Statine und Q10: Interview mit Dr. med Look

Interview mit Dr. med. Markus Look, Internist aus Bonn und Autor des Berichtes der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AKDÄ) zu Statinen und Q10. In einer Stellungnahme für die AKDÄ hat Dr. Look das vorhandene Wissen um den Zusammenhang zwischen der Einnahme der Cholesterinsenker aus der aktuellen Wirkstofffamilie der Statine und der Verminderung der lebenswichtigen körpereigenen Substanz Q10 zusammengestellt: Statine hemmen mit der Cholesterinsynthese gleichzeitig die Produktion von Q10.

Q10-Mangel vermeiden durch Statine?

Aufgrund dieser biochemischen Reaktionsabläufe im Körper ist es plausibel, dass Q10, zusammen mit den Statinen eingenommen, einen unerwünschten Q10-Mangel für den Patienten vermeiden kann. Aber es fehlen die Beweise dafür in Form von großen klinischen Studien nach dem heutigen Stand der Wissenschaft. Die Substanz Q10 ist als Nahrungsmittelergänzung rezeptfrei erhältlich und nicht patentierbar. Soll nun jeder Statin-Patient selbst Q10 kaufen und schlucken? Dr. Look rät zur Einzelentscheidung nach Rücksprache mit Arzt oder Apotheker.

Statine und Q10: Interview mit Dr. med Look

Wozu benötigt unser Körper das Energie-Enzym Q10?

Dr. Look: Coenzym Q10 ("Ubichinol") erfüllt eine wichtige Funktion bei der Energiegewinnung in den Kraftwerken jeder Körper-Zelle, den Mitochondrien. Hier wird Nahrungsmittelenergie in Stoffwechselenergie umgewandelt. Q10 ist aber auch eines der wichtigsten Antioxidantien im Organismus, d.h. es schützt die Zellwände vor aggressiven Molekülen.

Warum verbraucht gerade das Herz soviel Q10?

Dr. Look: Es leuchtet ein, dass alle Organe mit hohem Energiebedarf auf optimale Q10-Versorgung angewiesen sind - das immerzu schlagende Herz ist ein solches Organ.

Wo kommt das Q10 her, das für uns lebensnotwendig ist?

Dr. Look: Q10 wird sowohl mit der Nahrung aufgenommen als auch vom Organismus selbst synthetisiert. Um 100 Milligramm Q10 mit der Nahrung aufzunehmen, müsste man zum Beispiel ungefähr 1,6 kg Sardinen essen.

Bei den vier Millionen Deutschen, die Statine zur Senkung des erhöhten Cholesterinspiegels nehmen, kann es zu einer Unterversorgung mit Q10 kommen. Warum?

Dr. Look: Sie sagen mit recht "kann". Studien im Sinne des höchsten Evidenzgrades I, also höchster Beweiskraft, wie wir sie für offizielle bevölkerungsweite Empfehlungen haben müssen, liegen leider nicht vor. Statine sind aus gegenwärtiger Sicht als Langzeittherapie, ja sogar lebenslange Therapie vorgesehen. Bei alten Menschen finden sich bereits ohne Statintherapie niedrigere Q10 Spiegel als bei jungen Leuten. Es ist dem zufolge plausibel, mit einer Q10-Mangelsituation bei alten Menschen unter Langzeit-Statintherapie und vor allem bei hoher Dosis zu rechnen.

Zum möglichem Mechanismus: Die vom Schlüsselenzym der Cholesterin-Synthese bereitgestellte Substanz wird außer zur Cholesterinsynthese noch zur Bildung von Q10 benötigt. Statine hemmen dieses Enzym, der Körper bildet weniger Cholesterin. Es ist eine logische Hypothese, dass eine Drosselung dieses Enzyms durch Statine demzufolge auch die Q10-Produktion vermindern kann.

Welche Folgen kann ein Mangel an Q10 bei Patienten mit erhöhtem Cholesterinspiegel und Herzschwäche haben?

Dr. Look: Herzschwäche kann durch Herzinfarkte bedingt oder aber ohne relevante Verengung der Herzkranzgefäße durch andere Faktoren (Viren, genetisch, andere Gründe) entstanden sein. Aber, nicht jeder Patient mit hohem Cholesterin leidet unter Herzschwäche, und nicht jeder muss mit einem Statin behandelt werden.

Man kann sich aber gut vorstellen, dass eine Beeinträchtigung der Energiegewinnung in den "Kraftwerken" der Zelle (Mitochondrien, siehe Frage 1) zu Stress in der Muskulatur oder Absterben von Muskelzellen führt. Der Betreffende nimmt dies als Muskelschmerz und -schwäche wahr, und im Labor können erhöhte Werte für ein Muskelenzym (die Kreatinkinase), gefunden werden. Es ist denkbar, dass ein Q10-Mangel eine bestehende Herzschwäche verschlimmert und zum Pumpversagen beiträgt.

Was empfehlen Sie den Statin-Patienten um einem Mangel an Q10 vorzubeugen?

Dr. Look: Dies ist angesichts der fehlenden Großstudien zum Thema eine individuelle Entscheidung zwischen Arzt und Patient vor dem Hintergrund der beschrieben Hemmung der Q 10-Sythese durch Statine. Zu gering ist jedoch die Zahl jener Studien zur Untersuchung einer gemeinsame Gabe von Q10 und Statin bzw. die Q10-Gabe als Versuch, Statin-vermittelte Nebenwirkungen zu beheben. Deshalb kann man eine allgemeingültige Empfehlung, gar zu Lasten der Krankenkassen, nicht aussprechen.

Ist den Ärzten die Problematik des potentiellen Q10 Mangels bei Statin-Patienten bewusst? Wie kann zur Aufklärung beigetragen werden?

Dr. Look: Ich gehe davon aus, dass es sich hierbei um Spezialistenwissen handelt, Ich verfüge aber nicht über repräsentative Daten über eventuelle Befragung der Kollegen zu diesem Thema. Klarheit können nur große, so genannte Kopf-an-Kopf Studien schaffen, in denen Statine alleine mit Statinen plus Q10 verglichen werden. Diese Studien müssen an mehreren Tausend Patienten erfolgen und über mehrere Jahre hinweg gehen.

Den Kollegen zum jetzigen Zeitpunkt die Q10-Hypothese darzulegen, mag einerseits richtig sein, birgt aber auch die Gefahr, unbegründete Befürchtungen auch bei Patienten hervor zu rufen. Konservative Institutionen sehen dies daher etwas kritisch. Denn so lange die von mir skizzierten beweisenden Studien nicht erfolgen, sind die Kollegen in der Praxis immer im Dilemma, die Datenlage nach eigenem Empfinden interpretieren zu müssen.

Ein kleiner Skandal ist es meines Erachtens, dass die wissenschaftliche Gemeinschaft es bisher nicht geschafft hat, diese Kopf-an-Kopf Studien durch zu führen. In den letzten 20 Jahren sind zig Tausende von Patienten in Studien mit Statinen behandelt worden. Dass eine Statin/Q10-Vergleichsgruppe nie mit der ausschließlichen Statingruppe verglichen wurde, ist sehr zu kritisieren. Man hätte bereits vor zehn Jahren leicht nachschauen können, ob die Kombi-Therapie, Q10 plus Statin, weniger Nebenwirkungen oder gar ein noch besseres Gesamtergebnis bei der Reduzierung von Herzinfarkten und Sterblichkeit vor allem bei Risikopatienten hat als die Statin-Monotherapie. Herr Dr. Look, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Aktualisiert: 01.08.2017

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