ältere Frau bei der Blutabnahme zum Test auf Insulinresistenz
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Insulinresistenz – Symptome, Behandlung & Ernährung

Von: Yannis Diener (Arzt)
Letzte Aktualisierung: 02.10.2023 - 13:50 Uhr

Insulinresistenz – hinter diesem Wort versteckt sich die Vorstufe einer der häufigsten Erkrankungen der westlichen Gesellschaft: dem Diabetes mellitus Typ 2. Oft bleibt sie unerkannt, da eine Insulinresistenz selten Symptome verursacht. Die gute Nachricht ist jedoch: Eine Insulinresistenz ist gut behandelbar – oft noch besser als ein Diabetes, da hierbei noch nicht so viel Schaden entstanden ist. Was genau eine Insulinresistenz ist, mit welchen Tests man sie erkennen kann, welche Möglichkeiten der Behandlungen es gibt und welche Rolle die Ernährung spielt, erfahren Sie hier. 

Was ist eine Insulinresistenz?

Eine Insulinresistenz beschreibt eine "Abstumpfung" der Körperzellen gegenüber dem Hormon Insulin. Sie entsteht meist durch eine langjährige falsche Ernährung, die dem Körper eine ständig erhöhte Insulinproduktion abverlangt. Dadurch sprechen die Zellen nicht mehr so empfindlich auf den Stoff an. In der Folge kann der Blutzuckerspiegel nicht mehr richtig reguliert werden und ein Diabetes mellitus (im Volksmund bekannt als Zuckerkrankheit) entsteht.

Ursachen und Entstehung einer Insulinresistenz

Um die Insulinresistenz besser zu verstehen, lohnt sich zunächst ein Blick auf den Zuckerstoffwechsel. Wenn wir essen, spalten Verdauungsenzyme die Kohlenhydrate aus der Nahrung in kleinere Zuckermoleküle auf. Diese Zuckermoleküle, besser bekannt als Glukose, treten in unsere Blutbahn über. Hier sind sie jedoch nicht von großem Nutzen, denn gebraucht werden sie in unseren Zellen, insbesondere in Muskel- und Nervenzellen. Diese benötigen die Glukose als "Treibstoff", um Energie zu erzeugen. Von allein kann die Glukose nicht in die Zellen aufgenommen werden. Sie braucht dazu Insulin.

Insulin wird von unserer Bauchspeicheldrüse hergestellt. Deren spezialisierte Beta-Zellen produzieren tagtäglich genau die Menge an Insulin, die der Körper benötigt, damit all unsere Zellen genug Glukose bekommen, ohne dass der Blutzucker zu niedrig wird.

Kurz zusammengefasst: Insulin senkt den Blutzuckerspiegel, indem es der Glukose ermöglicht, in die Zellen aufgenommen zu werden.

Essen wir über Jahre hinweg zu viel, muss unsere Bauchspeicheldrüse immer mehr leisten. Insbesondere schnell verwertbare Kohlenhydrate, wie Zucker, helles Mehl, Reis oder Kartoffeln, lassen unseren Blutzucker schnell nach oben schießen. Für eine sehr lange Zeit kann unsere Bauchspeicheldrüse das ausgleichen. Sie produziert einfach mehr Insulin, damit der Blutzucker wieder auf ein normales Maß gesenkt wird.

Das Mehr an Insulin führt allerdings dazu, dass unsere Zellen nicht mehr so sensibel auf das Hormon reagieren. Das ist der Beginn der Insulinresistenz. Im Gegenzug muss die Bauchspeicheldrüse immer größere Mengen an Insulin produzieren, da unsere Zellen nicht mehr richtig auf das Hormon reagieren. Es entsteht ein Teufelskreis, an dessen Ende die Bauchspeicheldrüse nicht mehr genug Insulin herstellt.

Das Tückische daran: Oft zeigt sich erst an diesem Punkt eine Veränderung in den Laborwerten und ein Diabetes mellitus wird diagnostiziert. Dabei hat der eigentliche Prozess oft schon Jahre vorher begonnen.

Risikofaktoren für eine Insulinresistenz

Eine reduzierte Empfindlichkeit gegenüber Insulin wird häufig durch Übergewicht begünstigt. Insbesondere übermäßiges Bauchfett kann dafür sorgen, dass ein Botenstoff aus dem Fettgewebe ins Blut abgegeben wird, der die Insulinwirkung in den Zellen beeinträchtigt. In engem Zusammenhang damit steht oftmals die Ernährung: Fette, kalorienreiche Mahlzeiten mit wenigen Ballaststoffen und der häufige Konsum von Zucker und weißem Mehl können den Blutzuckerspiegel erhöhen.

Ein ungesunder Lebensstil mit Bewegungsmangel, Stress und Rauchen sowie eine genetische Veranlagung – also Fälle von Typ-2-Diabetes in der Familie – sind ebenfalls mögliche Risikofaktoren. Auch Arzneimittel wie Glukokortikoide können die Insulinempfindlichkeit der Körperzellen beeinflussen.

Ernährung bei Insulinresistenz

Welche Symptome löst eine Insulinresistenz aus?

Eine Insulinresistenz verursacht selten Symptome. Im späten Stadium, wenn die Insulinresistenz in einen Typ-2-Diabetes übergeht, können folgende Symptome bei Frauen und bei Männern auftreten:

Da ein zu hoher Blutzucker sehr viele Aspekte unseres Körpers betrifft, variieren die Symptome sehr stark und können unspezifisch sein. Meistens sind die ersten Anzeichen Müdigkeit und Abgeschlagenheit, da die aufgenommenen Kohlenhydrate nicht mehr richtig verwertet werden können.

Da Insulin ein wachstumsförderndes, sogenanntes anaboles, Hormon ist, kann es im Vorfeld auch zu einer Gewichtszunahme kommen.

Wie erfolgt der Test auf eine Insulinresistenz?

Es existieren verschiedene Wege, eine Insulinresistenz festzustellen. Wichtig bei allen ist die Messung des Blutzuckers. Der einfachste Weg ist ein Selbsttest. In Apotheken kann man Blutzuckerteststreifen kaufen und damit seinen aktuellen Blutzuckerspiegel bestimmen. Ein einzelner Wert ist jedoch aufgrund der normalen Schwankungen im Tagesverlauf nicht besonders aussagekräftig. Deshalb gibt es bessere Wege, die Diagnose einer Insulinresistenz zu stellen.

Labortest – am besten nüchtern

Zwar schwanken unsere Blutzuckerwerte im Tagesverlauf, jedoch kann man mit Nüchternwerten eine bessere Aussage treffen als mit zufällig am Tag bestimmten Blutwerten. Nüchtern bedeutet, je nach Labor, dass man zwischen 8 und 12 Stunden vor der Blutentnahme nichts gegessen hat. Der Nüchternblutzucker sollte bei Gesunden immer unter 100 mg/dl liegen. Bei Werten zwischen 100 und 125 mg/dl spricht man in Fachkreisen von einem Prädiabetes. In den meisten Fällen ist die Ursache eine Insulinresistenz.

Ein Prädiabetes ist jedoch nicht immer eine Insulinresistenz. Beispielsweise kann bei einem Menschen mit Typ-1-Diabetes auch ein Prädiabetes vorliegen. In diesem Fall sind die Zellen nicht resistent gegen Insulin, sondern die Bauchspeicheldrüse produziert zu wenig Insulin. Aus diesem Grund sollte ein erhöhter Blutzuckerspiegel immer von Fachleuten abgeklärt werden.

Homa-Index

Möchten Ärzte*Ärztinnen erhöhte Blutzuckerwerte weiter abklären, können sie den HOMA-Index (homeostasis model assessment) bestimmen. Bei diesem Test, der auch bei Patientinnen mit unerfülltem Kinderwunsch oder dem Vorliegen eines polyzystischen Ovarialsyndroms angewandt wird, setzt man den Blutzucker ins Verhältnis zum Insulinspiegel im Blut. Bei Werten unter 2 ist eine Insulinresistenz unwahrscheinlich. Je höher die Zahl ist, desto sicherer ist eine Insulinresistenz. Menschen mit Typ-2-Diabetes haben beispielsweise oft Werte über 5.

CGM (Continous glucose monitoring) – eine Methode für die Zukunft

Sowohl Labortests als auch ein HOMA-Index sind gesicherte und gut etablierte Testmethoden. Es gibt jedoch auch eine Möglichkeit, wie man eine Insulinresistenz möglicherweise noch früher erkennen kann, und zwar mithilfe eines CGM-Geräts. Dies sind kleine, tragbare Blutzuckermessgeräte, die für zwei Wochen kontinuierlich messen. Damit könnte man in der Theorie eine Insulinresistenz erkennen, noch bevor die Blutzuckerwerte im Labor erhöht sind.

Dafür sieht man sich die Blutzuckerveränderungen nach Mahlzeiten an. Je nachdem, wie stark der Blutzucker schwankt, beziehungsweise wie schnell er wieder "normal" wird, ist dies das erste Anzeichen einer beginnenden Insulinresistenz. Dies könnte sich oftmals schon Jahre vor den Laborveränderungen feststellen lassen.

Derzeit ist dies allerdings nur ein Ansatz, der in Studien ausprobiert wird und in der breiten Öffentlichkeit noch keine Anwendung findet. Für die genauere Interpretation benötigt es noch mehr Daten und mehr Wissen über die Schwankungen des Blutzuckers. Dennoch sprechen sich einige Expert*innen für den Einsatz von CGM als Screening-Tool aus. Ob und wie dies für die Früherkennung einer Insulinresistenz in der Praxis Einsatz finden wird, bleibt abzuwarten.

Insulinresistenz bei Frauen

Ungefähr sechs bis zehn Prozent aller geschlechtsreifen Frauen haben ein polyzystisches Ovarialsyndrom (PCO-Syndrom oder PCOS) – eine Hormonstörung, für deren Entstehung die Insulinresistenz als möglicher Risikofaktor gilt. Durch die herabgesetzte Empfindlichkeit gegenüber Insulin schüttet der Körper immer mehr des Hormons aus. Dieses Mehr an Insulin hat weitere, hormonelle Folgen.

In den Eierstöcken, den Ovarien, wird die Produktion der männlichen Geschlechtshormone, der Androgene, durch die große Menge Insulin angeregt. Die Androgene wirken auf verschiedene Systeme im Körper. Sie werden zu großen Teilen – aber nicht vollständig – in weibliche Geschlechtshormone, vor allem das Östrogen, umgewandelt. Durch das hormonelle Ungleichgewicht kommt es zu einer Reihe von Symptomen, unter anderem einer gestörten Follikelreifung und dadurch zu einer verringerten Fruchtbarkeit. Betroffene Patientinnen haben oft folgende Symptome:

  • Zyklusstörungen
  • unerfüllter Kinderwunsch
  • männliches Behaarungsmuster
  • vermehrte Akne
  • Stimmveränderungen

Bei diesen Symptomen würde man nicht unbedingt an einen veränderten Zuckerstoffwechsel als Ursache der Geschlechtshormonveränderungen denken. Aus diesem Grund ist es nicht immer leicht, ein PCO-Syndrom zu erkennen. Therapiert wird es, ähnlich wie ein Typ-2-Diabetes, mit dem Medikament Metformin.

Übrigens: Während der Schwangerschaft tritt ungefähr ab der 20. Schwangerschaftswoche eine physiologische (natürliche) Insulinresistenz auf, die nach der Schwangerschaft in der Regel wieder verschwindet.

Insulinresistenz und die Schilddrüse

Eine der häufigsten Erkrankungen der Schilddrüse ist die Autoimmunerkrankung Hashimoto-Thyreoiditis. Einen direkten Zusammenhang mit einer Insulinresistenz konnten Studien bis jetzt nicht eindeutig beweisen. Es gibt aber Daten, die belegen, dass Menschen mit Diabetes häufiger eine solche Schilddrüsenerkrankung entwickeln.

Dafür gibt es zwei mögliche Erklärungen. Typ-1-Diabetes und Hashimoto-Thyreoiditis sind beides Autoimmunerkrankungen. Aus großen epidemiologischen Studien weiß man, dass das Risiko, eine Autoimmunerkrankung zu entwickeln, größer wird, wenn man bereits eine hat.

Die zweite Erklärung ist, dass Östrogene die Entwicklung einer Hashimoto-Thyreoiditis fördern. Zum Beispiel haben Frauen mit einem PCO-Syndrom relativ höhere Östrogenspiegel, was die Hashimoto-Thyreoiditis begünstigt.

Was tun bei Insulinresistenz?

Die gute Nachricht: Eine Insulinresistenz ist in den allermeisten Fällen umkehrbar beziehungsweise heilbar. Bevor mit Medikamenten gestartet wird, empfiehlt die Leitlinie sogenannte "Lifestyle-Modifikationen." Was ist damit gemeint?

Zunächst sollte man sich mehr bewegen. Es gibt kaum etwas Wirkungsvolleres als Sport, um eine Insulinresistenz wieder umzukehren. Dabei ist es egal, ob Ausdauer- oder Kraftsport. Hauptsache, die Muskeln werden gefordert und stärker durchblutet. Wenn man gar keinen Sport treibt, kann auch schon Spazierengehen helfen, die Insulinsensitivität wieder zu erhöhen. Meist ist ein willkommener Nebeneffekt, dass eine bessere Insulinsensitivität beim Abnehmen hilft, da Insulin an sich ein anaboles Hormon ist, also eines, das die Gewichtszunahme fördert.

Ernährung: Was darf man bei einer Insulinresistenz (nicht) essen?

Allgemein lässt sich sagen, dass man einfache Kohlenhydrate vermeiden sollte. Diese bringen den Blutzuckerspiegel am schnellsten durcheinander. Als Orientierung kann der glykämische Index von Lebensmitteln helfen. Dieser beschreibt, wie schnell Kohlenhydrate von unserem Körper in Einfachzucker umgewandelt werden. Je tiefer dieser Wert, desto besser, denn desto länger braucht unser Körper, bis die einzelnen Zuckermoleküle freigesetzt werden.

Außerdem kann es helfen, mehr pflanzliche Produkte in die Ernährung einzubauen. Die zusätzlichen Ballaststoffe helfen bei einer langsameren Freisetzung der Kohlenhydrate. Zusätzlich können die enthaltenen sekundären Pflanzenstoffe den Körper unterstützen. Zu einigen dieser Moleküle wird derzeit auch geforscht, zum Beispiel zu dem Flavonoid Quercetin, welches man unter anderem in der Schale von Äpfeln findet.

Ernährung ist jedoch immer ein sehr individuelles Thema und für einen detaillierteren Ernährungsplan lohnt sich die Inanspruchnahme einer Ernährungsberatung.

Was kann man noch gegen eine Insulinresistenz tun?

Ist die Insulinresistenz weit fortgeschritten, empfiehlt sich der Einsatz von Metformin. Dieses Medikament ist schon seit längerer Zeit auf dem Markt und wird erfolgreich in vielen Ländern der Welt bei erhöhten Blutzuckerwerten eingesetzt. Es ist ein verschreibungspflichtiges Medikament, das für die Behandlung von Typ-2-Diabetes zugelassen ist.

Als pflanzliche Alternative kann man das aus den Berberitzen gewonnene Berberin ausprobieren. Dieses zeigte in einigen Studien ebenfalls eine Verbesserung der Insulinresistenz. Bevor man allerdings eine Therapie damit beginnt, sollte man ärztlichen Rat einholen, um über mögliche Wechselwirkungen aufgeklärt zu werden.

Die effektivste Methode ist wohl eine Kombination aus den drei Komponenten Sport, Ernährung und bei Bedarf Medikamente. Damit lässt sich eine Insulinresistenz meist umkehren, bevor die Spätfolgen eines Diabetes entstehen oder es zu anderen Begleiterscheinungen wie Bluthochdruck und Schädigungen der Blutgefäße kommt.

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