Symptome einer Blutvergiftung nach Verletzung am Finger
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Blutvergiftung (Sepsis): Symptome, Ursachen und Behandlung

Von: Dagmar Reiche (Ärztin und Medizinautorin), Silke Schwertel (geb. Hamann) (Medizinredakteurin), Jasmin Rauch (Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 05.12.2024

Der Volksmund spricht von Blutvergiftung – um eine Vergiftung im eigentlichen Sinne handelt es sich bei der Sepsis jedoch nicht. Am Anfang steht immer eine lokale Infektion, meist mit Bakterien. Von diesem Krankheitsherd – zum Beispiel von einer Wunde am Bein oder Finger, einer entzündeten Zahnwurzel oder einer Lungenentzündung – breiten sich die Erreger und ihre Gifte über den Blutkreislauf im gesamten Körper aus. Der Organismus reagiert mit einer Entzündung, die nach und nach alle Organe erfasst. Erfahren Sie mehr zu Ursachen, Symptomen und Behandlung sowie den Überlebenschancen bei Sepsis.

Definition: Was ist eine Sepsis (Blutvergiftung)?

Der menschliche Organismus verfügt über ein ganzes Arsenal an Strategien, um gefährlichen Situationen gegenüberzutreten. Manchmal allerdings sind die schädigenden Wirkungen so groß, dass die Abwehrmaßnahmen nicht nur versagen, sondern sich ins Gegenteil verkehren und gegen den Körper selbst richten. Gemäß der offiziellen Definition ist eine Sepsis eine Überreaktion des Körpers auf eine Infektion, die zu einer lebensbedrohlichen Fehlfunktion der Organe führt.

Man unterscheidet eine einfache (eine Allgemeininfektion ohne Organversagen) von der schweren Sepsis (Versagen eines oder mehrerer Organe) und diese wiederum vom septischen Schock (schwere Sepsis mit stark erniedrigtem Blutdruck).

Auch heute noch endet eine Sepsis, auch Blutstrominfektion oder umgangssprachlich Blutvergiftung genannt, in vielen Fällen tödlich.

Ursachen der Sepsis: Wie entsteht eine Blutvergiftung?

Meist gelingt es dem Körper, eine Infektion auf ihren Ursprungsort zu begrenzen. Dazu dient die Entzündungsreaktion, ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Reaktionen von Gefäßen und Gewebe, Ausschüttung körpereigener Stoffe und Einwanderung bestimmter Zellen. Das führt zu den klassischen Entzündungszeichen wie Rötung, Überwärmung, Schwellung und Schmerz.

Ist der Körper aber geschwächt, zum Beispiel im Rahmen einer anderen Erkrankung, oder sind die Erreger besonders aggressiv, kann sich die Infektion und damit die Entzündungsreaktion auf den ganzen Organismus ausbreiten. Nacheinander werden in einem schnellen Verlauf die Organe befallen und deshalb nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt.

Der ursprüngliche Auslöser einer Blutvergiftung kann jede Art von Infektion mit Erregern wie Bakterien, Viren, Parasiten oder Pilzen sein, beispielsweise:

  • eine kleine Verletzung am Finger oder Fuß
  • ein Insektenstich am Arm
  • ein entzündeter Zahn
  • eine Pilzinfektion
  • eine Lungenentzündung (Pneumonie)
  • eine infizierte Wunde nach einer OP
  • eine Hirnhautentzündung (Meningitis)
  • eine Blinddarmentzündung

Wie häufig ist die Sepsis?

Die Blutvergiftung ist in Deutschland sehr häufig: Jährlich erkranken etwa 300 von 100.000 Deutschen an einer Sepsis. Zum Vergleich: Einen Herzinfarkt erleiden etwa 320 Menschen pro 100.000 Einwohner*innen, bei Darmkrebs und Brustkrebs sind es durchschnittlich 50 beziehungsweise 110.

Man schätzt, dass etwa ein Drittel bis die Hälfte der Betroffenen an den Folgen stirbt, vergleichbar also mit der Sterblichkeitsrate beim akuten Herzinfarkt. Auf nicht-kardiologischen (also nicht auf Herzerkrankungen spezialisierten) Intensivstationen ist die Sepsis die häufigste Todesursache. Expert*innen gehen davon aus, dass viele dieser Todesfälle entstehen, weil die Sepsis nicht rechtzeitig erkannt wird.

Anzeichen einer Blutvergiftung: Symptome bei Sepsis

Bei einer Blutvergiftung können verschiedene Symptome auftreten. Am Infektionsherd – sofern äußerlich sichtbar – zeigen sich Anzeichen einer Entzündung:

  • Rötung
  • Überwärmung
  • Schwellung
  • Schmerz

Die Blutvergiftung selbst ist vor allem am Anfang nicht leicht zu erkennen, da die Krankheitszeichen nicht sehr spezifisch sind, also auch bei anderen Erkrankungen auftreten können. Zudem kann es sein, dass nicht alle Beschwerden auftreten.

Zu den möglichen Symptomen gehören:

  • hohes Fieber oder Fieberschübe mit Schüttelfrost
  • Verwirrtheit
  • Beschleunigung von Atmung und Herzschlag (Richtwerte sind mehr als 20 Atemzüge pro Minute, Puls über 90 Schläge pro Minute)
  • Blutdruckabfall (unter 100/60 mmHg bei Frauen, unter 110/60 mmHg bei Männern)
  • verminderte Ausscheidung von Urin oder Schmerzen beim Wasserlassen
  • starke Schmerzen, beispielsweise extreme Bauchschmerzen
  • kalter Schweißfilm auf der Haut

Roter Strich auf der Haut als Anzeichen einer Sepsis?

Oft wird angenommen, dass ein roter, schmerzhafter Strang, der von einer Wunde aus in Richtung des Herzens fortschreitet, ein untrügliches Anzeichen einer Sepsis ist. Dies ist jedoch ein Irrglaube.

Ein solcher roter Strich deutet vielmehr auf eine örtliche Entzündung der Lymphgefäße (Lymphangitis) hin. Dabei wandern Bakterien von einer Wunde aus unter der Haut in Richtung der Lymphknoten. Von dort aus kann die Entzündung sich allerdings auf den ganzen Körper ausbreiten und sich so in seltenen Fällen tatsächlich zu einer Sepsis entwickeln. Wer einen roten Streifen auf der Haut bemerkt, sollte daher in jedem Fall ärztliche Hilfe suchen.

Dauer bis zum Ausbruch einer Sepsis

Eine konkrete Inkubationszeit, also der Zeitraum zwischen der Infektion mit einem Erreger und dem Auftreten von Krankheitsanzeichen, lässt sich bei einer Sepsis nicht benennen. Beim Auftreten der ersten Anzeichen ist jedoch schnelles Handeln erforderlich, da sich der Gesundheitszustand betroffener Personen sehr schnell verschlechtern kann. Eine frühzeitige Behandlung ist daher entscheidend für die Überlebenschance. Bei Verdacht auf eine Sepsis sollten Sie deshalb immer den Notruf verständigen, da die Krankheit sehr schnell lebensbedrohlich werden kann.

Blutvergiftung: Diagnose

Da die Symptome so unterschiedlich sein können, ist es häufig schwer, anhand dieser eine Blutvergiftung zu diagnostizieren. Deshalb führen Ärzt*innen im Krankenhaus bei Verdacht auf eine Sepsis eine Blutuntersuchung durch. Im Blut zeigen sich bei einer Sepsis erhöhte Entzündungswerte (erhöhte Werte des C-reaktives Proteins, kurz CRP), veränderte Werte der weißen Blutkörperchen (erhöht oder erniedrigt), ein Abfall der roten Blutkörperchen und Gerinnungsstörungen. Im Ultraschall sind meist eine Vergrößerung von Leber und Milz sichtbar.

Gesichert wird die Diagnose durch den Nachweis von Erregern in einer Blutkultur. Dabei werden Krankheitserreger im Blut in einer Petrischale gezielt vermehrt. Dies ist unbedingt notwendig, um die passenden Medikamente zur Bekämpfung des Erregers auswählen zu können.

Derzeit versuchen Forschende, Gene zu identifizieren, deren Aktivität zur Diagnose- oder Prognosestellung benutzt werden können. Bis zur Praxisreife wird allerdings sicher noch einige Zeit vergehen.

Blutvergiftung – was tun? Behandlung einer Sepsis

Da Betroffene schwer krank sind, sollte man niemals versuchen, zu Hause selbst etwas gegen die Krankheit zu tun. Stattdessen erfolgt die Therapie dieses medizinischen Notfalls immer im Krankenhaus, in der Regel auf der Intensivstation. Wie beim Herzinfarkt oder Schlaganfall sind die Heilungsaussichten für Betroffene besser, je früher die Behandlung einsetzt. Im Zentrum steht die schnellstmögliche Therapie mit Antibiotika. Anhand einer Blutprobe kann der Erreger bestimmt werden, um das geeignete Antibiotikum auszuwählen. Oftmals wird auch zunächst ein Breitband-Antibiotikum eingesetzt, bis der Erreger genau bestimmt ist und gezielt ein passendes Antibiotikum gewählt werden kann.

Je nach Krankheitsstadium muss – wenn möglich – der Infektionsherd beseitigt werden, zum Beispiel durch operatives Entfernen eines entzündeten Blinddarms oder einer entzündeten Gallenblase oder durch Spülen der entzündeten Stelle. Ist bereits Gewebe abgestorben (beispielsweise an den Fingern oder Füßen, die häufig als erstes schlechter durchblutet werden, um die Versorgung lebenswichtiger Organe zu gewährleisten), muss dieses amputiert werden. Ansonsten kann es zu erneuten Infektionen und auch wieder zu einer Sepsis kommen.

Daneben wird versucht, durch die Behandlung die Schocksituation zu bessern und das Organversagen aufzuhalten, beziehungsweise rückgängig zu machen. Dazu gehören:

  • Infusionstherapie zur Stabilisierung des Kreislaufs
  • die Gabe von Schmerz- und Beruhigungsmitteln
  • blutdrucksteigernde Medikamente im Falle eines septischen Schocks
  • künstliche Beatmung
  • Nierenersatzverfahren (Dialyse)
  • künstliche Ernährung
  • Ersatz körpereigener Zellen (zum Beispiel rote Blutkörperchen) und Wirkstoffe wie Insulin und Kortison
  • künstliches Koma

Sepsis: Verlauf und Dauer bis zum Tod

Eine Sepsis ist eine gefährliche Erkrankung. Je mehr lebenswichtige Funktionen ausfallen, desto schwerer fällt es dem Körper, die Krankheit aufzuhalten. Mit einer besonders hohen Sterblichkeit (40 Prozent gegenüber 25 Prozent bei einfacher Sepsis) ist deshalb der septische Schock verbunden.

Ein septischer Schock ist die schwerste Verlaufsform der Blutvergiftung. Dabei kommt es im Rahmen der Abwehrreaktion zu einer Erweiterung der Blutgefäße, wodurch der Blutdruck stark abfällt. Die Organe und das Gewebe werden nicht mehr richtig mit Blut und Sauerstoff versorgt, was zum Absterben von Gewebe und einem lebensgefährlichen Multiorganversagen führen kann. Wie bei einer Kettenreaktion können so innerhalb weniger Stunden Kreislauf, Nieren, Lunge, Leber und die anderen Körperorgane versagen, was bis zum Tod führt. Dieser kann bei einer unbehandelten Sepsis sehr schnell eintreten. Die Dauer bis zum Tod liegt dann zwischen wenigen Stunden bis maximal zweieinhalb Tagen.

Mögliche Langzeitfolgen nach Sepsis

Dass eine Blutvergiftung eine schwere Erkrankung ist, zeigt sich auch anhand der möglichen Langzeitfolgen. Eine großangelegte Studie, bei der die Daten von etwa 160.000 ehemaligen Sepsis-Patient*innen über acht Jahre untersucht wurden, zeigte: Etwa 75 Prozent der Teilnehmenden litt im ersten Jahr nach überstandener Krankheit an gesundheitlichen Beeinträchtigungen, wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Depressionen oder Konzentrationsstörungen. Die Schwere der Sepsis spielte dabei keine Rolle.

Um mit den gesundheitlichen Beeinträchtigungen nach überstandener Sepsis besser umgehen zu können und ihnen nach Möglichkeit entgegenzuwirken, empfiehlt es sich, sich ärztlich und gegebenenfalls auch psychologisch begleiten zu lassen. Auch spezielle Reha-Angebote für Sepsis-Betroffene können hilfreich sein.

Wie kann man einer Sepsis vorbeugen?

Einer Blutvergiftung lässt sich nicht mit völliger Sicherheit vorbeugen. Eine Impfung, wie etwa zum Schutz vor Wundstarrkrampf (Tetanus), gibt es nicht. Allerdings gibt es gegen einige Erreger, die eine Blutvergiftung auslösen können, Impfungen. Dazu gehören Meningokokken, Grippeviren oder Pneumokokken.

Darüber hinaus können Maßnahmen helfen, die zur Stärkung des Immunsystems geeignet sind, zum Beispiel ausreichende Bewegung an der frischen Luft, genügend Schlaf und eine gesunde, ausgewogene Ernährung.

Auch sollten Infektionen, wie eine Lungenentzündung oder ein Harnwegsinfekt, schnell und umfassend behandelt und Wunden sorgfältig versorgt und desinfiziert werden, um der Entstehung einer Sepsis vorzubeugen.

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