Rosskastanie: Arzneipflanze des Jahres 2008

Rosskastanie
© webandi/Andreas Lischka

Die Gemeine Rosskastanie (Aesculus hippocastanum) ist alles andere als gewöhnlich. Der Baum hat eine lange Geschichte als Arznei- und Nutzpflanze, seine Samen werden heute vor allem bei chronischen Venenleiden eingesetzt. Der Würzburger Studienkreis "Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde" hat die Rosskastanie deshalb zur Arzneipflanze des Jahres 2008 gekürt. Kinder lieben Sie, für viele Erwachsene sind sie neben den bunten Blättern der Inbegriff des Herbstes: die glatten, braunschimmernden Kastanien, die sich aus ihrem grünen Stachelbett herauswagen und zu Tausenden über Straßen und Wege kullern.

Keine Rosskur

Doch die ungewöhnlichen Samen der Rosskastanie bieten mehr als Spiel- und Bastelspaß: Sie enthalten nämlich Aescin, eine Wirkstoffgruppe, die Blutgefäße abdichtet und deren Wirkung wissenschaftlich gut untersucht ist. Obendrein finden sich in dem Kraftpaket noch etliche andere Stoffe wie Flavonoide, Gerbstoffe und Kumarinabkömmlinge, die zur gesundheitsfördernden Wirkung beitragen.

Neben den Kastanien wurden in der Volksheilkunde v. a. auch die Blätter, manchmal auch die Rinde und Blüten arzneilich verwendet. Die Rosskastanie besitzt nicht nur einen gefäßabdichtenden und venenstärkenden Effekt, sondern auch eine entzündungshemmende, abschwellende und durchblutungsfördernde Wirkung.

Der Extrakt aus den Samen wird v. a. wegen seines Aescingehalts und dessen Wirkung auf die Gefäße eingesetzt. Durch das Abdichten tritt weniger Flüssigkeit von den Venen in das umliegende Gewebe über und das für Venenleiden typische Schweregefühl und Ödem ("Wasser in den Beinen") verringert sich.

Die Gemeine Rosskastanie wird innerlich und äußerlich eingesetzt: bei Krampfadern, geschwollenen Beinen, Neigung zu Wadenkrämpfen, Beinschmerzen und Hämorrhoiden. Präparate sind in Form von Salben, Tabletten, Dragées und Kapseln, Tinkturen sowie als Badezusatz und Shampoo erhältlich.

Geschichte der Arzneipflanze

Die Rosskastanie hat eine bewegte Geschichte. Vor Zehntausenden von Jahren war sie in ganz Europa zu finden, zog sich dann aber während der letzten Eiszeit auf die Mittelgebirge in Griechenland, Mazedonien und Albanien zurück. Vor etwa 450 Jahren kam der Baum dann nach Westeuropa zurück, u. a. durch die Osmanen, die Kastanien als Pferdefutter und -arznei benutzen. Vermutlich stammt auch der Name daher - zur Abgrenzung von der damals schon bekannten, auch für den Menschen genießbaren Edelkastanie. Schnell wurde die Rosskastanie mit den großen fingerförmigen Blättern zu einem Baum in fürstlichen Parks und Alleen, später zu einem Markenzeichen der Volksparks und Biergärten.

Bedenkt man, dass die Bäume mehrere hundert Jahre alt werden können, ist ihr neues Leben bei uns noch recht jung. Leider droht es auch nicht sehr alt zu werden - die Miniermotte macht ihr nach und nach den Garaus. Dieser Schädling hat die Rosskastanie zu ihrer Leibspeise auserkoren, ihre Larven fressen die Blätter, die sich deshalb schon im Sommer fühlen als sei Herbst. Das vorzeitige Abfallen schwächt den Baum auf Dauer und führt zu seinem Tod.

Systematisch untersucht bezüglich ihrer medizinischen Eigenschaften wurde die Rosskastanie erstmals Ende des 19. Jahrhunderts – als erstes wurde dabei ihre Wirksamkeit bei Hämorrhoiden wissenschaftlich bewiesen.

Aktualisiert: 08.05.2012
Autor*in: Dagmar Reiche

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