Mann nimmt Fumarat ein
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Fumarsäure & Fumarate: So wirken Dimethylfumarat & Co.

Von: Jasmin Rauch (Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 06.05.2022 - 10:07 Uhr

Fumarsäure kommt in allen lebenden Organismen vor, die Substanz ist aber vor allem in Pilzen und Flechten enthalten. Chemische Verbindungen, die aus der Fumarsäure entstehen, sind die sogenannten Fumarate, auch bekannt als Fumarsäureester. Diese wirken immunsuppressiv und werden in der Medizin zur Behandlung von Schuppenflechte und Multipler Sklerose (MS) eingesetzt. Wie wirken Fumarate genau, wie werden sie angewendet und welche Nebenwirkungen können bei der Einnahme auftreten?

Fumarsäure und Fumarate – was ist das?

Fumarsäure ist eine sogenannte Dicarbonsäure und gehört zur Gruppe der Fruchtsäuren. Ein weiterer Begriff dafür ist trans-Butendisäure. Sie kommt natürlicherweise in allen Lebewesen vor. Vermehrt ist der Stoff aber in Pilzen, Flechten und anderen Pflanzen enthalten.

Ihren Namen hat die Fumarsäure von einer Pflanze namens Gemeiner Erdrauch (Fumaria officinalis), in der sie in besonders großen Mengen vorkommt. Neben ihrer Nutzung in der Medizin wird Fumarsäure auch in der Lebensmittelindustrie verwendet. Sie dient dort als Säuerungsmittel, beispielsweise in Puddingpulver, Kaugummi oder Kuchenfüllungen. Erkennbar ist sie dann in der Zutatenliste an der Kennzeichnung E 297.

Fumarate wiederum sind sogenannte Ester, also eine chemische Verbindung, die aus Fumarsäure entsteht – die Ester sind die Salze der Fumarsäure. Im Gegensatz zur Fumarsäure können deren Ester durch den Darm aufgenommen werden.

Fumarate: Wirkung bei Schuppenflechte

Die Schuppenflechte oder Psoriasis ist eine häufige Hauterkrankung, die sich durch schuppige, entzündete Hautstellen zeigt. Einer der möglichen Auslöser der Psoriasis ist die übermäßige Stimulation bestimmter Zellen des Immunsystems (TH1- und TH17-Zellen), welche in der Folge eine Entzündungsreaktion im Körper verursachen. Fumarsäureester hemmen die TH1-Zellen, die bei Menschen mit Schuppenflechte übermäßig gebildet werden. Sie wirken damit als sogenannte Immunsuppressiva.

Zur Behandlung von mittelschwerer bis schwerer Schuppenflechte sind in Deutschland für erwachsene Patient*innen aktuell zwei Präparate, die Fumarate enthalten, zur Behandlung von Psoriasis zugelassen. Das eine Mittel (Skilarence®) basiert auf dem Wirkstoff Dimethylfumarat (DMF, auch Fumarsäuredimethylester). Das andere (Fumaderm®) auf einer Kombination aus DMF mit drei Salzen von Ethylhydrogenfumaraten.

Bei Dimethylfumarat handelt es sich streng genommen um ein sogenanntes Prodrug, also eine Vorstufe des eigentlich wirksamen Stoffes. DMF kann gut ins Blut aufgenommen werden und wird dann innerhalb des Körpers in Monomethylfumarat umgewandelt, welches dann seine Wirkung entwickelt.

Fumarsäureester bei Multipler Sklerose

Bei Multipler Sklerose handelt es sich um eine chronische Entzündung des zentralen Nervensystems, bei der die Hüllen der Nervenzellen des Rückenmarks und des Gehirns dauerhaft geschädigt werden.

Bei Erwachsenen mit schubförmig remittierender Multipler Sklerose werden zwei Arten von Fumaraten angewendet: zum einen das bereits erwähnte Dimethylfumarat, zum anderen Diroximelfumarat, eine Weiterentwicklung von DMF.

Auch bei Multipler Sklerose sollen die Ester, genauer gesagt das daraus im Körper entstehende Monomethylfumarat, die Aktivität des Immunsystems hemmen und gleichzeitig antientzündlich wirken. Die Häufigkeit von Krankheitsschüben kann damit durch die Einnahme der Arzneimittel verringert werden.

Einnahme von Fumaraten

Die Einnahme erfolgt in Tablettenform und, im Fall von Psoriasis, nur dann, wenn lokale Behandlungsformen keinen Erfolg gebracht haben.

Die Dosierung sollte nach ärztlicher Anweisung erfolgen und wird in der Regel im Verlauf mehrerer Wochen auf die endgültige Dosis erhöht. Treten starke Nebenwirkungen auf, kann die Dosierung in Rücksprache mit dem*der Arzt*Ärztin auch wieder gesenkt werden. Im Normalfall nehmen Betroffene mit Multipler Sklerose täglich zwei, Menschen mit Psoriasis täglich drei Tabletten ein.

Kommt es als Nebenwirkung zu Magen-Darm-Beschwerden, kann die Einnahme zu den Mahlzeiten dem entgegenwirken.

Mögliche Nebenwirkungen

Die Nebenwirkungen bei den zur Behandlung von Psoriasis beziehungsweise Multipler Sklerose zugelassenen Medikamenten auf Basis von Dimethylfumarat (oder Diroximelfumarat) unterscheiden sich nicht wesentlich. Diroximelfumarat weist lediglich ein geringeres Risiko für die Entstehung von Magen-Darm-Beschwerden auf.

Mittel mit DMF können unter anderem folgende Nebenwirkungen auslösen:

  • Sehr häufig kommt es zu Durchfall, Hautrötungen und Hitzewallungen am Gesicht und Hals sowie einer leichten Form der Leukopenie (niedrige Anzahl der weißen Blutkörperchen) oder der Lymphopenie (zu wenige Lymphozyten).
  • Häufig treten Bauchkrämpfe, eine vorübergehende Eosinophilie (Erhöhung der eosinophilen Granulozyten) sowie eine schwere Lymphopenie auf.
  • Gelegentlich berichten Betroffene von Übelkeit, Schwindel, Kopfschmerzen oder Müdigkeit. Auch Funktionsstörungen der Nieren, wie eine erhöhte Ausscheidung von Eiweiß (Proteinurie) sowie erhöhte Kreatinin-Werte im Serum werden gelegentlich registriert.

Um Veränderungen, wie beispielsweise zu niedrige Lymphozyten-Werte oder die erhöhte Ausscheidung von Eiweiß, möglichst schnell erkennen zu können, werden vor Beginn der Therapie sowie im Rahmen einer Behandlung mit Fumarsäureestern regelmäßig Blut- und Urinuntersuchungen durchgeführt.

In Einzelfällen schwere Nebenwirkungen möglich

Bei Einsatz von Präparaten mit DMF oder Diroximelfumarat sollte regelmäßig (je nach Präparat alle vier Wochen bis alle drei Monate) ein großes Blutbild erstellt werden. Der Grund dafür ist das im Zusammenhang mit der Einnahme sehr seltene Auftreten einer schwerwiegenden Erkrankung: der progressiven multifokalen Leukenzephalopathie (PML). Dies ist eine schwere Erkrankung des zentralen Nervensystems.

Ausgelöst wird diese durch das sogenannte JC-Virus (John Cunningham Virus), das die meisten Menschen in sich tragen und das bei einer Immunschwäche PML auslösen kann. Die Symptome sind unter anderem Störungen der Motorik und der Sinnesorgane.

Zeigt sich im Blutbild längerfristig durch sehr niedrige Lymphozyten-Werte eine starke Schwächung des Immunsystems, sollte nach ärztlicher Rücksprache sicherheitshalber die Dosis der eingenommenen Medikamente halbiert oder die Therapie beendet werden, um eine Infektion mit dem JC-Virus zu vermeiden.

Gegenanzeigen – wann die Anwendung nicht ratsam ist

Die Einnahme von Medikamenten mit Fumaraten sollte nicht erfolgen, wenn:

  • eine Überempfindlichkeit gegen Fumarsäure oder Fumarate besteht
  • eine progressive multifokale Leukenzephalopathie vermutet wird oder besteht
  • eine schwere gastrointestinale Erkrankung vorliegt
  • schwere Leber- oder Nierenerkrankungen bekannt sind
  • eine Schwangerschaft vorliegt oder wenn gestillt wird
  • die betreffende Person unter 18 Jahre alt ist

Die Daten zur Anwendung von Fumarsäureestern in Schwangerschaft und Stillzeit sind sehr begrenzt. Nach Möglichkeit sollte auf eine Anwendung in dieser Zeit verzichtet werden. In jedem Fall sollte bei Bekanntwerden einer Schwangerschaft gemeinsam mit dem*der behandelnden Arzt*Ärztin besprochen werden, ob eine alternative Behandlung existiert, ob die Therapie ganz abgebrochen werden sollte oder ob der individuelle Nutzen für die Gesundheit das Risiko der Behandlung übersteigt.

Welche Wechselwirkungen sind möglich?

Bei der gleichzeitigen Einnahme von Fumaraten mit anderen Medikamenten kann es teilweise zu Wechselwirkungen kommen. Nicht zeitgleich mit Fumarsäureestern angewendet werden sollen unter anderem:

Da sich die Ester der Fumarsäure negativ auf die Nierenfunktion auswirken können, wird grundsätzlich von der gleichzeitigen Einnahme von Medikamenten mit ähnlichen Effekten abgeraten. Auch auf die zeitgleiche Anwendung anderer Mittel auf Basis von Fumarsäure sollte verzichtet werden, um eine Überdosis zu vermeiden.