgewohnheiten deutlich verbessert werden. Empfehlenswert ist der regelmäßige Verzehr von ballaststoffreichen Lebensmitteln. Blähende Speisen sollten Sie dagegen ebenso wie Alkohol und Kaffee möglichst vermeiden.

Durch eine Operation kann ein Schrittmacher eingesetzt werden, der das Zusammenspiel von Beckenboden, Darm, Schließmuskel und Gehirn verbessert. Zudem kann durch eine OP ein verletzter Schließmuskel genäht oder ein künstlicher Schließmuskel eingesetzt werden. Je nach Ursache sind auch größere Operationen möglich. 

Hilfsmittel: Windel und Einlagen bei einer Inkontinenz

Um den Alltag mit einer Harn- und Stuhlinkontinenz so erträglich wie möglich zu gestalten, gibt es verschiedene Hilfsmittel. Wenden Sie diese Mittel so lange an, bis eine langfristige Behandlung greift. Dank der Mittel können Sie sich im Alltag ohne die Sorge bewegen, dass jemand Ihre Inkontinenz bemerkt.

Typische Hilfsmittel bei Inkontinenz sind saugstarke Einlagen, Inkontinenz-Windeln und Analtampons. Für Männer gibt es außerdem ein sogenanntes Kondom-Urinal: Dabei handelt es sich um eine kondom-ähnliche Konstruktion, über die der Urin in einen separaten Beutel geleitet wird. 

Weitere Tipps bei Inkontinenz

Diese Tipps sollten Sie beachten:

  • Gehen Sie regelmäßig zur Toilette – weder zu selten noch zu oft. Wenn Sie zu oft auf die Toilette gehen, gewöhnt sich die Blase an die kleinen Urinmengen und kann keine größeren Mengen mehr speichern. Gehen Sie dagegen zu selten, kann die Blasenmuskulatur überdehnt und die Funktion der Blase gestört werden.
  • Verzichten Sie auf Lebensmittel, die die Blase reizen. Dazu gehören beispielsweise Kaffee und scharf gewürzte Speisen. Liegt eine Stuhlinkontinenz vor, sind besonders blähende Speisen ungeeignet. Eine ballaststoffreiche Kost kann sich dagegen positiv auswirken.
  • Wenn Sie übergewichtig sind, sollten Sie versuchen, ein paar Kilos abzunehmen. Denn durch Übergewicht steigt der Druck in der Bauchhöhle, wodurch sich eine bestehende Inkontinenz noch weiter verstärken kann. Wenn Sie etwas abnehmen, zeigt in der Regel auch das Beckenboden-Training eine bessere Wirkung.
  • Nehmen Sie bei einer Harninkontinenz trotz der Beschwerden ausreichend Flüssigkeit zu sich. Ansonsten steigt durch den konzentrierten Urin der Harndrang noch weiter an. Ebenso kann das Risiko für eine Blasenentzündung zunehmen.
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