Hyposensibilisierung (Desensibilisierung): Ablauf und Nebenwirkungen
Die Hyposensibilisierung – umgangssprachlich auch als Desensibilisierung bezeichnet – ist zum jetzigen Zeitpunkt die einzig ursächliche Therapie bei einer Allergie. Dabei wird das Allergen dem Körper über einen längeren Zeitraum kontrolliert zugeführt, sodass es zu einem Gewöhnungseffekt kommt. Langfristig soll auf diese Weise die überschießende Reaktion des Immunsystems eingedämmt werden. So können von Heuschnupfen oder einer Hausstaubmilbenallergie Betroffene im wahrsten Sinne des Wortes aufatmen. Mehr zum Ablauf einer Desensibilisierung mit Spritzen, Tabletten oder Tropfen sowie zu Kosten und Nebenwirkungen erfahren Sie im folgenden Artikel.
Was ist eine Hyposensibilisierung?
Bei der Hyposensibilisierung handelt es sich um die bisher einzige Therapieform bei Allergien, die direkt an der Ursache ansetzt. Bei einer Allergie reagiert das Immunsystem mit einer überschießenden Reaktion auf einen eigentlich harmlosen Fremdstoff (wie beispielsweise Pollen). Dadurch kommt es zu den typischen Allergiesymptomen, wie einer laufenden Nase, Hautausschlag oder geschwollenen und geröteten Augen.
Das Ziel der Hyposensibilisierung ist es, das Immunsystem Schritt für Schritt an den Auslöser (das Allergen) zu gewöhnen, sodass die unangenehmen Symptome, die eine Allergie mit sich bringt, langfristig minimiert werden können.
Darüber hinaus wird das Risiko gesenkt, dass sich weitere Allergien oder allergisches Asthma entwickeln. Aufgrund der Vorgangsweise – dem Körper wird der allergieauslösende Stoff kontrolliert zugeführt – bezeichnet man die Hyposensibilisierung auch als Allergen-Immuntherapie (AIT) oder spezifische Immuntherapie (SIT). Sie ist eine Langzeittherapie, die sich über drei bis fünf Jahre streckt.
Bei welchen Allergien ist eine Hyposensibilisierung möglich?
Die Hyposensibilisierung kann bei Typ-I-Allergien – auch als Soforttyp-Allergien bezeichnet – durchgeführt werden. Dabei handelt es sich um eine Überempfindlichkeit gegen bestimmte Stoffe, die den Körper beim Erstkontakt zur Bildung bestimmter Antikörper anregen (Immunglobulin-E- beziehungsweise IgE-Antikörper). Bei jedem weiteren Kontakt dockt das Allergen an die IgE-Antikörper an, was zur Überreaktion des Immunsystems führt. Diese tritt in der Regel unmittelbar nach dem Kontakt mit dem Allergen ein. Bei etwa 90 Prozent aller Allergien handelt es sich um Typ-I-Allergien.
Bei Allergien, die nicht nur durch IgE-Antikörper vermittelt sind, ist eine Hyposensibilisierung unwirksam. Dazu gehören beispielsweise Kontaktallergien, bei denen zwischen dem Kontakt zum Allergen und dem Beginn der Symptome bis zu zwei Tage liegen (Spättypallergie). Auch eine sogenannte zytotoxische Allergie, wie sie beispielsweise als Abwehrreaktion des Körpers bei einer Bluttransfusion mit der falschen Blutgruppe auftritt, kann nicht mit einer Desensibilisierung behandelt werden.
Therapie-Allergene, für die es in Deutschland momentan zugelassene Präparate gibt, sind:
- Erdnüsse
- Getreide-, Kräuter- und Gräserpollen
- Baumpollen
- Hausstaubmilbenkot ("Hausstauballergie")
- Insektengifte (Bienen- und Wespengift)
Doch auch Personen, die an einer Allergie gegen Tierhaare (Hunde- oder Katzenhaarallergie) oder Schimmelpilze leiden, können eine Desensibilisierung durchführen. Bei diesen Therapie-Allergenen handelt es sich allerdings bisher um nicht zugelassene Präparate, was im Hinblick auf die Abwägung von Nutzen und Risiko berücksichtigt werden muss.
Formen der Hyposensibilisierung
Eine Hyposensibilisierung wird meist dann empfohlen, wenn das Allergen eindeutig diagnostiziert ist, im Alltag nicht vermieden werden kann und ein zugelassenes Präparat zur Verfügung steht.
Grundsätzlich unterscheidet man zwei verschiedene Formen:
- Subkutane Immuntherapie (SCIT): Das Allergen wird hier mithilfe einer Spritze ins Unterhautfettgewebe des Oberarms injiziert.
- Sublinguale Immuntherapie (SLIT): Hier wird das Allergen in Form von Tropfen oder Tabletten unter die Zunge gegeben und dort einige Minuten belassen, bevor es geschluckt wird.
Im Laufe der Therapie wird der Körper schrittweise an das Allergen gewöhnt. Zunächst führt man es in minimalen Dosen zu, die langsam erhöht werden. Ist die individuelle Maximaldosis erreicht, wird diese bis zum Ende der Behandlung beibehalten (Erhaltungsdosis).
Welche Art der spezifischen Immuntherapie gewählt wird, hängt einerseits vom Allergen ab (eine Hyposensibilisierung gegen Insektengift kann zum Beispiel nur subkutan erfolgen), andererseits von persönlichen Vorlieben. Die Wirkungsweise beider Formen kann als sehr gut beschrieben werden. Unterschiede ergeben sich im Ablauf der Behandlung.
Spritzen, Tabletten oder Tropfen: Wie läuft die Hyposensibilisierung ab?
Bei der sublingualen Immuntherapie ist eine tägliche Einnahme des Allergens in Form von Tabletten oder Tropfen über drei Jahre notwendig. Diese kann daheim erfolgen.
Demgegenüber müssen bei der subkutanen Immuntherapie regelmäßig Arzttermine wahrgenommen werden, deren Abstände sich jedoch im Laufe der Zeit verlängern. Während die Injektionen anfangs wöchentlich erfolgen, sind sie nach dem Erreichen der Erhaltungsdosis (nach etwa 16 Wochen) nur noch monatlich notwendig. Darüber hinaus gibt es Abwandlungen. So kann gegebenenfalls in der Einleitungsphase schneller aufdosiert, also die Dosis schrittweise erhöht (Kurzzeit-Hyposensibilisierung) und die Behandlung in der Allergiesaison ausgesetzt werden. Insgesamt dauert die Therapie ebenfalls drei Jahre.
Im Falle einer Allergie gegen Bienen- oder Wespengift erfolgt die Einleitungsphase häufig stationär (Ultrarush-Hyposensibilisierung). Sie ist dann aber deutlich kürzer, sodass man in der Regel nach ein bis zwei Tagen wieder aus dem Krankenhaus entlassen werden kann. Die Gabe der Erhaltungsdosis kann dann in der Arztpraxis stattfinden. Eine Hyposensibilisierung gegen ein Insektengift wird über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren durchgeführt.
Welcher Arzt oder welche Ärztin die Hyposensibilisierung durchführt, ist übrigens nicht ganz unwichtig. Da das geringe Risiko einer anaphylaktischen Reaktion (also eines allergischen Schocks) besteht, sollte eine gewisse Erfahrung gegeben sein. Infrage kommen etwa Mediziner*innen aus den Bereichen Dermatologie, Allergologie oder Hals-Nasen-Ohrenheilkunde.
Was ist bei einer Hyposensibilisierung zu berücksichtigen?
Um Nebenwirkungen möglichst gering zu halten und den Körper nicht zusätzlich zu belasten, sollte man am Tag der Hyposensibilisierung schwere körperliche Arbeiten, Sport sowie Saunabesuche vermeiden. Vor und nach der Behandlung ist es außerdem ratsam, auf Alkohol und schwer verdauliche Mahlzeiten zu verzichten.
Darüber hinaus ist es wichtig, anstehende Impfungen oder aktuelle Medikamenteneinnahmen ebenso mitzuteilen wie eine eingetretene Schwangerschaft.
Nicht zuletzt ist zu berücksichtigen, dass die spezifische Immuntherapie Konsequenz erfordert. Langfristiger Behandlungserfolg stellt sich nur dann ein, wenn sie über die gesamte Therapiedauer durchgeführt wird.
Welche Nebenwirkungen hat eine Hyposensibilisierung?
Da dem Körper bei der Hyposensibilisierung – wenn auch in geringen Dosen – ein Allergen zugeführt wird, sind vor allem zu Beginn der Therapie leichte Reaktionen nicht so selten. Solche Nebenwirkungen können in manchen Fällen auch erst nach einigen Tagen auftreten. In der Regel sind sie harmlos und nur vorübergehend: Milde Symptome vergehen meist nach kurzer Zeit von selbst wieder. Stärkere Nebenwirkungen können bei Bedarf mit Antihistaminika und/oder entzündungshemmenden Medikamenten behandelt werden.
Mit folgenden Nebenwirkungen muss nach einer Hyposensibilisierung gerechnet werden:
- Reaktionen an der Einstichstelle (wie Ausschlag, Schwellungen, Quaddelbildung)
- Juckreiz und Schwellungen im Mundbereich, wenn das Therapie-Allergen eingenommen wird
- Müdigkeit und leichte Kopfschmerzen
- leichte allergische Reaktionen wie Juckreiz, Augentränen, Niesen oder asthmatische Beschwerden
Weitaus seltener (in weniger als einem Prozent der Behandlungsfälle) kommt es zu schweren Allergiesymptomen bis hin zu einem allergischen Schock. Das Risiko ist bei sonst gesunden Menschen zwar ausgesprochen gering, aus Sicherheitsgründen müssen Patient*innen nach der Verabreichung des Allergens mittels Spritze allerdings für mindestens 30 Minuten in der Praxis bleiben, damit gegebenenfalls Gegenmaßnahmen eingeleitet werden können. Bemerkbar macht sich eine schwere allergische Reaktion durch starken Juckreiz und Kribbeln, Übelkeit, Erbrechen, Schweißausbrüche, Blutdruckabfall sowie Atem- und Kreislaufbeschwerden.
Bei der sublingualen Form ist das Risiko eines allergischen Schocks noch niedriger. Dies liegt vermutlich daran, dass die Allergene bei der oralen Aufnahme im Mund, Magen, Darm und in der Leber verändert und abgebaut werden. Daher wird bei dieser Form der Desensibilisierung auf eine ärztliche Kontrolle verzichtet.
Wie sinnvoll ist eine Hyposensibilisierung?
Beide Formen der Hyposensibilisierung haben eine gute Erfolgsquote. Vor allem bei Heuschnupfen und ganzjährigem allergischen Schnupfen (also Pollen- und Hausstaubmilbenallergie) belegen Studien die Wirksamkeit, weshalb die Therapie bei starken Symptomen auch empfohlen wird. So treten langfristig weniger Beschwerden auf und auch der Bedarf an symptomdämpfenden Medikamenten sinkt. Oftmals stellt man bereits im ersten Jahr eine Besserung der Allergiebeschwerden fest. Bis die Hyposensibilisierung ihre volle Wirkung entfaltet, dauert es im Durchschnitt aber etwa drei Jahre.
Auch die Hyposensibilisierung bei Insektengiftallergien wirkt laut aktueller Studienlage sehr gut und kann lebensrettend sein, weshalb es hier ebenfalls eine allgemeine Empfehlung gibt.
Bei Schimmelsporen- oder Tierhaarallergien ist die Datenlage zum Nutzen gering, sodass sie nicht allgemein empfohlen wird.
Wie viel kostet eine Hyposensibilisierung?
So manche allergiegeplagte Person fragt sich, welche Kosten bei der spezifischen Immuntherapie anfallen. Oder wird die Hyposensibilisierung sogar von der Krankenkasse bezahlt? Betroffene dürfen aufatmen: Die Behandlungskosten – hier fallen, je nach Präparat und Darreichungsform, über einen Zeitraum von drei Jahren mehrere tausend Euro an – werden komplett von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen.
FAQ: Hyposensibilisierung für Kinder, Schwangere und bei Krankheiten
Ja, eine Hyposensibilisierung mit zugelassenen Therapie-Allergenen ist ab einem Alter von fünf Jahren möglich. Sie kann das Risiko für die Entstehung von Kreuzallergien sowie Asthma senken.
Bei fiebrigen Erkältungen oder anderen kurzzeitigen Erkrankungen wird die Hyposensibilisierung in der Regel ausgesetzt, bis die betroffene Person wieder gesund ist. Ist das Immunsystem längerfristig geschwächt (etwa durch Erkrankungen wie Krebs, Medikamenteneinnahme oder eine Autoimmunerkrankung) kann keine Desensibilisierung durchgeführt werden.
Aktuellen Empfehlungen nach führt man bereits begonnene Desensibilisierungen weiter, sofern sie gut vertragen werden. Die Dosis wird allerdings nicht mehr gesteigert. Den Beginn einer Hyposensibilisierung verschiebt man sicherheitshalber auf die Zeit nach der Schwangerschaft.