Ishihara-Testbild für Farbenfehlsichtigkeit
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Farbenfehlsichtigkeit (Farbenblindheit) – Ursachen, Diagnose, Therapie

Von: Dagmar Reiche (Ärztin und Medizinautorin)
Letzte Aktualisierung: 13.10.2020 - 11:13 Uhr

Gras ist grün, reife Tomaten sind rot. Für viele Menschen bleiben diese Farbbezeichnungen ein Leben lang farblose Begriffe. Acht von 100 Männern, aber nur eine von 200 Frauen kennen einige Farben nur vom Hörensagen. Farbenfehlsichtigkeit – umgangssprachlich oft vereinfacht als Farbenblindheit bezeichnet – kann viele Ausprägungen haben. Die Rot-Grün-Schwäche gehört dabei zu den häufigsten Formen der Farbenfehlsichtigkeit. Erfahren Sie hier mehr über die Ursachen und Behandlung der Farbschwächen.

Funktion der Zapfen und Stäbchen

Um Farben richtig zu sehen, sind zwei Schritte notwendig: Die Farben müssen überhaupt erst richtig erkannt werden (Identifikation), und sie müssen voneinander unterschieden werden (Diskrimination). Das gesunde Auge besitzt dafür in seiner Netzhaut drei Arten von Farbsinneszellen, die Zapfen. Mit diesen nimmt es die drei Grundfarben Rot, Grün und Blau wahr und setzt daraus mehrere Millionen Farbtöne zusammen.

Diese sechs bis sieben Millionen Zapfen sitzen im Bereich der Makula (gelber Fleck), der Stelle der größten Sehschärfe im Auge, und sind für das Tagessehen zuständig. In der Dämmerung und der Nacht übernehmen die besonders lichtempfindlichen Stäbchen, die nur Grautöne wahrnehmen können, die Sehfunktion – deshalb sind nachts alle Katzen grau.

Formen der Farbenblindheit und Farbschwäche

Personen mit einer Farbenfehlsichtigkeit, also einer Störung der Farbwahrnehmung, haben Zapfen, die gar nicht oder nur eingeschränkt funktionieren. Deshalb können sie keine oder bestimmte Farben nicht sehen.

  • Bei der seltenen totalen Farbenblindheit (Achromasie oder Achromatopsie) funktionieren die Zapfen gar nicht. Deshalb werden nur farblose Bilder in Grautönen mit verschiedenen Helligkeitswerten wahrgenommen, vergleichbar mit dem normalen "Stäbchensehen" im Dämmerlicht.
  • Bei der partiellen Farbenblindheit fehlt die Farbempfindung für eine (Dichromasie) oder zwei (Monochromasie) der drei Grundfarben.
  • Bei einer – in der Regel familiär veranlagten – Farbschwäche (anomale Trichromasie) funktionieren die Farbsinneszellen zwar, aber ihre Empfindlichkeit ist herabgesetzt. Deshalb werden die Farben der betroffenen Zapfen (meist Rot und Grün = Protanomalie und Deuteranomalie) in bestimmten Situationen verwechselt: Ist zum Beispiel der Rot-Rezeptor eingeschränkt (bereits ab 10 Prozent), wird das Rot einer Verkehrsampel als Grün wahrgenommen.
  • Bei 60 Prozent aller Farbschwächen ist nur eine der drei Grundempfindlichkeiten gestört. Die Rot-Grün-Schwäche (fälschlicherweise oft mit Rot-Grün-Blindheit gleichgesetzt) ist die häufigste Form einer Farbfehlsichtigkeit und kommt vorwiegend bei Jungen vor.
  • Die Blaublindheit (Tritanopie) kommt vergleichsweise seltener vor und hat zur Folge, dass Betroffene Schwierigkeiten haben, die Frabe Blau zu sehen oder Gelb zu erkennen.

Häufigkeit der Formen von Farbenfehlsichtigkeit

Angeborene Störungen des Farbsinns kommen bei 8 Prozent der Männer und 0,4 Prozent der Frauen vor. 4,2 Prozent der Betroffenen sind deuteranomal, haben also eine Grünschwäche, 1,6 Prozent sind protanomal, zeigen also eine Rotschwäche. Eine Grünblindheit haben 1,5 Prozent (Deuteranopie), 0,7 Prozent sind protanop ("rotblind"). Störungen im Blaubereich sind ebenso wie die totale Farbenblindheit sehr selten.

Ursache von Farbenfehlsichtigkeit

Die Farbenfehlsichtigkeit ist meist auf Vererbung zurückzuführen (genetisch bedingt), sie wird dann mit der Zeit weder besser noch schlechter. Farbenfehlsichtigkeit kann aber auch erworben sein, dann sind auch Veränderungen im Verlauf möglich. Einschränkungen für das Farbensehen kommen bei verschiedenen Erkrankungen der Ader- und Netzhaut vor. Der völlige Verlust des Farbsinns ist erblich bedingt. Die Tagblindheit entsteht durch den Ausfall des Zapfenapparates der Netzhaut.

Diagnose: So wird Farbenfehlsichtigkeit festgestellt

Das Farbensehen wird vor allem mittels spezieller Tafeln mit verschiedenfarbigen Punkten (Ishihara-Tafeln) geprüft; der Test ist etwa ab dem 3. Lebensjahr durchführbar.

Erste Anzeichen sind, dass das betroffene Kind Schwierigkeiten beim Malen mit Farben oder beim Erkennen der Ampellichter hat. Doch meist gelingt es den Betroffenen rasch, diese Symptome zu kompensieren: Sie lernen dann einfach die Anordnung (oben = Rot, unten = Grün) oder die Farben ihnen bekannter Gegenstände auswendig.

Betroffene mit einer Farbschwäche sehen nicht Grau, sondern nehmen viele Farbschattierungen einfach anders wahr – so als hätten sie in einem Farbkasten zum Mischen weniger Ausgangsfarben zur Verfügung als ein Normalsichtiger. Das hat nicht nur Nachteile – manches wird besser oder kontrastreicher wahrgenommen. Betroffene mit einer totalen Farbenblindheit leiden oft unter einer starken Blendempfindlichkeit und unter einer beeinträchtigten Sehkraft.

Behandlung: Was kann man gegen Farbenfehlsichtigkeit tun?

Eine Therapie der angeborenen Farbsinnstörung gibt es nicht, eine Operation oder ähnliche Formen der Behandlung sind nicht möglich. In manchen Fällen ist jedoch eine Korrektur bedingt möglich:

  • Menschen mit einer totalen Farbenblindheit tragen oft eine dunkle Sonnenbrille. Je nach Lichtverhältnissen werden für diese Brillen spezielle Kantenfilter verwendet, die bestimmte Farben aus dem Sonnenlicht herausfiltern. Lupen oder kleine Ferngläser ermöglichen das Lesen von kleiner Schrift oder das Sehen in die Ferne.
  • Für Menschen mit einer Rot-Grün-Schwäche gibt es Brillen mit speziellen Linsen, die bestimmte Farbspektren anders rausfiltern; allerdings wird damit die Wahrnehmung anderer Farben verändert.
  • Es gibt Geräte, die Farben erkennen können. Sie schicken einen kleinen Lichtstrahl auf den Gegenstand und messen, wie viel Licht wieder zurückkommt. So kann das Gerät melden, welche Farbe ein Gegenstand hat. Der Praxisnutzen ist allerdings umstritten.
  • Erforscht werden derzeit die Möglichkeiten der Gentherapie zur Korrektur der völligen Farbenblindheit.

Je nach Ausprägung der Farbenfehlsichtigkeit kann diese die Berufswahl einschränken – so dürfen Menschen mit einer Farbschwäche zum Beispiel nicht Pilot, Zugführer oder Kapitän werden.