Anthroposophische Ernährung
Die anthroposophische Ernährungsphilosophie steht für frische und qualitativ hochwertige Nahrung aus biologischem Anbau. Es ist eine vorwiegend vegetarische Ernährung, die allerdings Milch und Eier befürwortet. Selbst wenn man sich mit dem philosophischen Hintergrund nicht anfreunden kann – gesund ist dies Ernährungsform allemal.
Hätte Rudolf Steiner (1861-1925) - Natur- und Geisteswissenschaftler und Begründer der Anthroposophie - heute gelebt, wäre er mit ziemlicher Sicherheit ein Gegner des Einsatzes von Gentechnik in der Landwirtschaft. Zu seiner Zeit lehnte er jedenfalls Wachstumsförderer in der Tiermast, Pestizide auf dem Feld oder chemische Unkrautvernichter im Garten strikt ab. Wichtig war ihm dagegen eine Lebensweise, die Körper und Geist in harmonischen Einklang mit Natur und Kosmos bringt – die richtige Ernähung ist dabei nur ein, wenn auch sehr wichtiger, Aspekt.
Daneben beschäftigt sich die Anthroposophie als umfassende philosophische Lehre mit Fragen der Politik, Religion, Medizin, Pädagogik und steht auch für eine spezielle Naturmedizin, in der die klassische Homöopathie und traditionelle Pflanzenheilkunde neu kombiniert werden.
Biologisch-dynamisch
Steiner hat mit seiner Anschauung die Basis für eine bewusst ökologische Landwirtschaft gelegt. Sich anthroposophisch zu ernähren, bedeutet in erster Linie eine ovo-lacto-vegetabile Ernährungsform, die der Vollwert-Ernährung stark ähnelt. Im Mittelpunkt als traditionelle Grundnahrungsmittel stehen die sieben Getreide (Reis, Hirse, Gerste, Roggen, Mais, Hafer und Weizen) und deren Produkte aus dem vollen Korn. Milch und Milchprodukte sind empfehlenswert, denn sie stellen nach Steiner "ein Gleichgewicht zwischen einer materialistischen und einer vergeistigten Bewusstseinshaltung" her.
Umstritten ist, ob Kartoffeln und andere Nachtschattengewächse, Paprika etwa oder Auberginen, für die seelische Entwicklung ungünstig sind. Weißmehl sollte zu Gunsten von Vollkornmehl vermieden werden. Auch Obst und Gemüse werden reichlich verzehrt. Die drei Teilbereiche einer Pflanze – also Wurzel, Blatt und Stängel oder Blüten – können je nach Sorte bestimmte Körperregionen positiv beeinflussen. So heißt es, dass Blattsalate und Kohlsorten Herz und Lungen stärken, Wurzelgemüse gelten als Nerven- und Kopfnahrung, Früchte und Samen regen den Stoffwechsel an. Empfehlenswert ist es nach Ansicht der Anthroposophen, täglich von Lebensmitteln aus allen drei Bereichen zu essen, um ein harmonisches Gleichgewicht zu erzielen.
Wichtig ist den Anthroposophen, dass die Lebensmittel möglichst frisch sind und aus biologisch-dynamischen Landbau stammen, da sie so besonders vitale Kräfte aufweisen. Große Bedeutung hat die Kieselsäure (Silikate). Der Kiesel wird als Formbildner betrachtet, der in allem Leben wirksam wird. Störungen des Kieselorganismus machen sich in Haltungsschwäche, brüchigen Nägeln, stumpfem Haar und verschiedenen Störungen der inneren Organe bemerkbar. Die beste Ernährungstherapie bei Kieselstörungen ist ein häufiger Verzehr von Getreideprodukten, die einen hohen Anteil an Silikaten enthalten.
Am besten vegetarisch
Allen Empfehlungen zum Trotz: Wichtiges Prinzip dieser Kostform ist die freie Entscheidung des Menschen – es gibt weder verbotene, noch besonders erlaubte Lebensmittel. Deshalb machten die Anthroposophen Anfang des 20. Jahrhunderts auch keine strengen Vorschriften hinsichtlich des Verzehrs von Fleisch. Allerdings gehört es nicht unbedingt auf den "anthroposophischen Teller", da es "das Seelisch-Geistige zu sehr in die irdisch-materiellen Verhältnisse einbindet" und "den geistig strebenden Menschen in der Entwicklung aufhält".
Laut Steiner wird mit Fleischnahrung etwas zugeführt, das im Körper zu Fremdstoffen umgewandelt wird, die im Organismus negative und unkontrollierbare Auswirkungen haben.Äußerst weitblickend und aufschlussreich sind Steiners Ausführungen zum Thema Fleischverfütterung an Rinder: In einem seiner Vorträge stellte er fest, dass Tiere, die natürlicherweise ausschließlich von Pflanzenkost leben, nicht ohne schwerwiegende Folgen mit tierischem Eiweiß gefüttert werden dürfen. Er sagte sinngemäß dazu, dass das Tier nur befähigt sei, Fleisch aus Pflanzennahrung zu erzeugen. Würde es tierisches Eiweiß bekommen, lägen wesentliche Kräfte des Stoffwechsels brach, die biologisch pflanzliche Substanz zu tierischer Substanz verwandeln.
Diese unverbrauchten Energien vagabundieren und stauen sich schließlich in unvorstellbarer Weise im Organismus. Statt dass aus Fleisch wieder Fleisch gebildet werde, komme es zu einem Überhang schädlicher Energien, die zur Entstehung ganzer Herden verrückter Tiere führen. Steiner sollte Recht behalten – 1986 trat der erste BSE-Fall in Großbritannien auf.
Anstoß für die Demeter-Bewegung
Im Jahre 1924 hielt Rudolf Steiner einen landwirtschaftlichen Kurs. In den Vorträgen warb er für eine Agrikultur, die auf Mineraldünger und chemische Gifte verzichtet und den Boden mit Pflanzen- und Tierkompost ernährt. Diese Ideen gaben den Anstoß für die Gründung des Demeter-Bundes (1927), die älteste ökologische Wirtschaftsweise unter dem Namen der griechischen Fruchtbarkeitsgöttin.
Der landwirtschaftliche Betrieb gilt als lebendiger Organismus, der durch vielfältige Fruchtfolge, angepasste Pflanzenwahl, harmonische organische Düngung und artgerechte Tierhaltung mit hofeigener Fütterung gefördert wird. Die Wirkung von irdischen und kosmischen Kräften auf alle Lebensprozesse werden einbezogen. Zwingend ist auch die Anwendung biologisch-dynamischer Präparate, z. B. aus Heilpflanzen. Anhänger der Anthroposophie bevorzugen frische und möglichst naturbelassene Lebensmittel, allerdings nicht nur Rohkost. Mikrowellen und die Bestrahlung von Lebensmitteln zur Haltbarmachung sind ihrer Ansicht nach gesundheitsschädigend.
Fazit: Auch wenn man mit der Philosophie der Anthroposophie nichts anzufangen weiß – die empfohlene Ernährung ist sehr gesund. Die Kost ist ausgewogen und abwechslungsreich, enthält viele Ballaststoffe, Mineralstoffe und Vitamine, aber nur wenig ungesunde/tierische Fette. Auch auf das Genussgift Alkohol wird eher verzichtet.
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