Pflegerin richtet Kissen bei bettlägeriger Frau zur Dekubitus-Prophylaxe
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Dekubitus: Ursachen, Behandlung und Prophylaxe

Von: Henrik Janke (Student der Humanmedizin)
Letzte Aktualisierung: 22.05.2023 - 12:37 Uhr

Ein Dekubitus ist eine schmerzhafte Haut- und Gewebsverletzung, die oft durch Druck verursacht wird. Sie entsteht häufig bei Menschen, die bettlägerig sind oder sich aus anderen Gründen nicht bewegen können. Man spricht daher auch vom Wundliegen. Doch was sind die genauen Ursachen eines solchen Druckgeschwürs und welche Grade werden unterschieden? Wie erfolgt die Behandlung und welche Maßnahmen und Hilfsmittel sind zur Dekubitusprophylaxe geeignet? Das und mehr erfahren Sie hier.

Definition: Was ist ein Dekubitus?

Ein Dekubitus, auch bekannt als Druckgeschwür oder Wundliegen, ist eine Verletzung der Haut und des tieferliegenden Gewebes, die durch langanhaltenden Druck oder Reibung entsteht. Er tritt bevorzugt an Ferse und Gesäß und vor allem bei Menschen auf, die für längere Zeit im Bett liegen, im Rollstuhl sitzen oder sich aufgrund einer Krankheit oder Verletzung nicht bewegen können.

Laut Studien entwickelt jede fünfte pflegebedürftige Person im Rahmen einer häuslichen Pflege einen Dekubitus. Eine sorgfältig durchgeführte Dekubitusprophylaxe ist die beste Maßnahme, um das zu verhindern.

Ursachen: Wie entsteht ein Dekubitus?

Ein Dekubitus entsteht durch sogenannte ischämische Nekrosen, also abgestorbene Zellen, die Folge einer lokalen Unterversorgung mit Sauerstoff sind. Ursächlich dafür ist ein erhöhter Druck. Dieser kann ein einfacher Aufliegedruck sein, oder aber mit Scherkräften (also in entgegengesetzte Richtungen einwirkenden Kräften) verbunden auftreten – wie zum Beispiel beim Rutschen über ein raues Bettlaken. Zusätzlich kann auch ein erhöhter Druck durch Wassereinlagerungen unter der Haut (Ödeme) der Grund sein.

Die Einwirkungsdauer des Drucks auf das Gewebe ist ein weiterer maßgebender Faktor für die Entstehung eines Dekubitus. Unsere Haut kann zwei bis vier Stunden ohne die benötigte Blut- und Sauerstoffzufuhr auskommen, ehe sie abstirbt. Bei älterer oder verletzter Haut kann diese Toleranzzeit geringer sein.

Was sind besonders gefährdete Stellen für einen Dekubitus?

Insbesondere Regionen über knöchernen Vorsprüngen sind anfällig für die Entwicklung eines Dekubitus. Dazu zählen das Kreuz- und Steißbein am Gesäß, das Sitzbein, der Trochanter major (knöcherner Vorsprung der Hüfte), die Fersen und die Fußknöchel. Bei komplett immobilen Patient*innen sind auch die Ohren und die Nase gefährdete Stellen, weil hier die Haut besonders dünn und zart ist. Weitere Entstehungsorte sind die Schulterblätter, die Ellenbogen sowie der Hinterkopf. Auch an den Oberarmen können Druckgeschwüre entstehen.

Risikofaktoren: Was begünstigt einen Dekubitus?

Es gibt viele Risikofaktoren, die die Entstehung eines Dekubitus begünstigen können. Bettlägerigkeit und Bewegungseinschränkungen durch Lähmungen oder Versteifungen von Gelenken (Kontrakturen) sind wichtige Risikofaktoren. Lokale Schädigungen wie chronische Hautkrankheiten, Narben und Verletzungen sowie Hautaufquellungen (Mazerationen) bei Harn- oder Stuhlinkontinenz können ebenfalls das Risiko erhöhen. Fehlstellungen wie Skoliose sind ebenfalls verbunden mit einem gesteigerten Risiko.

Ganzheitliche Faktoren wie ein fortgeschrittenes Alter, Fehl- oder Mangelernährung (einschließlich Unter- oder Übergewicht) und chronischer Alkohol-, Drogen- und Nikotinkonsum erhöhen ebenfalls das Risiko für das Auftreten eines Dekubitus. Auch Erkrankungen, die mit Durchblutungsstörungen einhergehen, wie beispielsweise eine periphere arterielle Verschlusskrankheit oder Diabetes mellitus, können die Wahrscheinlichkeit für die Bildung eines Dekubitus erhöhen. Vor allem Menschen, die viele Jahre einen erhöhten Blutzucker hatten und Polyneuropathien entwickelt haben, sind gefährdet, da durch das herabgesetzte Schmerzempfinden Hautwunden erst spät bemerkt werden.

Insgesamt sind viele Faktoren an der Entstehung eines Dekubitus beteiligt. Es ist wichtig, diese Risikofaktoren zu kennen, um schützende Maßnahmen (Dekubitusprophylaxe) einleiten zu können.

Symptome – wie sieht ein beginnender Dekubitus aus?

Ein Dekubitus fällt im Anfangsstadium oftmals durch eine begrenzte Hautrötung auf. Die Haut kann auch violett erscheinen, teils ist sie im Vergleich zur umliegenden Haut dünner und weicher, oder auch verhärtet. Auch kann die betroffene Körperstelle brennen, jucken oder schmerzen. Sie kann zudem erwärmt sein, weist zu Beginn aber keine sichtbaren Verletzungen auf.

Erst mit zunehmender Entwicklung zeigen sich zunächst oberflächliche Hautschäden, wie Wunden, Hautabschürfungen oder Blasen. Im fortgeschrittenen Stadium greift das Geschwür auf tieferliegende Gewebe über, es können tiefe Wunden entstehen. Schließlich kommt es zum Absterben von Gewebe – Knochen und Muskeln werden durch die Wunde freigelegt oder sogar beschädigt.

Diagnostik: Wie kann man einen Dekubitus erkennen?

Die Diagnostik eines Dekubitus umfasst mehrere Schritte. Zu Beginn wird im Gespräch eine Anamnese erstellt, bei der die Entstehung der Wunde unter besonderer Berücksichtigung der Risikofaktoren erfragt wird. Eine körperliche Untersuchung ist ebenfalls unerlässlich, um den Zustand des betroffenen Gewebes zu beurteilen.

Um die Rötung der Haut besser beurteilen zu können, kann der Fingertest durchgeführt werden. Dabei drückt man mit einem Finger für 30 Sekunden auf die betroffene Rötung und überprüft, ob sich um die gerötete Stelle ein weißlicher Rand bildet. Ist dies der Fall, so liegt kein Grad-1-Dekubitus vor, sondern eine Entzündung. Bei einem Dekubitus hingegen bleibt die betroffene Hautstelle auch bei Druck rot.

Nach der klinischen Begutachtung wird die Wunde nach einer Klassifikation eingestuft, um den Wundfortschritt zu bestimmen. Bei Zeichen einer Wundinfektion wird ein Abstrich zur bakteriologischen Untersuchung entnommen und laborchemische Entzündungsparameter im Blut werden bestimmt. Wenn in seltenen Fällen nach langjährig bestehenden Geschwüren der Verdacht auf die Entstehung von bösartigen Hautveränderungen wie Hautkrebs oder Weichteiltumoren vorliegt, wird eine Gewebeprobe zur histologischen Untersuchung entnommen.

Bildgebende Verfahren wie das konventionelle Röntgen werden eingesetzt, um eine knöcherne Beteiligung auszuschließen. Die Schäden der Haut können mittels Magnetresonanztomografie (MRT) oder Ultraschall genauer beurteilt werden. Um die Durchblutung des Gewebes einzuschätzen, wird häufig noch eine Doppler-Ultraschalluntersuchung zur Beurteilung der Mangeldurchblutung gemacht.

Je nach zugrundeliegender Grunderkrankung können weitere Diagnostikverfahren notwendig sein. Eine frühzeitige und präzise Diagnostik ist wichtig, um den Zustand des betroffenen Gewebes zu beurteilen. Sobald ein Dekubitus diagnostiziert wird, ist es wichtig, schnell zu handeln und geeignete Maßnahmen zu Behandlung zu ergreifen, um eine Verschlimmerung des Zustands zu vermeiden.

Klassifikationen: Welche Grade eines Dekubitus gibt es?

Ein Dekubitus wird in verschiedene Grade eingeteilt, um die Schwere der Wunde zu bestimmen. Dies kann bei der Beurteilung der Wunde und der Festlegung des entsprechenden Behandlungsplans helfen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass der Verlauf einer Wundentstehung ein kontinuierlicher Prozess ist, das heißt auch mehrere Stadien können gleichzeitig vorliegen.

Folgende Grade lassen sich unterscheiden:

  • Grad 1: nicht-wegdrückbare Rötung bei sonst gesunder Haut
  • Grad 2: flache Schädigung bis in die Oberhaut ohne Belag (zum Beispiel Schorf oder Eiter)
  • Grad 3: Schädigung aller Hautschichten bis zum Unterhautfettgewebe, wobei tieferliegende Strukturen wie Knochen und Muskeln intakt sind
  • Grad 4: vollständiger Untergang der Haut samt freiliegenden Knochen, Sehnen oder Muskeln, Belag und Schorf können vorhanden sein

Dekubitusprophylaxe – wie kann man Wundliegen verhindern?

Damit es erst gar nicht zur Entstehung eines Druckgeschwürs kommt, sind vorbeugende Maßnahmen besonders wichtig. Hierfür existiert seit 2017 ein Expertenstandard zur Dekubitusprophylaxe, nach dem sich Pflegende richten können.

Zu den empfohlenen Maßnahmen zählen regelmäßige Lagewechsel im zweistündigen Intervall, die Verwendung von Wechseldruckmatratzen, Sitzkissen zur Entlastung und weitere Kissen zur Unterstützung einer geeigneten Lagerung sowie Hautpflege. Hierbei sollte darauf geachtet werden, die betroffenen Hautstellen trocken und sauber zu halten, bevorzugt mit einer pH-neutralen Seife.

Auf eine ausgewogene Ernährung ist ebenfalls zu achten, um den Körper bei der Wundheilung optimal zu unterstützen. Zudem sollte jeden Tag eine Inspektion der gefährdeten Hautareale, hauptsächlich Gesäß und Ferse, erfolgen.

Therapie: Wie wird ein Dekubitus behandelt?

Druckentlastung und regelmäßige Hautpflege stellen nicht nur die Grundlagen der Vorsorge, sondern auch der Dekubitustherapie dar. Eine frühzeitige Diagnose und Therapie sind wichtig, um Komplikationen und eine Verschlimmerung der Erkrankung zu vermeiden.

Die Behandlung eines Dekubitus richtet sich nach dem vorhandenen Grad:

  • Bei einem Grad-1-Dekubitus ist eine absolute Druckentlastung bis zur vollständigen Abheilung notwendig. Hierzu eignen sich Anti-Dekubitus-Matratzen, Lagerungshilfen und Wundauflagen. Kühlung und Wärmeanwendungen sollte nicht durchgeführt werden.
  • Beim Grad-2-Dekubitus kann eine konservative Wundversorgung mittels Pflaster und entzündungshemmender Salben durchgeführt werden. Außerdem lässt sich die Wundheilung durch mechanische Maßnahmen, wie beispielsweise die Behandlung mit einer Vakuumpumpe, beschleunigen. Mithilfe einer solchen Vakuumtherapie können die Wundflüssigkeit abgesaugt und die Durchblutung an der betroffenen Körperstelle erhöht werden.
  • Bei einem Grad-3- und Grad-4-Dekubitus ist meist eine operative Therapie, eventuell mit plastischer Versorgung, notwendig. Beläge und Schorf müssen vorsichtig entfernt werden, um die Wunde nicht weiter zu schädigen. Die Entfernung solcher Wundbeläge sollte unbedingt von medizinischem Fachpersonal durchgeführt werden.

Verlauf und Prognose: Ist ein Dekubitus heilbar?

In der Regel sind Druckgeschwüre in den frühen Stadien, also Grad 1 und 2, gut heilbar. Hierbei sind eine konsequente Therapie und eine sogenannte Sekundärprophylaxe wichtig, um eine vollständige Abheilung zu erreichen und wiederkehrende Wundbildung zu verhindern.

Schwere Formen, also Grad 3 und 4, erfordern in der Regel eine umfassendere und intensivere Therapie, die auch operative Eingriffe mit sich bringen kann. Bei diesen schweren Fällen von Dekubitus ist die Prognose in der Regel schlechter und es kann im Verlauf auch zu Komplikationen kommen, wie beispielsweise Infektionen oder einer Blutvergiftung (Sepsis).

Insgesamt ist jedoch zu betonen, dass die Heilung eines Dekubitus immer von verschiedenen Faktoren abhängt, wie dem Zeitpunkt der Diagnosestellung und der konsequenten Einhaltung einer stadiengerechten Therapie. Prävention ist hierbei besonders wichtig, da es immer besser ist, einen Dekubitus zu verhindern, als ihn später behandeln zu müssen.