Vorbesprechung für Szintigrafie
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Szintigrafie

Von: Dagmar Reiche (Ärztin und Medizinautorin)
Letzte Aktualisierung: 21.06.2012 - 15:14 Uhr

Radioaktives Isotop, Gammakamera, Technetium - Begriffe, die nicht unbedingt positive Assoziationen hervorrufen. Zu Unrecht: Sie sind wichtige Bestandteile von Verfahren der Nuklearmedizin und eröffnen zahlreiche diagnostische und therapeutische Möglichkeiten. Die Szintigrafie ist eine davon. Was eine Szintigrafie genau ist, welche Formen es gibt und Wissenswertes zu Ablauf und Dauer der Untersuchung lesen Sie hier.

Was ist eine Szintigrafie?

Die Szintigrafie ist eine Untersuchungsmethode, bei der Bilder durch in den Körper eingebrachte radioaktive Substanzen, meist Technetium (99mTc) erzeugt werden. Damit lassen sich Stoffwechsel und Organfunktionen beurteilen und bestimmte Gewebsveränderungen erkennen.

  • Radionukleide (Radioisotope) sind instabile Atomkerne chemischer Elemente, die leicht zerfallen und dabei radioaktive Strahlung freisetzen.
  • Bindet man solche Substanzen an Trägerstoffe ("radioaktive Markierung"), entsteht ein Radiopharmakon, das man in den Organismus als Injektion, Tablette oder Atemgas einschleusen kann. Es verteilt sich im Körper und sendet dann – je nach Grad der Anreicherung – vorübergehend verschieden starke Strahlung aus. Diese lässt sich mit Hilfe einer sogenannten Gamma-Kamera registrieren und per Computer in Bilder (Szintigramme) umwandeln.
  • Als Trägermaterialien werden chemische Verbindungen verwendet, von denen man weiß, dass sie in bestimmte Organe eingebaut werden, sodass diese sich gezielt untersuchen lassen. So eignet sich z.B. Pertechneat für die Diagnostik der Schilddrüse, da es von dieser wie Jod aufgenommen wird.

Es werden sehr rasch zerfallende Radionukleide und zügig ausscheidbare Trägersubstanzen verwendet, so dass die Wirkungsdauer der Radioaktivität auf Minuten bis Stunden begrenzt und somit die Strahlenbelastung für den Patienten sehr gering (meist nicht höher als die konventioneller Röntgenaufnahmen) ist. Trotzdem sollte die Untersuchung in der Schwangerschaft und Stillzeit nur in Ausnahmefällen durchgeführt werden. Die Ausscheidung der radioaktiven Abbauprodukte über die Nieren lässt sich mit vermehrter Flüssigkeitsaufnahme im Anschluss an die Untersuchung beschleunigen.

Formen der Szintigrafie

Die Szintigrafie eignet sich hervorragend dazu, Gewebe bezüglich ihrer Funktionsfähigkeit zu prüfen, und das sogar, bevor dort sichtbare Veränderungen auftreten. Prinzipiell unterscheidet man die statische und die dynamische Szintigrafie. Mit der ersten lassen sich Lage, Form, Größe und Masse von Gewebe beurteilen sowie Anomalien wie Entzündungen oder Tumoren entdecken. Die eigentliche Organfunktion lässt sich mittels der dynamischen Szintigrafie beurteilen. Als Techniken kommen dafür Sequenz- und Funktionsszintigrafie zur Anwendung:

  • Statische Szintigrafie: Hier werden - ähnlich einer normalen Röntgenuntersuchung – ein oder mehrere Bilder an einem Zeitpunkt aufgenommen, in manchen Fällen auch in zwei Ebenen, um sich die dreidimensionale Verteilung des Radiopharmakons besser vorstellen zu können. Für Funktionsanalysen wird diese Form dann angewandt, wenn der Zustand der Aktivitätsverteilung stabil ist und relativ lange anhält. Zu erkennen sind regional entweder eine normale, eine verminderte bzw. fehlende Aktivitätsanreicherung (Speicherdefekt, "cold spots") oder eine vermehrte Speicherung ("hot spots").
  • Sequenzszintigrafie: Wenn sich die Verteilung der Radionukleide recht rasch und immer wieder ändert (z.B. bei der Ausscheidung von Urin über den Harntrakt), werden mehrere Aufnahmen in festen Zeitabständen (z.B. minütlich) angefertigt, um den Prozessverlauf beurteilen zu können.
  • Funktionsszintigrafie: Kombiniert man die Sequenzszintigrafie mit einer computergesteuerten Berechnung der Strahlungsaktivität, lassen sich Rückschlüsse auf die Funktionsfähigkeit von ganzen Organen oder ihrer Teilbereiche ziehen. Dies kann insbesondere zum Seitenvergleich von Durchblutung oder Organfunktion hilfreich sein (z.B. Nieren, Gehirnhälften).

Auf einem ähnlichen Prinzip wie die Szintigrafie beruht die Emissionscomputertomografie (ECT). Auch hier wird ein Radiopharmakon (meist Fluordeoxyglukose) gespritzt. Die ausgesendete Strahlung wird dann mithilfe von rotierenden Kameras bzw. Ringdetektoren erfasst und - das ist der Hauptunterschied - vom Computer in Schnittbilder (Computertomographie) umgerechnet. Bei der Single-Photon-Emissionscomputertomografie (SPECT) werden dazu auch Gammastrahler, bei der Positronenemissionstomografie (PET) kurzlebige Positronenstrahler verwendet. Letztere sind extrem teuer, weshalb die Untersuchung nur in großen Zentren durchgeführt wird.

Ablauf einer Szintigrafie

Ob eine Vorbereitung des Patienten nötig ist, hängt vom untersuchten Organ und der Untersuchungsmethode ab. Manchmal muss der Patient nüchtern bleiben, bestimmte Medikamente absetzen bzw. einnehmen oder vermehrt trinken.

Die Untersuchung erfolgt im Liegen oder Sitzen. Am unangenehmsten ist das meist notwendige Spritzen des Radiopharmakons. Die Gammakamera ist auf einem motorbetriebenen Stativ montiert, umfährt den Patienten und macht im Sekunden- oder Minutenabstand Aufnahmen. Dafür muss der Patient – je nach Fragestellung und Gerät – 10 bis 30 Minuten still halten. Die Szintigrafie kann zwischen einer knappen Viertelstunde (für eine Aufnahme) bis zu mehreren Stunden dauern.

Welche Organe können dargestellt werden?

Am häufigsten wird die Szintigrafie zur Untersuchung von Schilddrüse, Nieren, Herz, Lunge und Knochen eingesetzt. Im Prinzip lässt sich damit aber auch die Funktion fast aller anderen Organe beurteilen, so z.B. Leber, Lymphe, Gehirn, Nebenschilddrüsen, Milz, Magen oder Speiseröhre. Sie wird auch genutzt, um bei unklarem Fieber auf die Suche nach Entzündungsherden zu gehen.

Szintigrafie der Schilddrüse

Die Szintigrafie eignet sich sehr gut, um funktionierendes und nicht funktionierendes Schilddrüsengewebe zu unterscheiden (Störungen der Schilddrüsenfunktion) und dabei auch Form, Größe und Lage des Organs zu prüfen. Reichert sich das gespritzte Pertechneat vermehrt an, spricht das für gutartige Tumoren (Adenome), die Schilddrüsenhormone produzieren, ohne in den Regelkreis eingebunden zu sein (Schilddrüsenautonomie). Ein Speicherdefekt weist auf (bösartige) Tumoren oder Zysten hin.

Besteht der Verdacht auf eine Autonomie, kann zusätzlich eine Suppressionsszintigrafie durchgeführt werden, bei der Schilddrüsenhormone in Form von Tabletten gegeben und ihre Wirkungen auf die Schilddrüse geprüft werden. Die normale Reaktion wäre eine Drosselung der Hormonausschüttung und somit verminderte Anreicherung des Radiopharmakons.

Szintigrafie der Nieren

Die statische Nierenszintigrafie (Isotopennephrografie) kommt eher selten zum Einsatz, meist dann, wenn strukturelle Veränderungen wie Fehlbildungen vorliegen, die sich mit anderen bildgebenden Verfahren nicht bestimmen lassen. Häufiger werden Nierenfunktionsszintigrafien verwendet: Mit der Nierenperfusionsszintigrafie lässt sich die Durchblutung der Nieren bestimmen, mit der Nierenausscheidungsszintigrafie kann man Abflussstörungen des Harns aus Niere und Harnleiter nachweisen.

Mit einer speziellen Messeinrichtung lassen sich die Veränderungen der Strahlungsaktivität im zeitlichen Verlauf und die (seitengetrennte) Nierenfunktion ermitteln. Als Radiopharmaka dienen verschiedene mit Technetium markierte Moleküle, die in bestimmter Weise aus dem Blut filtriert und ausschließlich über die Nieren ausgeschieden werden.

Szintigrafie am Herz

Die Myokardperfusionsszintigrafie kommt bei Verdacht auf Vorliegen einer Durchblutungsstörung (Koronare Herzkrankheit) zur Anwendung. Trägerstoff ist Thallium, das wie Kalium – in Abhängigkeit von Durchblutung und Stoffwechselaktivität – in den Herzmuskel transportiert wird. Fehlende Anreicherung lässt auf eine Gefäßverengung bzw. einen -verschluss oder auf abgestorbenes Gewebe schließen. Die Bilder werden in Ruhe und während körperlicher Belastung (z.B. auf einem Standfahrrad) angefertigt.

Mit der Herzbinnenraumszintigrafie (Radionuklidventrikulografie) lassen sich die Funktionen der linken Herzkammer wie Kontraktionskraft, Auswurfleistung sowie Füllungs- und Entleerungsgeschwindigkeit beurteilen. Als Träger für das Technetium dienen rote Blutkörperchen, deren Weg durch den Blutstrom und das Herz protokolliert wird. Gleichzeitig werden die elektrischen Herzaktivitäten mittels EKG aufgezeichnet. Diese Untersuchung wird heute allerdings überwiegend durch Ultraschall oder Kernspintomografie ersetzt.

Szintigrafie der Lunge

Die Lungenszintigrafie ist meist Methode der Wahl, wenn der Verdacht auf einen Gefäßverschluss innerhalb des Lungenkreislaufs (Lungenembolie) besteht. Bei der Lungenperfusionsszintigrafie werden dem Patienten kleine, mit Technetium markierte menschliche Eiweißstoffe (Albumin) gespritzt, die sich bis in die kleinsten Lungengefäße verteilen und dort stecken bleiben.

Nicht durchblutete Lungenabschnitte zeigen sich als Aussparungen (Perfusionsausfälle). Dann muss zusätzlich eine Lungenventilationsszintigrafie angefertigt werden, um Perfusionsausfälle infolge einer Embolie von Aussparungen aufgrund einer reflektorischen Engerstellung bei Lungenkrankheiten mit schlechter Lungenbelüftung (z.B. Kollaps eines Lungenflügels, Überblähung der Bronchien) abzugrenzen. Dabei muss der Patient über mehrere Minuten radioaktiv markiertes Xenongas (Funktionsventilationsszintigrafie) bzw. mit Technetium behaftete Mikropartikel (statische Ventilationsszintigrafie) einatmen. Dessen Verteilung lässt Rückschlüsse auf die Lungenbelüftung zu.

Szintigrafie der Knochen

Die Skelettszintigrafie eignet sich zur Beurteilung vieler Umbauprozesse und Erkrankungen der Knochen. Häufig wird sie zur Suche von Metastasen bei einer Krebserkrankung und deren Therapiekontrolle eingesetzt. Gespritzt wird meist radioaktiv markiertes Diphosphonat, das in den Knochen eingebaut wird. Vermehrte Speicherung als Zeichen erhöhter Stoffwechselaktivitäten kann z.B. nach einem Knochenbruch, bei einer Entzündung, einem Tumor oder einer Abnutzungserkrankung auftreten. Verminderte Speicherung findet sich bei Zerstörung von Knochengewebe z.B. bei einer Krebserkrankung.

Szintigrafien im Überblick

Auf den Punkt gebracht - die wichtigsten Szintigrafien im Überblick:

Herzbinnenraum­szintigrafie

Indikation:

  • Überprüfung der Pumpleistung bei Chemotherapie mit herzschädigenden Medikamenten
  • Bestimmung des Operationszeitpunktes bei einem bestimmten Klappenfehler (Aorteninsuffizienz) bzw. der Herzfunktion vor einer Herztransplantation

Dauer: 2-3 Stunden

Hinweis:

  • Wird kaum noch gemacht (sondern eher Ultraschall oder Kernspintomografie)

Myokardperfusionsszintigrafie

Indikation:

  • Durchblutungsstörungen (KHK)

Dauer: Bis zu 5 Stunden (da Spätaufnahmen erst nach ca. 4 Std. angefertigt werden)

Hinweis:

  • Nüchtern (v.a. keinen Kaffee)
  • Absetzen von Medikamenten, die die Durchblutung beeinflussen (nach Rücksprache mit Arzt)

Skelettszintigrafie

Indikation:

  • Vor allem zum Screening bei Tumoren, deren Metastasen sich häufig in Knochen absiedeln, z.B. Brust-, Prostata-, Lungen-, Schilddrüsenkrebs
  • Entzündungen und andere Veränderung von Knochen und Gelenken
  • Bei Verdacht auf Lockerung oder Infektion von Prothesen (z.B. in der Hüfte)
  • Durchblutungsstörungen des Knochens

Dauer: 2–5 Stunden (Frühaufnahmen innerhalb der ersten 10 Min., Spätaufnahmen nach einigen Std., da es lange dauert, bis die Substanz in den Knochen aufgenommen ist)

Hinweis:

  • Viel Trinken und häufig Blase entleeren, um Strahlenbelastung für die Harnblase zu reduzieren

Perfusionsszintigrafie, Ventilationsszintigrafie

Indikation:

  • Lungenembolie
  • Abschätzung der regionalen Lungenfunktion vor Lungenoperationen z.B. bei Tumoren

Dauer: 30–60 Minuten

Hinweis:

Nierenfunktionsszintigrafie

(Nierenausscheidungsszintigrafie, Nierenperfusionsszintigrafie) Indikation:

  • Verengung der Nierenarterien
  • Erkrankung der Nierenkörperchen (verlinken auf „Glomerulonephritis“)
  • Narben, Fehlbildungen
  • Störungen der ableitenden Harnwege
  • Vor einer Nierenoperation bei Tumor
  • Überprüfung der Nierenfunktion bei Chemotherapie mit nierenschädigenden Medikamenten und nach Nierentransplantation

Dauer: 45–60 Minuten

Hinweis:

  • Vorher viel trinken (> 500 ml Flüssigkeit)

Statische Nierenszintigrafie

Indikation:

  • bei untypischer Lage oder Missbildungen der Nieren
  • Verdacht auf Nierenverletzung
  • Verdacht auf Nierentuberkulose

Dauer: 15–30 Minuten

Hinweis:

  • Anwendung eher selten

Schilddrüsenszintigrafie

Indikation:

  • Beurteilung der Schilddrüsenstruktur
  • Klären einer Auffälligkeit in einer Ultraschalluntersuchung
  • Zur Vorbereitung einer Radiojodtherapie

Dauer: 20 Minuten

Hinweis:

  • Die Einnahme jodhaltiger Medikamente (z.B. auch Kontrastmittel) muss mindestens 4 Wochen zurückliegen
  • Vorher werden die aktuellen Hormonwerte im Blut bestimmt

Suppressionsszintigrafie

Indikation:

  • Anderweitig nicht zu klärender Verdacht auf ein autonomes Adenom

Dauer: 45 Minuten

Hinweis:

  • Die Einnahme jodhaltiger Medikamente (z.B. auch Kontrastmittel) muss mindestens 4 Wochen zurückliegen
  • Vorher werden die aktuellen Hormonwerte im Blut bestimmt