Frau mit Chronic Fatigue Syndrome
© Cocoparisienne

Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue Syndrom (ME/CFS)

Von: Gesundheit-Redaktion, Nadja Annerl (geb. Weber) (Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 16.09.2020 - 13:38 Uhr

Vom Winterschlaf direkt in die Frühjahrsmüdigkeit: Für viele Menschen eher eine Entschuldigung als eine ernsthafte Erkrankung. Doch für schätzungsweise 250.000 Menschen in Deutschland ist der Satz "Ich bin so entsetzlich müde" bittere Wahrheit: Sie fühlen sich körperlich und geistig dauerhaft erschöpft, wobei sich die Symptome nach Belastung verschlimmern. Erfahren Sie alles über Ursachen, Anzeichen und Behandlung dieser Erkrankung.

Was ist das Chronische Fatigue Syndrom?

In Deutschland und international hat sich für die Erkrankung mittlerweile die Doppelbezeichnung "Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue Syndrom" beziehungsweise "Myalgic Encephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome" etabliert.

Zu Anfang verläuft ME/CFS grippeähnlich. Die Patienten klagen über Hals- und Kopfschmerzen, Muskel- und Gelenkschmerzen. Dazu kommen Gedächtnisstörungen, die schwerwiegend sein können, und erhebliche Konzentrationsstörungen.

Eine Reihe anderer Symptome, die individuell ganz verschieden sein können, wie zum Beispiel Fiebergefühl, Herzrasen, Schwindel, Schlafprobleme und Übelkeit kommen hinzu. Den Ausschlag für die Namensgebung gab die jahrelange, lähmende Erschöpfung der Patienten, die sich auch durch Schlaf und Ruhe nicht beseitigen ließ.

Betroffenen fehlt die Energie für die einfachsten Aufgaben des täglichen Lebens. Ob Kaffee kochen oder Zähneputzen: Bereits kleinere Anstrengungen können die Symptome verschlimmern. Hier spricht man von der sogenannten Post-Exertional Malaise. Diese kann auch mit einer zeitlichen Verzögerung von 24 bis 48 Stunden auftreten. Zusätzlich zu den krankheitsbedingten Beschwerden müssen Betroffene oft erhebliche Einschränkungen ihres sozialen Umfeldes hinnehmen.

Diagnose und Therapie beim chronischen Erschöpfungssyndrom

Die Vielzahl der Symptome und ihrer individuellen Kombinationen ist mit ein Grund, warum die Diagnose ME/CFS so schwierig ist. Es gibt kein einzelnes Symptom, anhand dessen die Diagnose ME/CFS gestellt werden kann. Die zahlreichen Beschwerdebilder sind nur unzureichend wissenschaftlich zu fassen.

Im Vordergrund der Diagnose steht daher eine schwere, lang anhaltende Erschöpfung, die sich nicht beheben lässt. Andere Erkrankungen, die ähnlich schwere Erschöpfungszustände auslösen, müssen ausgeschlossen werden. Dazu gehören unter anderem Fibromyalgie (eine rheumatische Erkrankung), Leukämie (Blutkrebs) oder auch psychische Störungen wie Depressionen. Da die Symptome vielen anderen Erkrankungen ähneln, kann es zum Teil lange dauern, bis die richtige Diagnose gestellt ist.

Sind alle anderen Möglichkeiten ausgeschlossen, so gibt es unter anderem folgende international anerkannte Diagnosekriterien:

  • dauerhafte geistige und körperliche Erschöpfung
  • grippeähnliche Symptome, Halsschmerzen
  • schmerzhafte Lymphknoten
  • Muskelbeschwerden
  • Konzentrationsschwäche, Vergesslichkeit
  • Sehstörungen
  • Reizempfindlichkeit
  • Verschlechterung des Zustandes nach Belastung (Post-Exertional Malaise)

Nicht jedes Symptom kommt dabei gleich häufig und in gleicher Intensität vor. Kommen viele Kriterien zusammen und sind alle anderen möglichen Erkrankungen sicher ausgeschlossen, kann von ME/CFS gesprochen werden. Studien in den USA zeigen, dass die Betroffenen vor ihrer Erkrankung ein besonders aktives Leben geführt haben. Die Erkrankung tritt besonders häufig im Alter zwischen 10 und 19 und zwischen 30 und 39 Jahren auf. Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer.

Therapie des Chronischen Fatigue-Syndroms

Ähnlich schwierig wie die Diagnose gestaltet sich auch die Behandlung des chronischen Erschöpfungssyndroms. Es gibt kein einzelnes Medikament, das hilft. Ganz im Gegenteil wird eine möglichst sanfte Behandlung der Symptome empfohlen, bei der die Dosierung der eingesetzten Medikamente oft noch unter der üblichen Minimaldosierung liegt. Viele ME/CFS-Patienten weisen eine erhöhte Sensibilität gegenüber Medikamenten auf.

Ausgewogene Ernährung, geregelte Schlaf- und Ruhezeiten, die Sanierung erkrankter Zähne und Beseitigung bestehender Infekte gehören zum Behandlungsplan.

Über den Krankheitsverlauf oder über Heilungschancen gibt es derzeit noch keine verlässlichen Angaben. Britische Forscher schätzen, dass 35 Prozent aller Betroffenen sich langsam, aber kontinuierlich erholen. Dies und eventuell eine komplette Besserung zieht sich jedoch über Jahre hin.

Krankheitsbewältigung bedarf meist Hilfe

Großen Wert wird auf eine unterstützende psychische Behandlung gelegt, denn die Betroffenen brauchen kompetente Hilfe bei der Bewältigung ihrer Erkrankung. Nach dem Beginn der Behandlung kommt es oft zu einer Phase, in der die Beeinträchtigungen besonders ausgeprägt sind: Viele Patienten können dann nur im Bett liegen und sind nicht in der Lage, für sich selbst zu sorgen.

Ziel einer Behandlung ist es nicht, ME/CFS zu heilen, da die Symptome nicht psychisch bedingt ist. Mithilfe der psychischen Behandlung sollen jedoch die verbliebenen Energiereserven so sinnvoll wie möglich eingesetzt werden. Für die Betroffenen und ihr Umfeld bedeutet das eine Anpassung ihres Lebensstils an die Erkrankung, die von der jeweiligen Tagesform und der individuellen Einschätzung des jeweiligen Patienten abhängig ist. Auch kann eine Therapie dabei helfen, die Umstände, die die Krankheit mit sich bringt, besser zu verarbeiten.

ME/CFS: Ursachen und Forschung

Die genauen Ursachen der Myalgischen Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue Syndrom sind nicht bekannt. Forscher diskutieren zahlreiche Varianten: Viren, Pilze oder Umweltgifte können die Auslöser sein. Ebenso kommen auch Hormonstörungen sowie eine permanente mentale oder körperliche Überbelastung in Frage.

Das Interesse der Forscher richtet sich unter anderem auf ein Protein, das normalerweise während der Virusabwehr vom Körper gebildet wird. Dieses Eiweiß ist bei vielen, aber nicht allen ME/CFS-Patienten stark erhöht. Ob sich aber über diesen Weg eine Virus-Beteiligung am chronischen Erschöpfungssyndrom festlegen lässt, ist noch unklar.

Einige Experten gehen jedoch davon aus, dass es sich um eine Störung ähnlich einer Autoimmunerkrankung handelt, die meist in Folge einer Infektion auftritt. Bei einer Autoimmunkrankheit richtet sich das Immunsystem durch eine Fehlsteuerung gegen körpereigene Strukturen wie Zellen oder Rezeptoren. Neueste Untersuchungen deuten zudem auf einen gestörten Energiestoffwechsel hin. Trotz der relativ großen Anzahl an Betroffenen, steht weitreichende Forschung zum Thema noch aus.

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