Frau leidet an Glomerulonephritis
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Glomerulonephritis: Symptome, Formen & Therapie

Von: Dagmar Reiche (Ärztin und Medizinautorin), Jasmin Rauch (Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 04.10.2023 - 14:18 Uhr

Etwa eine bis eineinhalb Millionen Nierenkörperchen (Glomeruli) sind in jeder Niere dafür zuständig, Schadstoffe aus dem Blut zu filtern, welche dann mit dem Harn ausgeschieden werden. Neben der Entgiftung ist die Niere wichtig für die Regulation des Wasser- und Salzhaushaltes, Blutdruckregulation, Bildung der roten Blutkörperchen und den Knochenstoffwechsel. Bei einer Glomerulonephritis kommt es zu einer Entzündung der Nierenkörperchen. Diese Entzündungsprozesse können die gesamte Nierenfunktion massiv beeinträchtigen. Welche Symptome treten bei einer Glomerulonephritis auf, welche Erkrankungsformen gibt es und wie sieht die Therapie aus?

Was ist eine Glomerulonephritis?

Als Glomerulonephritis wird eine Entzündung der Nierenkörperchen bezeichnet. Die Nierenkörperchen bestehen aus einem Knäuel aus feinsten Blutgefäßen (Kapillaren), die von einer Gewebekapsel (Bowman-Kapsel) umschlossen sind.

Die Entzündung dieser Nierenkörperchen betrifft immer beide Nieren und kann sich im Krankheitsverlauf auch auf das übrige Nierengewebe ausweiten.

Mögliche Auslöser für Blut im Urin

Welche Formen gibt es?

Eine Glomerulonephritis kann kurz und heftig (akute Glomerulonephritis), rasch fortschreitend (rapid progressiv) oder langsam und schleichend (chronische Glomerulonephritis) verlaufen. Zudem unterscheidet man eine primäre und eine sekundäre Form. Bei Letzterer ist die Entzündung der Nierenkörperchen die Folge einer anderen Erkrankung. 

Durch die Vielzahl verschiedener Entzündungsformen ist die Krankheit sehr vielgestaltig und es kann nur fachärztlich beurteilt werden, um welche der Formen es sich handelt. Es ist wichtig, die Formen voneinander abzugrenzen, da diese sehr unterschiedlich verlaufen und behandelt werden sowie sich hinsichtlich ihrer Prognose unterscheiden.

Wie werden die Formen unterschieden?

Die Einteilung der Formen kann anhand der Symptome, der Ursachen, dem Entstehungsmechanismus und der Art der Gewebsveränderungen vorgenommen werden. Die Fachbezeichnung der einzelnen Formen richtet sich meist nach dem Verlauf und dem Ort, an dem als erstes Schädigungen auftreten (beispielsweise extrakapilläre oder membranöse Glomerulonephritis).

Ein Kriterium zur Unterscheidung ist auch, in welcher Form das Immunsystem beteiligt ist. Bei zahlreichen der Unterformen werden Immunkomplexe gebildet, also Verbindungen von Antigenen (durch den Körper als fremd erkannte Stoffe) und Antikörpern (durch das Immunsystem gebildete Abwehrstoffe). Diese können als Folge anderer Krankheiten (zum Beispiel nach einer Halsentzündung mit Streptokokken) durch Antikörper entstehen. Diese Antikörper werden zunächst zur Bekämpfung der Grunderkrankung gebildet und zirkulieren im Blut. Bei einer Glomerulonephritis lagern sie sich fälschlicherweise gemeinsam mit den Antigenen an verschiedenen Stellen der Nierenkörperchen ab und schädigen diese.

Bei anderen Formen bildet der OrganismusAutoantikörper gegen die innere Schicht der Nierenkörperchen, die sich dort ablagern. Doch auch andere Zellen des Immunsystems (wie T-Zellen oder das Komplementsystem) können Entzündungsreaktionen auslösen.

Bei Erwachsenen tritt als primäre Form besonders häufig eine IgA-Glomerulonephritis auf, bei Kindern eine Minimal-Change-Glomerulonephritis. Darüber hinaus werden bei der Glomerulonephritis unter anderem die membranöse, die postinfektiöse und die membranoproliferative Form unterschieden.

Welche Ursachen hat eine Glomerulonephritis?

Meist ist das Immunsystem an der Entstehung der Nierenkörperchenentzündung beteiligt. Vermutet wird, dass der ständige Kontakt der Gefäßknäuel in den Nierenkörperchen mit den Schadstoffen im Blut zu einer Entzündungsreaktion führt – warum dies bei manchen Menschen der Fall ist, bei anderen dagegen nicht, ist bisher weitgehend unklar.

Allerdings gehen Forschende davon aus, dass bei der primären Form der Erkrankung Erbfaktoren eine Rolle spielen könnten. Bei der sekundären Form können unterschiedliche andere Krankheiten die fehlgeleitete Immunreaktion in den Glomeruli bedingen. Dazu gehören beispielsweise Streptokokken-Infektionen, Lymphome, Tumoren, Leberentzündungen oder systemischer Lupus erythematodes.

Glomerulonephritis: typische Symptome

Ob, wie und wann sich die Erkrankung zeigt, hängt von der Art der Entzündung ab. In sehr vielen Fällen spüren die Betroffenen über eine lange Zeit gar keine Beschwerden, obwohl die Schädigung der Niere bereits vonstattengeht.

In der Regel kommt es durch die Entzündung der Nierenkörperchen zu einem nephritischen oder nephrotischen Syndrom.

Bei einem nephritischen Syndrom kommt es zu kleinen Einblutungen in die Filtereinheiten der Nieren. Dies löst folgende Beschwerden aus:

  • bei stärkeren Blutungen sichtbare Rotfärbung des Urins
  • Abnahme der Urinproduktion
  • Schwellungen (Ödeme) an Armen, Beinen und Augenlidern
  • erhöhter Blutdruck
  • Schmerzen an den Flanken

Tritt ein nephrotisches Syndrom auf, ist die Durchlässigkeit für Proteine (Eiweiße) in der Niere durch die Entzündung erhöht. Das heißt, es wird zu viel Protein mit dem Harn ausgeschieden.

Diese Symptome können bei einem nephrotischen Syndrom auftreten:

  • schäumender Urin 
  • geschwollene Beine, Knöchel, Arme, Lider oder Schwellungen im Genitalbereich
  • gelegentlich verminderte Urinausscheidung
  • Ansammlung von Wasser in der Bauchhöhle (Aszites) oder zwischen Brustfell und Lunge, dadurch Atemnot
  • Bluthochdruck
  • Müdigkeit und Infektanfälligkeit

Diagnose der entzündeten Nierenkörperchen

Treten bestimmte Symptome auf, die auf eine Glomerulonephritis hinweisen, werden unterschiedliche Labortests zur Diagnose angeordnet. Wichtig ist dabei vor allem eine Untersuchung des Urins. Darin lassen sich (auch optisch nicht sichtbare) Spuren von Blut, erhöhte Eiweißwerte sowie sogenannte Harnzylinder nachweisen. Bei Letzteren handelt es sich um längliche Gebilde aus Proteinen. Harnzylinder bilden sich in den Nieren und meist lagern sich bestimmte Stoffe an ihnen an. Bei einer Glomerulonephritis sind dies rote Blutkörperchen.

Im Blut können erhöhte Kreatininwerte sowie erhöhte Entzündungs- und Blutfettwerte auf eine Erkrankung der Nieren hinweisen. Weitere mögliche Untersuchungen sind ein Ultraschall der Nieren und Nierenfunktionstests.

Für die Diagnose und Zuordnung der Entzündungsform ist letztlich die Entnahme von Gewebeproben aus der Niere nötig.

Um möglichst frühzeitig die Diagnose stellen und eine Therapie beginnen zu können, ist es wichtig, bei potenziellen Risikogruppen Urintests durchzuführen. So sollte ein bis drei Wochen nach einer Infektion mit Streptokokken eine Urinkontrolle erfolgen. Auch bei Systemerkrankungen, die zu einer sekundären Glomerulonephritis führen können, sollte in regelmäßigen Abständen nach Blut und Eiweiß im Urin gefahndet werden. Dazu gehören beispielsweise HIV, Hepatitis oder systemischer Lupus erythematodes.

Therapie und Verlauf

Die Therapie hängt von der Art der Entzündung ab. Liegt eine Grunderkrankung vor, wird diese therapiert, beispielsweise eine Mandelentzündung infolge von Streptokokken mit Antibiotika. Ansonsten stehen blutdrucksenkende Medikamente, Kortison und andere Immunsuppressiva zur Verfügung.

Je nach Ausmaß der Erkrankung müssen sich Betroffene einer "Blutwäsche" (Plasmapherese) unterziehen. Dadurch sollen jene Bestandteile des Immunsystems aus dem Blut gefiltert werden, die die Entzündung der Nieren auslösen. Zusätzlich muss die betroffene Person ihre Ernährung und Flüssigkeitszufuhr umstellen.

Der Verlauf variiert von Formen mit spontaner Genesung, über solche mit folgenloser Heilung bei frühzeitiger Therapie bis zu Formen, bei denen innerhalb von fünf Jahren oder auch wenigen Monaten ein Nierenversagen eintritt. Dann besteht eine lebenslange Dialysepflicht oder es muss eine Nierentransplantation vorgenommen werden.

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