Polio-Impfung
© Angelo Esslinger

Polio (Kinderlähmung)

Von: Kathrin Mehner (Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 01.09.2020 - 10:28 Uhr

Polio – auch als Kinderlähmung bezeichnet – ist eine hochansteckende Viruserkrankung. Häufig treten keine spezifischen Symptome auf. In schweren Fällen kann es infolge der Erkrankung zu Lähmungen der Beine oder auch der Atemmuskulatur kommen. Seit 2002 gilt Polio in Europa als ausgerottet, dennoch kam es im September 2015 zu zwei Fällen in der Ukraine. Dies macht deutlich, wie wichtig eine Impfung ist, um ein erneutes Aufkommen der Viruserkrankung zu verhindern. Bis 1998 standen zwei verschiedene Impfungen gegen Polio zur Verfügung. Heute wird nur noch der von Jonas Salk entwickelte IPV-Impfstoff, der intramuskulär injiziert wird, benutzt. Die Schluckimpfung dagegen wird in Deutschland nicht mehr verwendet, da sie in seltenen Fällen selbst Polio auslöste.

Was ist Polio?

Polio ist eine Erkrankung, die durch das hochansteckende Poliovirus hervorgerufen wird. Wer sich mit dem Virus infiziert hat, kann bereits wenige Stunden nach der Infektion selbst ansteckend sein und es bis zu sechs Wochen lang bleiben. Wie lange es dauert, bis die Krankheit ausbricht, kann ganz unterschiedlich sein: In der Regel liegt die Inkubationszeit zwischen drei und 35 Tagen.

Das Virus wird überwiegend fäkal-oral übertragen. In dieser Hinsicht ähneln die Polioviren denjenigen Erregern, die Hepatitis A auslösen. Fäkal-oral bedeutet, dass der Erreger von infizierten Personen mit dem Stuhl ausgeschieden wird. Durch mangelnde Hygiene können die Viren dann an Gegenstände oder Flüssigkeiten gelangen und auf diesem Weg über den Mund (oral) wieder aufgenommen werden. Eine Tröpfcheninfektion durch Niesen oder Husten ist möglich, aber relativ selten.

Polio: Symptome unspezifisch

Polio verläuft häufig entweder ganz ohne oder zumindest ohne eindeutige Symptome. Die Betroffen merken dann meist gar nicht, dass sie mit dem Virus infiziert sind. Bei ihnen treten lediglich unspezifische Krankheitssymptome wie Fieber, Halsschmerzen, Appetitlosigkeit, Übelkeit und Durchfall auf. Diese Phase kann zwischen einer und zwei Wochen andauern – in vielen Fällen klingt die Erkrankung danach wieder ab.

Dringen die Viren in das zentrale Nervensystem ein, kann es etwa drei bis sieben Tage nach dem Ende der ersten Phase zu Symptomen wie Fieber, Rückenschmerzen, Nackensteifigkeit und Muskelschmerzen kommen. Bei einigen Betroffenen – schätzungsweise zwischen 0,1 und 1 Prozent –treten in der Folge die für Polio typischen Lähmungserscheinungen auf. Dabei handelt es sich um asymmetrische Lähmungen, die in der Regel auch nach dem Abklingen der Erkrankung zurückbleiben.

Von den Lähmungen sind in erster Linie die Beine betroffen. Das Virus kann aber auch andere Muskeln, beispielsweise in den Armen, den Augen oder im Bauch befallen. Weiten sich die Lähmungen auf die Atemmuskulatur aus, kann dies den Tod des Patienten zur Folge haben. Ein schwerer Verlauf ist bei erwachsenen Patienten wahrscheinlicher als bei Kindern.

Post-Polio-Syndrom

Nach einer überstandenen Polio-Erkrankung kann im weiteren Verlauf des Lebens, teilweise auch erst Jahre oder Jahrzehnte später, das sogenannte Post-Polio-Syndrom auftreten. Dieses Syndrom kann sich auch bemerkbar machen, wenn die Polio Erkrankung an sich ohne Symptome abgelaufen ist.

Im Zuge des Post-Polio-Syndroms treten Beschwerden wie Muskelschwund, Schwäche, Schmerzen und Erschöpfungszustände auf. Typisch ist, dass sich bei ärztlichen Untersuchungen keinerlei Ursachen für die Beschwerden finden lassen. Man vermutet deswegen, dass bei einigen chronischen Erkrankungen ohne erkennbare Ursache ein Post-Polio-Syndrom hinter den Beschwerden steckt.

Polio behandeln

Eine Behandlung gegen die Polioviren an sich ist nicht möglich, denn bislang existieren keine Medikamente, mit denen man die Erreger bekämpfen kann. Ist die Erkrankung ausgebrochen, können lediglich die auftretenden Symptome behandelt werden. Der einzig wirksame Schutz gegen die Kinderlähmung ist die Polio-Impfung.

Impfung schützt vor Polio

Zum Schutz vor Polio standen in Deutschland bis 1998 zwei verschiedene Impfungen zur Verfügung:

  • Schluckimpfung (orale Polio-Vakzine; OPV)
  • Injektion (injizierbare Polio-Vakzine; IPV nach Salk)

Seit 1998 wird in Deutschland nur noch der IPV-Impfstoff verwendet. Zwar bot die Schluckimpfung, die mit abgeschwächten Polioviren durchgeführt wurde, einen effektiveren Schutz, löste in seltenen Fällen jedoch selbst die Kinderlähmung aus. In jedem Jahr traten in Deutschland etwa ein bis zwei solcher Fälle auf (Impf-Poliomyelitis).

Heute wird deswegen nur noch der IPV-Impfstoff benutzt. Dieser kann keine Poliomyelitis hervorrufen, da keine abgeschwächten, sondern abgetötete Viren gespritzt werden. Der Impfstoff wird entweder in Po, den Oberarm oder den Oberschenkel injiziert.

Nachteilig an dieser Form der Impfung ist, dass sie aufwändiger und mit mehr Kosten verbunden ist. Dadurch ist es besonders in Entwicklungsländern schwierig, einen flächendeckenden Impfschutz zu erreichen. Hier wird häufig nach wie vor die Schluckimpfung eingesetzt.

Polio – Wie oft impfen?

Wie oft man gegen Polio geimpft werden muss, hängt von der Art des verwendeten Impfstoffes ab – entscheidend ist, ob ein Einzel- oder ein Kombinationsimpfstoff verwendet wird. In der Regel werden die Impfungen im Alter von zwei und vier Monaten sowie zwischen dem 11. und 14. Monat durchgeführt, eine zusätzliche Impfung im Alter von drei Monaten ist je nach Impfschema möglich. Dabei erfolgt die Polio-Impfung häufig gemeinsam mit den Schutzimpfungen vor Tetanus, Diphtherie und Keuchhusten. Zwischen dem 9. und dem 17. Lebensjahr wird eine Auffrischungsimpfung empfohlen.

Sollten Sie bei einem Blick in Ihren Impfausweis feststellen, dass bei Ihnen nicht alle nötigen Polio-Impfungen durchgeführt wurden, sollten Sie sich an Ihren Hausarzt wenden und die Impfungen nachholen lassen.

Polio geht weltweit zurück

Früher war Polio weltweit verbreitet und trat relativ häufig auf. Durch die Einführung der Schluckimpfung im Jahr 1962 wurde die Erkrankung mittlerweile jedoch fast völlig zurückgedrängt. Große Teile der Welt gelten heute als poliofrei.

Einige Eltern glauben, dass deswegen kein Risiko mehr besteht und lassen ihre Kinder nicht mehr gegen Polio impfen. Dies ist jedoch ein gefährlicher Trugschluss. Denn durch den fehlenden Impfschutz steigt das Risiko, dass in Deutschland wieder Polio-Fälle auftreten. Zwar wurden in Deutschland in den vergangenen Jahren keine Fälle mehr gemeldet – 2015 traten jedoch in Europa wieder Polio-Fälle auf.