Mädchen mit ADHS erhält Methylphenidat-Tablette
© Getty Images/Olga Shumytskaya

Methylphenidat (Ritalin®): Wirkung & Nebenwirkungen des ADHS-Medikaments

Von: Valerie Burmester (Ärztin)
Letzte Aktualisierung: 29.01.2024 - 15:30 Uhr

ADHS – das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom – ist ein verbreitetes Störungsbild, das häufig mit Ritalin® behandelt wird. Der Wirkstoff des Medikaments ist Methylphenidat, das seine Wirkung im Gehirn entfaltet. Wir erklären Ihnen hier, wie Methylphenidat die ADHS-Symptome lindert, was für Nebenwirkungen es gibt und was es bei der Einnahme zu beachten gilt.

Was ist Methylphenidat?

Methylphenidat (Abkürzung: MPH), auch bekannt unter den Handelsnamen Ritalin®, Medikinet® oder Concerta®, ist ein Wirkstoff, der zur Behandlung der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) verwendet wird. In den üblichen Medikamenten ist er meistens in Form von Methylphenidat-Hydrochlorid enthalten. Daneben gibt es auch Medikamente mit dem Arzneistoff Dexmethylphenidat, die ebenfalls zur Therapie von ADHS eingesetzt werden.

MPH gehört zu den sogenannten Psychostimulanzien und zählt aus chemischer Sicht als Amphetaminderivat. Es kann sowohl zur Behandlung von Kindern als auch von Erwachsenen eingesetzt werden.

Daneben wird das Arzneimittel auch zur Behandlung von Narkolepsie (Schlafsucht) angewendet.

Wie wirkt Methylphenidat?

Die Wirkung von Methylphenidat setzt bei der Signalübertragung im Hirn an: Das Gehirn besteht aus vielen Nervenzellen (Neuronen), die untereinander Informationen weiterreichen. Die Schnittstelle zwischen zwei solchen Zellen ist die Synapse. Hier stehen Ausläufer einer Nervenzelle (Axone) mit den empfangenden Ausläufern einer anderen Nervenzelle (Dendriten) in Austausch.

Zwischen ihnen befindet sich ein kleiner Spalt (synaptischer Spalt). Soll ein Signal weitergegeben werden, schüttet die erste Nervenzelle Botenstoffe (Neurotransmitter) in den synaptischen Spalt aus. Auf der Oberfläche des zweiten Neurons befinden sich Rezeptoren, an die die Botenstoffe binden und so bestimmte Prozesse in der Zelle auslösen. Die Information wurde empfangen.

Methylphenidat führt dazu, dass die beiden Botenstoffe Dopamin und Noradrenalin in größeren Mengen in den synaptischen Spalt abgegeben und zugleich weniger abgebaut werden. Dopamin und Noradrenalin wirken stimulierend auf Nervenzellen.

Wie genau sich dieses Mehr an den beiden Botenstoffen auf die ADHS-Symptome auswirkt, wie also der genaue Wirkmechanismus aussieht, ist noch unklar. Schlussendlich kommt es jedoch zu einer erhöhten Konzentrationsfähigkeit und einer verbesserten Aufmerksamkeit. Außerdem wird der sogenannte sympathische Anteil des zentralen Nervensystems (auch bekannt als Sympathikus) vermehrt aktiviert, was zu einer erhöhten Wachheit und einer gesteigerten kognitiven Leistungsfähigkeit führt.

Wie lange wirkt Methylphenidat?

Die Wirkungsdauer von Methylphenidat beträgt ungefähr ein bis vier Stunden. Es wird schnell zu Ritalinsäure umgesetzt. Ritalinsäure ist das Abbauprodukt von Methylphenidat und hat selbst keine oder kaum eine Wirkung auf die kognitive Leistungsfähigkeit. Die Ausscheidung erfolgt hauptsächlich über den Urin.

Die meisten handelsüblichen Präparate wie beispielsweise Ritalin® setzen sich aus zwei Komponenten zusammen: einer sofort wirksamen und einer, die verzögert ausgeschüttet wird (retardiert). Dadurch wird die Wirkungsdauer verlängert und das Medikament muss in der Regel nur ein- bis maximal zweimal am Tag eingenommen werden.

Welche Nebenwirkungen hat Methylphenidat?

Wie jedes Medikament kann auch Methylphenidat unerwünschte Effekte auf den Körper haben. Diese sind hauptsächlich durch die vermehrte Aktivität des sympathischen Nervensystems zu erklären.

Sehr häufige und häufige Nebenwirkungen sind unter anderem:

Außerdem kann es zu psychischen Nebenwirkungen kommen, häufig sind zum Beispiel:

  • Aggression
  • verändertes oder unnormales Verhalten, Persönlichkeitsveränderungen
  • Depression beziehungsweise depressive Verstimmungen
  • innere Unruhe, Anspannung, erhöhte Reizbarkeit
  • Schlafstörungen
  • verminderte Libido

In klinischen Studien zeigte sich darüber hinaus eine Vielzahl weiterer möglicher Nebeneffekte. So besteht unter anderem auch ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von psychiatrischen Störungen mit Psychosen, Halluzinationen, psychomotorischer Hyperaktivität oder Suizidgedanken.

Bei einer Überdosis können die Nebenwirkungen verstärkt auftreten. Wird eine stark erhöhte Dosis eingenommen, kann es zu Herzrhythmusstörungen, Krampfanfällen und Koma kommen. Es sollte schnellstmöglich ein*e Arzt*Ärztin aufgesucht oder der Notruf gewählt werden.

Hat die Anwendung von Methylphenidat Langzeitfolgen?

Aufgrund der vielfältigen Nebenwirkungen kann sich Methylphenidat auch langfristig auf den Körper und die Psyche auswirken. Zum einen können bereits bestehende psychische Erkrankungen verstärkt werden. Zum anderen kann es zu Folgeschäden durch die körperlichen Nebenwirkungen kommen, wie zum Beispiel Herzkrankheiten durch erhöhten Blutdruck.

Ob es bei Kindern durch die Gewichtsabnahme beziehungsweise geringe Gewichtszunahme zu Spätfolgen kommen kann, ist bisher nicht eindeutig geklärt. Ebenso wie bei Erwachsenen sollte die körperliche und psychische Gesundheit jedoch genau beobachtet werden, um Langzeitfolgen vorbeugen zu können.

Wie wird Methylphenidat eingenommen?

Methylphenidat ist in Form von Tabletten oder Hartkapseln verfügbar. Sie sollten am Morgen mit etwas Flüssigkeit eingenommen werden. Dabei ist es unwichtig, in welchem Abstand zur letzten Mahlzeit die Einnahme erfolgt.

Worauf muss man bei der Einnahme von Methylphenidat achten?

Grundsätzlich darf die Einnahme von Methylphenidat nur auf ärztliche Anweisung erfolgen. Methylphenidat muss auf einem BtM-Rezept (Betäubungsmittelrezept) verschrieben werden und man kann es nicht rezeptfrei kaufen.

Regelmäßige Kontrollen bei der*dem betreuenden Ärztin*Arzt sollten wahrgenommen werden, um möglichst früh Nebenwirkungen zu entdecken und bei Bedarf die Dosis entsprechend anpassen zu können. Insbesondere bei Kindern und Jugendlichen sind regelmäßige Gewichts- und Größenkontrollen wichtig und eine zusätzliche psychologische oder psychiatrische Betreuung sinnvoll.

Erwachsene sollten auf unerwünschte Wirkungen wie Schwindel, Müdigkeit und Sehprobleme achten und gegebenenfalls nicht Auto fahren. Grundsätzlich ist die Verkehrstauglichkeit jedoch nicht eingeschränkt.

Welches ist die richtige Dosis?

Es wird meist mit einer geringen Dosierung (zum Beispiel 5 oder 10 mg) begonnen. Sollte die Wirkung noch nicht ausreichen, kann die*der Ärztin*Arzt die Dosis erhöhen. Gegebenenfalls kann dann auch am Nachmittag oder Abend noch eine zweite Tablette notwendig sein. Kinder und Jugendliche dürfen pro Tag maximal 60 mg Methylphenidat einnehmen, Erwachsene höchstens 80 mg.

In der Regel wird eine Therapie mit Methylphenidat im Erwachsenenalter nicht neu begonnen, sondern nur fortgeführt, wenn die Behandlung im Jugendalter die Symptome gut verbessert hat und diese ohne Therapie im Erwachsenenalter fortbestehen. Die Dosierung wird dann meistens wie zuvor weitergeführt.

Wann darf Methylphenidat nicht eingenommen werden?

In der Schwangerschaft und während der Stillzeit sollte die Einnahme von Methylphenidat nur nach ausführlicher ärztlicher Rücksprache erfolgen.

Für kleine Kinder unter 6 Jahren gibt es bisher keine zugelassenen Medikamente gegen ADHS. Die Therapie erfolgt zumeist über psycho- und sozialtherapeutische Verfahren. In Ausnahmefällen kann jedoch eine medikamentöse Therapie begonnen werden.

Außerdem sollten unter anderem Menschen mit psychischen Vorerkrankungen, Gefäßerkrankungen, Glaukom und Schilddrüsenüberfunktion Methylphenidat nicht einnehmen.

FAQ: Wissenswertes über Methylphenidat

Neben Ritalin® sind weitere Handelsnamen von Methylphenidat zum Beispiel:  

  • Medikinet®
  • Elvanse®
  • Adderall®
  • Concerta®

Bei der Behandlung von ADHS gibt es weitere Wirkstoffe, die zum Einsatz kommen können. Dazu gehören zum Beispiel Atomoxetin und Dexamfetamin.

Der Preis kommt auf die Marke und die Dosierung an. Das bekannteste Handelspräparat ist Ritalin®. Hier kostet eine Packung etwa 35 bis 45 Euro, wobei die Kosten für das Arzneimittel in der Regel von der Krankenkasse übernommen werden.

Auch bei Menschen ohne ADHS führt Methylphenidat zu einer erhöhten Konzentrationsfähigkeit und verstärkter kognitiver Leistungsfähigkeit, weshalb zum Beispiel Ritalin® zum Lernen missbraucht wird. Außerdem kann durch das Arzneimittel bei bestimmten Anwendungsformen ein Euphoriegefühl ausgelöst werden – ähnlich wie bei anderen Rauschmitteln.

Ein Drogentest kann durch die Einnahme von Methylphenidat fälschlicherweise positiv für Amphetamine ausfallen.

Zu einer Abhängigkeit kommt es auch beim Missbrauch des Arzneimittels in der Regel nicht. Es bestehen jedoch Risiken durch die möglichen Neben- und Langzeitwirkungen sowie im Falle einer Überdosierung.

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