Wie die Seele den Körper heilt

Die Frage, ob und wie sich Körper und Seele gegenseitig beeinflussen, beschäftigt die Menschen, seit es schriftliche Belege über Krankheit und Gesundheit gibt. Auch psychosomatische Erklärungsansätze zu Entstehung und Verlauf von Krankheiten weisen schon lange auf Zusammenhänge zwischen Psyche und Körper hin. Über die biochemischen Voraussetzungen für derartige Zusammenhänge konnte jedoch bis vor wenigen Jahren nur spekuliert werden, weil zu wenig über die Funktionsweise von Immun-, Nerven- und Hormonsystem bekannt war. Behandlungsansätze aus der Naturmedizin wurden schnell in die Esoterik-Ecke gesteckt und von der Schulmedizin belächelt. Das hat sich mittlerweile geändert.
Psychoneuroimmunologie: Seele, Körper und Abwehrkräfte verbinden
Mit der Erkenntnis, dass es für einige Beschwerden einfach keine körperlichen Ursachen gibt, wuchs das Interesse an den seelischen Ursachen. Daraus hat sich inzwischen ein eigener Forschungszweig, die PsychoNeuroImmunologie (PNI), entwickelt. Die PNI verbindet Seele (Psycho), das Nervensystem (Neuro) und die körpereigenen Abwehrkräfte (Immunologie). Psychoneuroimmunologische Forschungsbefunde dokumentieren eindrucksvoll, dass diese drei Systeme in einem engen Informationsaustausch miteinander stehen.
Dieses biochemische Netzwerk ist die experimentelle Grundlage um zu erforschen, wie das Verhalten auf das Immunsystem wirkt. Während man die psychische Komponente einiger Erkrankungen schon lange akzeptiert hat - zum Beispiel bei Magengeschwüren oder Bluthochdruck - haben erst Krebs und HIV zu einem echten Umdenken geführt. Dabei gibt es zwei Ansätze, um die Selbstheilungskräfte des Menschen zu aktivieren:
- Bei bestehenden Krankheiten werden Entspannungs- und Visualisierungstechniken genutzt.
- Behandlungsansätze aus der Psychoneuroimmunologie sollen dafür sorgen, dass Krankheiten gar nicht erst entstehen.
Mind-Body-Medizin: Hilfe für Geist und Seele
Die praktische Umsetzung der PNI-Forschungsergebnisse ist die so genannte Mind-Body-Medizin. Hier werden Geist, Seele (mind) und Körper (body) zusammen behandelt. Die Anfänge dieser Therapie-Ansätze liegen in den USA, wo man zum Beispiel mit Entspannungs- und Anti-Stress-Programmen die Stresswerte und Abwehrkräfte bei HIV-Patienten nachweislich positiv beeinflussen konnte. Auch bei unerfüllten Kinderwunsch helfen Entspannungsprogramme. Viele Frauen werden schwanger, wenn sie sich selbst von dem Druck, ein Kind bekommen zu wollen, befreien.
Dabei hat Stress zunächst eine ganz wichtige Bedeutung für den Körper. Er versetzt den Körper sozusagen in Alarmbereitschaft und einen erhöhten Aufmerksamkeitsmodus. Der Adrenalinspiegel steigt, Herzfrequenz und Blutzucker gehen in die Höhe. Dieser Mechanismus, der seit Urzeiten in Gefahrensituationen für erhöhte Überlebenschancen sorgt, ist in der modernen Gesellschaft aus den Fugen geraten. Statt wilder Mammuts jagen uns heute Termine, Geld- und Zeitnot, Karrierewünsche und andere Überforderungen. Wo früher der Stressspiegel nur kurzfristig anstieg, ist heute Dauerüberforderung an der Tagesordnung. Und hier liegt das Forschungsterrain der PNI.
Erste Modellversuche in Deutschland
Während Mind-Body-Medizin in den USA schon relativ häufig und intensiv praktiziert wird, wird in der Bundesrepublik noch nach dem Zugang zu diesem Arbeitsgebiet gesucht. In einem Modellversuch am Knappschaftskrankenhaus der Kliniken Essen-Mitte, Abteilung Naturheilkunde und Integrative Medizin, wurde ein Konzept entwickelt, dass Schulmedizin, Naturheilkunde und amerikanische Mind-Body-Medizin verbindet. Nach diesem Ansatz hat Krankheit immer drei Ursachen:
- Eine biologische Ursache (z.B. eine spezielle genetische Disposition oder ein Virus)
- Eine psychologische Komponente (z.B. Stress oder Probleme mit der eigenen Persönlichkeitsstruktur)
- Eine soziale Komponente (z.B. die Familiensituation oder Probleme auf der Arbeitsstelle)
"Ordnung" in Geist und Seele
Während der Behandlung sollen die Patienten vor allem lernen, ihre Selbstheilungskräfte zu aktivieren. Dazu werden zu den schulmedizinischen Maßnahmen zum Beispiel physiotherapeutische Behandlungen, naturheilkundliche Ansätze oder auch Akupunktur eingesetzt.
Einer der Eckpfeiler der Behandlung ist die so genannte Ordnungstherapie: Hier lernen die Patienten, "Ordnung" in Geist und Seele zu bringen. Weil jede ernste Erkrankung eine Neuorientierung des Lebens erfordert, liegt hier ein Ansatz zum Überarbeiten von Denk- und Verhaltensmustern vor. Dieser Ansatz wird auch in der Krebsbehandlung genutzt.
Unterstützt werden diese Therapien durch Bewegung und bewusste Ernährung. Entsprechend lassen sich Anti-Stress-Programme auch zu Hause durchführen. Da Stress im Leben unvermeidlich ist, sollte man lernen, positiv damit umzugehen. Die Tipps der Fachleute sind ebenso einfach wie wirkungsvoll:
- Die Ansprüche runterschrauben. Man muss nicht immer alles perfekt machen! Wer diesen Anspruch hat, setzt sich selbst ständig unter Druck.
- Positiv denken! Die Frage nach dem halbvollen oder halbleeren Glas ist eine Beurteilung mit unterschiedlichen Ergebnissen. Eine positive Einstellung zu sich selbst hilft, Stress-Situationen besser zu meistern.
- Frust und Stress rauslassen. Sport tut einfach gut. Die körperliche Bewegung baut Spannungen ab und setzt "Glückshormone" frei.
- Lachen ist gesund. Humor hilft bei der Entspannung, Lachen stoppt die Ausschüttung von Stresshormonen. In Verbindung mit gezieltem Atemtraining und dem "Wegatmen" von Stress-Situationen können der Herzschlag verlangsamt und die Muskulatur gelockert werden.
- Bewusst leben und genießen. Dazu gehört gesundes Essen - Obst, Gemüse, Vollkornprodukte und wenig Alkohol. Viel und gut schlafen: Wer gut ausgeschlafen ist, kann viele Probleme leichter bewältigen.
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