Mann beim EMS-Training
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EMS-Training: Fit durch elektrische Muskelstimulation?

Von: Silke Schwertel (geb. Hamann) (Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 25.02.2019 - 17:05 Uhr

Das EMS-Training gewinnt zunehmend an Beliebtheit – immer mehr Menschen schlüpfen nach der Arbeit in hautenge Anzüge und Westen mit eingearbeiteten Elektroden, damit Stromimpulse ihre Muskeln trainieren und ihre Pfunde schmelzen lassen. Pro Woche sollen schon 20 Minuten der elektrischen Muskelstimulation ausreichen, um klassische sportliche Betätigung zu ersetzen. Was ist dran an dieser neuen Form des Fitnesstrainings? Kann EMS wirklich das Abnehmen beschleunigen und den Muskelaufbau effektiv unterstützen? Hier erfahren Sie, ob die "Fitnessrevolution" hält, was sie verspricht und was beim EMS-Training zu beachten ist.

Was ist EMS-Training?

EMS steht für Elektro-Myo-Stimulation – vereinfacht ist auch oft von Elektromuskelstimulation, Elektrostimulationstraining oder elektrischem Muskelaufbau die Rede.

Das Prinzip dahinter ist einfach: Bei körperlicher Anstrengung leiten unsere Nerven elektrische Impulse vom Gehirn an unsere Muskeln weiter. Die Muskeln ziehen sich daraufhin zusammen, sie kontrahieren.

Beim EMS-Training wird die körperliche Anstrengung elektronisch unterstützt: Während kurze Bewegungsübungen durchgeführt werden, wird ein niedriger Stromimpuls von außen zu den Muskeln geschickt, um deren natürliche Kontraktion zu verstärken und sie so zu trainieren.

EMS: Trainieren unter Strom

Die stimulierenden Stromimpulse, der sogenannte Reizstrom, stammen beim EMS-Training aus Elektroden, die in eine spezielle Funktionskleidung eingearbeitet sind. Diese Kleidung besteht in der Regel aus einem enganliegenden Ganzkörperanzug, der zur besseren Leitfähigkeit mit Wasser eingesprüht wird, sowie einer Weste, einem Hüftgurt und Manschetten an Armen und Beinen, in denen die Elektroden sitzen.

Verkabelt ist diese Kleidung mit einem Gerät, das die Stromimpulse erzeugt. Dabei kann jede Muskelgruppe einzeln über Regler angesteuert werden. Je nach Gerät sind das zum Beispiel:

  • Brust
  • Bauch
  • Rücken
  • Schultern
  • Po
  • Arme
  • Beine

Erfolge in der Physiotherapie

Ihren Ursprung hat die elektrische Muskelstimulation in der Physiotherapie. Dort wird Reizstrom seit vielen Jahren eingesetzt, um – beispielsweise nach einer Verletzung oder einer Knie-OP – gezielt die Muskeln wiederaufzubauen oder einem Muskelschwund vorzubeugen.

Dafür werden allerdings keine speziellen Anzüge benötigt, sondern Elektroden an der entsprechenden Stelle einzeln auf die Haut geklebt. Als kurzzeitige Reha-Maßnahme zum Muskelaufbau hat EMS bereits gute Erfolge erzielt.

Wirkung auf die Muskulatur

Werden Muskeln immer wieder zum Zusammenziehen angeregt – egal, ob durch körperliche Aktivität oder durch elektrische Impulse aus Elektroden – werden sie auf Dauer gestärkt. So wird bei EMS also die Muskulatur trainiert, ohne dass diese dafür viel bewegt werden muss.

Dem EMS-Training wird von vielen Experten eine gute Wirksamkeit zum Aufbau von Muskelmasse, vor allem zur Stärkung der Rückenmuskulatur, und sogar zur Vorbeugung von Krankheiten bescheinigt. Darauf deuten zumindest erste Studien an verschiedenen deutschen Universitäten hin, auch wenn die Forschung auf diesem Gebiet – vor allem bezüglich der Langzeitwirkung – noch längst nicht abgeschlossen ist.

Das EMS-Training gilt als sehr effizient und soll die Muskeln deutlich schneller wachsen lassen als normales Krafttraining. Dabei können die verschiedenen Muskelgruppen einzeln oder gleichzeitig trainiert werden. Außerdem soll man beim Training mit den Elektroden – viel besser als bei anderen Sportarten – auch die tiefen Muskelschichten erreichen können. Erste Effekte sollen sich bereits nach wenigen Sitzungen zeigen.

EMS-Training: So geht's!

Das EMS-Training kombiniert Reizstromimpulse über die verkabelte Funktionskleidung mit der gleichzeitigen Durchführung von Übungen. Zum Einsatz kommen hier Klassiker wie Situps und Kniebeugen, aber auch isometrische Halteübungen, also Anspannungsübungen. In der Regel werden jeweils vier Sekunden Stromfluss und Übungen mit vier Sekunden Pause abgewechselt.

Ein Trainer zeigt, welche Übungen durchgeführt werden sollen und reguliert zudem gezielt den Stromfluss für jede Muskelgruppe. Üblicherweise sollte der Stromfluss im Körper keine Schmerzen verursachen, ein kribbelndes Gefühl gilt aber als normal.

Es wird empfohlen, das EMS-Training ein- bis maximal zweimal die Woche für jeweils 15 bis 20 Minuten durchzuführen. Häufigere Sitzungen sind nicht zu empfehlen, da das Elektrostimulationstraining den Körper stark beansprucht und entsprechende Erholungsphasen erfordert. Ausreichende Pausen sind umso nötiger, wenn EMS mit einem normalen Sportprogramm kombiniert wird.

Fit und schlank ohne Anstrengung?

EMS-Training klingt nach Fitness für Faule. Doch man sollte EMS nicht unterschätzen. Die Stromimpulse verstärken die durch die Übungen ausgelöste Kontraktion der Muskeln. Die Übungen werden dadurch deutlich anstrengender und selbst leicht aussehende Bewegungen können zum schweißtreibenden Kraftakt werden.

Der Kalorienverbrauch während des EMS-Training soll etwa um 17 Prozent höher sein als bei einer vergleichbaren Belastung ohne zusätzliche Elektroden. In der Regel verbraucht man beim herkömmlichen Sport dennoch mehr Kalorien, denn üblicherweise dauert ein normales Sportprogramm deutlich länger als 20 Minuten.

EMS statt Sport?

Verlockend ist der Gedanke natürlich, anstatt stundenlangem Joggen, Schwimmen oder Hanteltraining einfach 20 Minuten lang Stromimpulse durch seinen Körper zu schicken. Aber kann die Elektromuskelstimulation tatsächlich Sport ersetzen?

Zum Aufbau von Muskelmasse ist EMS laut dem aktuellen Erkenntnisstand durchaus geeignet. Eine höhere Muskelmasse bedeutet wiederum einen höheren Energieverbrauch – auch im Ruhezustand. Insofern kann das EMS-Training auch das Abnehmen unterstützen.

Kein Ersatz für Ausdauer- und Koordinationstraining

Man sollte sich bewusst machen, dass die elektrische Muskelstimulation ausschließlich die Kraft stärkt. EMS kann aber kein Ausdauertraining ersetzen. Die gezielte Stärkung der Kondition ist wichtig für die Gefäße sowie für ein gesundes Herz-Kreislauf-System. Und auch der Muskelaufbau soll effektiver sein, wenn man das EMS-Training mit einem klassischen Krafttraining kombiniert.

Experten weisen zudem darauf hin, dass auch die Koordination gezielt trainiert werden muss. Wer seine Muskeln für eine bestimmte Sportart durch EMS stärken will, sollte während des Trainings deshalb Bewegungen nachahmen, die für diese Sportart typisch sind.

Des Weiteren werden die Gelenke durch das EMS-Training zwar nicht belastet, aber auch nicht trainiert und können in der Folge Schaden nehmen. Daher sollte ein EMS-Training das reguläre Sportprogramm nur unterstützen, nicht aber ersetzen.

Risiken und Nebenwirkungen von EMS

Im Internet zeugen zahlreiche Vorher-Nachher-Bilder und positive Erfahrungsberichte von den Möglichkeiten des EMS-Trainings. Diesen mag man skeptisch gegenüberstehen oder nicht – tatsächlich finden sich aber auch unter den Sportwissenschaftlern viele Befürworter dieser Trainingsmethode.

Dennoch berichten auch einige Menschen über negative Erfahrungen. Kritiker warnen vor folgenden Nebenwirkungen von EMS:

  • Übelkeit, Kopfweh und Kreislaufprobleme
  • erhöhtes Risiko der Überlastung bis hin zu Beschädigung der Muskeln, da natürliche Mechanismen zum Schutz vor Überdehnung außer Kraft gesetzt werden
  • starker Muskelkater
  • muskuläres Ungleichgewicht (ungleichmäßiges Training des Körpers)
  • Bänderverletzungen infolge einer Rückbildung von Knochen und Bindegewebe durch mangelndes Training der Gelenke

Durch das verhältnismäßig intensive EMS-Training kommt es außerdem zu einer erhöhten Ausschüttung des Enzyms Creatin-Kinase (CK). Dieses Enzym wird über die Nieren abgebaut – Experten warnen, dass stark überhöhte CK-Werte auf Dauer zu Nierenschäden führen können.

Kein Grund zur Sorge besteht jedoch bezüglich eines möglichen Effekts des Stroms auf die Organ- und Herzmuskulatur: Diese werden durch die niederfrequenten Stromimpulse nicht beeinträchtigt.

4 wichtige Grundregeln für ein gesundes EMS-Training

  1. Viel trinken ist grundsätzlich wichtig – besonders, wenn man Sport macht. Noch wichtiger ist es allerdings beim EMS-Training. Denn während des Trainings können sich große Wassermengen in den Muskeln sammeln. Dies kann Kreislaufprobleme verursachen, wenn vor dem EMS-Training nicht ausreichend getrunken wurde. Auch in Bezug auf die durch das EMS-Training erhöhten CK-Werte ist es besonders wichtig, ausreichend Flüssigkeit zu sich zu nehmen, um die Nieren zu unterstützen. Sollte sich infolge des EMS-Trainings der Urin dunkel färben, sollte man unbedingt einen Arzt aufsuchen.
  2. Es ist wichtig, ausreichende Erholungsphasen zwischen den Trainingseinheiten einzuplanen und nicht häufiger als ein- oder zweimal pro Woche zu trainieren.
  3. Das Training darf nicht zu intensiv sein. Schmerzen zu erdulden, um die Regler auf eine höhere Stufe stellen und vermeintliche größere Effekte erzielen zu können, schadet der Gesundheit mehr als ihr zu nutzen.
  4. Das EMS-Training sollte immer unter fachkundiger Anleitung absolviert und lediglich als Unterstützung zu einem herkömmlichen Sportprogramm gesehen werden.

Beherzigt man diese vier Grundregeln, gilt das EMS-Training für gesunde Menschen als unbedenklich.

Für wen ist EMS geeignet?

Nicht für jeden ist EMS gleichermaßen geeignet, in manchen Fällen gilt die elektrische Muskelstimulierung sogar als schädlich – etwa bei Herzproblemen. Abgeraten wird beispielsweise Menschen mit:

Auch während der Schwangerschaft ist ein EMS-Training nicht zu empfehlen.

Grundsätzlich ist es für jeden, der die Elektromuskelstimulation ausprobieren möchte, ratsam, zunächst Rücksprache mit seinem Arzt zu halten.

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EMS: Kosten und Anbieter

EMS wird in speziellen EMS-Studios angeboten. Oftmals lässt sich das Training aber auch im Fitnessstudio durchführen. Die Kosten für ein 20-minütiges EMS-Training variieren je nach Anbieter, liegen aber im Durchschnitt bei circa 20 bis 25 Euro. Wer einmal wöchentlich trainiert, zahlt also pro Jahr etwa 1.000 bis 1.300 Euro.

Dennoch ist davon abzuraten, ein Heimgerät zu kaufen und auf eigene Faust zu trainieren. Das EMS-Training sollte nur unter professioneller Anleitung erfolgen. Bei guten Anbietern erhält man ein individuell zugeschnittenes Trainingsprogramm, das sich langsam steigert.

Bei der Auswahl eines EMS-Studios kann es hilfreich sein, auf eine TÜV-Zertifizierung zu achten. Dabei werden nicht nur die Geräte geprüft, sondern auch die Ausbildung der Trainer, das Trainingsprogramm sowie die Hygienestandards.

Fazit: EMS zur Unterstützung des Muskelaufbaus

Wer wenig Zeit für Sport hat oder sich aus anderen Gründen nicht bewegen kann oder will, für den kann ein EMS-Training – sofern es unter professioneller Anleitung durchgeführt wird – durchaus eine gute Möglichkeit darstellen, die Muskeln zu trainieren oder den Fettabbau zu unterstützen. Vor allem Bauch- und Rückenmuskulatur können von dieser Form des Fitnesstrainings profitieren – ideal also für Menschen, die (zum Beispiel beruflich bedingt) viel sitzen.

Die Elektromuskelstimulation ist jedoch vergleichsweise teuer. Zudem sollte man nicht vergessen, dass das EMS-Training keinen Ersatz für herkömmliches Krafttraining und vor allem nicht für Koordinations- oder Ausdauertraining darstellt – ebenso wenig wie für Bewegung an der frischen Luft.