Tollwütiger Hund
© Karolina Grabowska / Kaboompics

Tollwut – die vergessene Krankheit

Von: Susanne E. Kaiser
Letzte Aktualisierung: 10.07.2017 - 10:55 Uhr

Tollwut ist ein weltweites Problem. Jährlich sterben etwa 60.000 Menschen an dieser Viruserkrankung. Seit 2008 gilt Deutschland als tollwutfrei, der letzte infizierte Fuchs wurde 2006 gesichtet. Beim Kampf gegen die Tollwut erwiesen sich vor allem orale Schutzimpfungen bei Wildtieren als erfolgreich. Bei Reisen ins Ausland empfiehlt es sich jedoch, die dortige Tollwutverbreitung zu berücksichtigen und gegebenenfalls die nötigen Schutzimpfungen durchzuführen.

Übertragung von Tollwut durch den Speichel

Übertragen wird das Tollwut-Virus über den Speichel infizierter Tiere. Dabei ist nicht einmal der berüchtigte Biss des tollwütigen Tieres nötig. Kleinste Verletzungen der Haut reichen dem Virus als Eintrittspforte in den Körper. Dort vermehrt sich der Erreger und greift schlussendlich das Nervensystem an.

Ein Heilmittel gegen die Krankheit gibt es nicht. Zwar wird nicht jeder Infizierte krank. Aber jeder, der erkrankt, muss sterben. Es wird angenommen, dass zwischen 20 und 50 Prozent der Menschen, die sich mit dem Virus anstecken, auch daran erkranken. Das Tückische an der Tollwut ist die lange Zeitspanne von der Ansteckung bis zum Ausbruch der Krankheit (Inkubationszeit). Wochen und Monate können ins Land gehen. So können scheinbar noch gesunde Tiere bereits das Virus ausscheiden und andere Tiere und auch Menschen anstecken.

Doch genau in dieser langen Inkubationszeit liegt auch eine Chance: Wer fürchtet, mit dem Virus in Kontakt gekommen zu sein, kann sich noch impfen lassen, um den Ausbruch der Krankheit zu verhindern. Allerdings muss die Impfung kurz nach dem Biss erfolgen.

Wie verläuft die Krankheit?

Die Krankheit verläuft schleichend. Als erstes werden beim Tier Verhaltensänderungen sichtbar. Wildtiere zeigen zunächst keine Scheu mehr vor dem Menschen. Friedliche Haustiere können plötzlich anfangen, aggressiv zu reagieren und zu beißen. Menschen klagen zuerst über Fieber, Kopfschmerzen und Konzentrationsprobleme. Die Bissstelle beginnt zu jucken.

Mit Fortschreiten der Erkrankung kommen Angstgefühle, Tobsuchtsanfälle, Krämpfe und ständiger Speichelfluss hinzu. Dieses Stadium wird die "rasende Wut" genannt. Grund für das Fließen des Speichels sind Krämpfe im Hals, die entstehen, wenn der Patient zu schlucken versucht. Diese werden so stark, dass schon das Geräusch und der Anblick von Wasser zu Qualen führt; die sogenannte Hydrophobie (griechisch: "Angst vor Wasser") entsteht.

Weil die Betroffenen schließlich auch extrem lichtempfindlich werden, wird angenommen, dass die Tollwut auch zur Entstehung der Vampirlegende beigetragen hat. Denn Beißsucht, Angst vor (Weih-)Wasser und die Furcht vor Sonnenlicht sind ein Teil der Legende der blutsaugenden Untoten.

Im dritten und letzten Krankheitsstadium, der sogenannten "stillen Wut" lassen die Krämpfe und Anfälle allmählich nach, Lähmungen setzen ein und der Patient stirbt.

Schluckimpfung für Fuchs und Waschbär

In Mitteleuropa wurde seit Ende der 1980er Jahre stark gegen die Wildtollwut angegangen. Als erstes Land führte die Schweiz Schluckimpfungen bei Füchsen durch.

In Deutschland wurde die Fuchstollwut seit 1993 durch Schluckimpfungen bekämpft. Anfangs noch mit präparierten Hühnerköpfen, die per Hand ausgelegt wurden; später wurden maschinell gefertigte Köder aus Fischmehl per GPS-Navigation gezielt mit Flugzeugen abgeworfen.

Deutschland gilt als tollwutfrei

Die gemeldeten Tollwutfälle bei Wildtieren in Deutschland konnten von ehemals 10.000 im Jahre 1983 auf 43 Fälle in 2004 verringert werden. Nachdem 2006 der letzte mit Tollwut infizierte Fuchs gemeldet wurde, gilt Deutschland seit April 2008 als tollwutfrei – zumindest bezogen auf die terrestrische Tollwut. Andere Tollwutarten, die zum Beispiel von Fledermäusen übertragen werden können, existieren zwar weiterhin, stellen aber kaum eine Gefahr dar. Seit 1977 gab es in ganz Europa fünf Todesfälle, die auf Fledermaustollwut zurückzuführen sind.

Finnland, die Niederlande, Schweden, Frankreich, Belgien, Luxemburg und Tschechien erreichten den Status "tollwutfrei" schon vor Deutschland.

Die "Problemzone" in Deutschland war besonders Rheinland-Pfalz und die Gegend rund um Frankfurt. In Hessen machte die hohe Siedlungsdichte und die kleinteilige Landschaft das Ausbringen der Tollwut-Köder schwierig.

In Rheinland-Pfalz, das lange Zeit keine Probleme mit der Tollwut hatte, waren 2005 wiederholt Fälle aufgetreten, weil offenbar infizierte Tiere den Rhein überschritten hatten und in die lange Zeit ungeimpfte Fuchspopulation auf der linksrheinischen Seite eindringen konnte. 

Wie die Impfköder funktionieren

Die sogenannten Tübinger Köder, die speziell für die Bekämpfung der Tollwut entwickelt wurden, sind braune runde Objekte, die stark nach Fisch riechen und in denen sich flüssiger Impfstoff befindet. Füchse und auch Waschbären, die sich in Deutschland stark vermehren, nehmen diese Köder offenbar gut an.

Der Impfstoff besteht aus lebenden, aber unschädlich gemachten Tollwutviren. Denn nur lebende Viren überstehen die Magen-Darm-Passage und führen zu einer ausreichenden Aktivierung des Immunsystems.

Wer in Kontakt mit einem Tollwut-Köder kommt, sollte sich in jedem Fall an einen Arzt wenden. Zwar unterliegen die Impfstoffe extrem strengen Auflagen durch die Europäische Union und die Weltgesundheitsorganisation WHO, aber dennoch ist es sicherer, sich nach dem Kontakt mit dem Lebendimpfstoff gegen Tollwut impfen zu lassen. Auch die WHO rät hierzu.

Tollwut weltweit ein Problem

In Osteuropa und auch Afrika und Asien ist die Tollwut noch allgegenwärtig. Auch in den USA wird regelmäßig über Tollwutfälle bei Waschbären und Fledermäusen berichtet.

Bei den Federmäusen handelt es sich um eine nur in Amerika beheimatete Art, die Vampirfledermaus. Diese ernährt sich ausschließlich von Säugetierblut. Vor allem Rinder gehören ins Beuteschema der Vampirfledermaus. Bis zu 100.000 Rinder erliegen jährlich der Tollwut infolge eines Fledermaus-Bisses. Menschliche Todesfälle pro Jahr schwanken je nach Region, sind aber maximal im zweistelligen Bereich.

Touristen aus tollwutarmen Zonen haben anscheinend oft die Angst vor dem Virus verloren. Im Jahr 2007 starb ein Tourist an Tollwut, weil er in Marokko am Strand einen Hund mitgenommen hatte. Das Tier war mit dem Tollwut-Virus infiziert und zeigt auch bald die typischen Verhaltensänderungen: Der ehemals friedliche Hund begann zu beißen.

Auch die Freundin des Urlaubers bekam einen Biss des kranken Tieres ab. Sie jedoch erkrankte nicht, während ihr Freund ins Koma fiel und nach rund zwei Wochen in einem französischen Krankenhaus starb.

Vorsicht auf Reisen!

Weltweit gibt es zahlreiche sogenannte "Hot Spots", in denen die Tollwut stark verbreitet ist. Urlauber, die nach Afrika oder Asien reisen, sollten sich darum davor hüten, scheinbar zahme Tiere wie Hunde und Katzen aufzulesen oder auch nur anzufüttern. Die Gefahr, von einem streunenden Tier infiziert zu werden, ist einfach zu groß.

Bei Reisen nach Indien, Thailand, Äthiopien oder anderen Gegenden mit hoher Tollwut-Rate rät das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin sogar, sich über eine vorsorgliche Impfung zu informieren.

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Wer sollte sich gegen Tollwut impfen lassen?

Generell sollten sich alle Menschen, die viel mit (Wild-)Tieren zu tun haben, gegen Tollwut impfen lassen.

Auch Hunde und Katzen können nur durch regelmäßige Impfungen geschützt werden. In Polen und auf dem Balkan beispielsweise kommen noch häufig Tollwutfälle vor und durch den offenen Grenzverkehr innerhalb Europas ist ein Einschleppen der Krankheit nach Deutschland jederzeit möglich.

Im Ausland ist bei scheinbar zahmen Tieren immer größte Vorsicht geboten. Besonders Kindern auf Urlaubsreisen muss verständlich erklärt werden, dass sie kein Tier anfassen oder füttern dürfen, wenn es nicht sicher gegen Tollwut geimpft ist.