Symptome einer Blutvergiftung nach Verletzung am Finger
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Blutvergiftung (Sepsis)

Von: Dagmar Reiche (Ärztin und Medizinautorin), Silke Schwertel (geb. Hamann) (Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 18.08.2021 - 11:28 Uhr

Der Volksmund spricht von Blutvergiftung – um eine Vergiftung im eigentlichen Sinne handelt es sich bei der Sepsis jedoch nicht. Am Anfang steht immer eine lokale Infektion, meist mit Bakterien. Von diesem Krankheitsherd – zum Beispiel von einer Wunde am Bein oder Finger, einer entzündeten Zahnwurzel oder einer Lungenentzündung – breiten sich die Erreger und ihre Gifte über die Blutbahn in den gesamten Körper aus. Der Organismus reagiert mit einer Entzündung, die nach und nach alle Organe erfasst. Der Verlauf einer Sepsis ist meist akut, kann aber auch chronisch sein. Wir stellen Ursachen, Symptome und Behandlung vor.

Was ist eine Sepsis (Blutvergiftung)?

Der menschliche Organismus verfügt über ein ganzes Arsenal an Strategien, um gefährlichen Situationen gegenüberzutreten. Manchmal allerdings sind die schädigenden Wirkungen so groß, dass die Abwehrmaßnahmen nicht nur versagen, sondern sich ins Gegenteil verkehren und gegen den Körper selbst richten. Gemäß der offiziellen Definition ist eine Sepsis eine Reaktion des Körpers auf eine Infektion, die dem eigenen Gewebe Schaden zufügt.1

Auch heute noch endet eine Sepsis, umgangssprachlich bekannt als Blutvergiftung, in vielen Fällen tödlich. Der ursprüngliche Auslöser einer Blutvergiftung kann jede Art von Infektion sein, beispielsweise:

  • eine kleine Verletzung am Finger
  • ein Insektenstich am Arm
  • ein entzündeter Zahn
  • eine Pilzinfektion
  • eine Lungenentzündung (Pneumonie)
  • eine infizierte Wunde nach einer OP
  • eine Hirnhautentzündung (Meningitis)
  • eine Blinddarmentzündung

Blutvergiftung: Ursachen einer Sepsis

Meist gelingt es dem Körper, eine Infektion auf ihren Ursprungsort zu begrenzen. Dazu dient die Entzündungsreaktion, ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Reaktionen von Gefäßen und Gewebe, Ausschüttung körpereigener Stoffe und Einwanderung bestimmter Zellen. Das führt zu den klassischen Entzündungszeichen wie Rötung, Überwärmung Schwellung und Schmerz.

Ist der Körper aber geschwächt, zum Beispiel im Rahmen einer anderen Erkrankung, oder sind die Erreger besonders aggressiv, kann sich die Infektion und damit die Entzündungsreaktion auf den ganzen Organismus ausbreiten. Nacheinander werden in einem schnellen Verlauf die Organe befallen und deshalb nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt.

Je mehr lebenswichtige Funktionen ausfallen, desto schwerer fällt es dem Körper, die Krankheit aufzuhalten. Wie bei einer Kettenreaktion können so innerhalb weniger Stunden Kreislauf, Nieren, Lunge, Leber und die anderen Körperorgane versagen ("septischer Schock"), was bis zum Tod führt.

Wie häufig ist die Sepsis?

Die Blutvergiftung ist häufiger als Brustkrebs, AIDS oder Darmkrebs. Man schätzt, dass etwa ein Drittel bis die Hälfte der Betroffenen an den Folgen stirbt, vergleichbar also mit der Sterblichkeitsrate beim akuten Herzinfarkt. Auf chirurgischen Intensivstationen ist die Sepsis die häufigste Todesursache. Expert*innen gehen davon aus, dass viele Todesfälle entstehen, weil die Sepsis nicht rechtzeitig erkannt wird.

Anzeichen einer Blutvergiftung: So erkennen Sie die Symptome

Bei einer Blutvergiftung können verschiedene Symptome auftreten. Am Infektionsherd – sofern äußerlich sichtbar – zeigen sich Anzeichen einer Entzündung:

  • Rötung
  • Überwärmung
  • Schwellung
  • Schmerz

Die Blutvergiftung selbst ist vor allem am Anfang nicht leicht zu erkennen, da die Krankheitszeichen nicht sehr spezifisch sind, also auch bei anderen Erkrankungen auftreten können. Zu den möglichen Symptomen gehören:

  • hohes Fieber oder Fieberschübe mit Schüttelfrost
  • Verwirrtheit
  • Beschleunigung von Atmung und Herzschlag
  • Blutdruckabfall
  • verminderte Ausscheidung von Urin

Roter Strich als Symptom einer Sepsis?

Oft wird angenommen, dass ein roter, schmerzhafter Strang, der von einer Wunde aus in Richtung des Herzens fortschreitet, ein untrügliches Anzeichen einer Sepsis ist. Dies ist jedoch ein Irrglaube.

Ein solcher roter Strich deutet vielmehr auf eine örtliche Entzündung der Lymphgefäße (Lymphangitis) hin. Dabei wandern Bakterien von einer Wunde aus unter der Haut in Richtung der Lymphknoten. Von dort aus kann die Entzündung sich allerdings auf den ganzen Körper ausbreiten und sich so in seltenen Fällen tatsächlich zu einer Sepsis entwickeln. Wer einen roten Streifen auf der Haut bemerkt, sollte daher in jedem Fall ärztliche Hilfe suchen.

Blutvergiftung: Diagnose und Diagnostik

Im Blut zeigen sich Entzündungszeichen und ein Abfall der roten Blutkörperchen und Gerinnungsstörungen. Gesichert wird die Diagnose durch den Nachweis von Erregern in der Blutkultur. Im Ultraschall sind meist eine Vergrößerung von Leber und Milz sichtbar.

Derzeit versuchen Forscher*innen, Gene zu identifizieren, deren Aktivität zur Diagnose- oder Prognosestellung benutzt werden können.2,3 Bis zur Praxisreife wird allerdings sicher noch einige Zeit vergehen.

Eine konkrete Inkubationszeit lässt sich bei einer Sepsis nicht benennen. Beim Auftreten der ersten Anzeichen ist jedoch schnelles Handeln erforderlich, da sich der Gesundheitszustand betroffener Personen rapide verschlechtern kann. Eine frühzeitige Behandlung ist daher entscheidend für den Therapieerfolg.

Blutvergiftung: Behandlung einer Sepsis

Da Betroffene schwer krank sind, erfolgt die Therapie einer Sepsis auf der Intensivstation. Wie beim Herzinfarkt oder Schlaganfall sind die Heilungsaussichten für Betroffene besser, je früher die Behandlung einsetzt. Im Zentrum steht die Therapie mit Antibiotika. Anhand einer Blutprobe kann der Erreger bestimmt werden, um das geeignete Antibiotikum auszuwählen. Oftmals wird auch ein Breitband-Antibiotikum eingesetzt.

Je nach Krankheitsstadium sollte – wenn möglich – der Infektionsherd beseitigt werden, zum Beispiel durch operatives Entfernen der Gallenblase oder durch Spülen der entzündeten Stelle.

Daneben wird versucht, durch die Behandlung die Schocksituation zu bessern und das Organversagen aufzuhalten, beziehungsweise rückgängig zu machen. Dazu gehören:

  • Infusionstherapie zur Stabilisierung des Kreislaufs
  • die Gabe von Schmerz- und Beruhigungsmitteln
  • blutdrucksteigernde Medikamente im Falle eines septischen Schocks
  • künstliche Beatmung
  • Nierenersatzverfahren (Dialyse)
  • künstliche Ernährung
  • Ersatz körpereigener Zellen (zum Beispiel rote Blutkörperchen) und Stoffe wie Insulin und Kortison
  • künstliches Koma

In letzter Zeit gibt es die Entwicklung spezifischer Medikamente, die die Immunantwort Betroffener stärken sollen und in verschiedenen Studien die Sterblichkeitsrate gesenkt haben.

Wie kann man einer Sepsis vorbeugen?

Einer Blutvergiftung lässt sich nicht mit völliger Sicherheit vorbeugen. Eine Impfung, wie etwa zum Schutz vor Wundstarrkrampf (Tetanus) gibt es nicht.

Allerdings können Maßnahmen helfen, die zur Stärkung des Immunsystems geeignet sind, zum Beispiel ausreichende Bewegung an der frischen Luft, genügend Schlaf und eine gesunde, ausgewogene Ernährung. Auch sollten Infektionen schnell und umfassend behandelt werden, um der Entstehung einer Sepsis vorzubeugen.