Notfall-Behandlung bei Ketoazidose
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Was ist eine Ketoazidose?

Von: Dr. med. Lisa Rosch (Ärztin), Annika Lutter (Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 15.07.2020 - 12:03 Uhr

Eine Ketoazidose ist eine schwere, lebensbedrohliche Stoffwechselentgleisung, die vor allem bei Menschen mit Diabetes mellitus auftritt (diabetische Ketoazidose). Eine Ketoazidose kann sich durch unterschiedliche Symptome äußern, die von der sogenannten "Kußmaul-Atmung" bis hin zu einem Koma reichen können. Erfahren Sie hier, was eine Ketoazidose genau ist, wie sie entsteht und welche Möglichkeiten der Therapie zur Verfügung stehen.

Was bedeutet Ketoazidose?

Das Wort Ketoazidose setzt sich zusammen aus den Begriffen Azidose und Ketose.

Eine Azidose bezeichnet eine saure Stoffwechsellage des Körpers, der pH-Wert des Blutes liegt im sauren Bereich (<7,35). Ursächlich ist das Überwiegen von sauren Substanzen im Blut wie zum Beispiel von Kohlenstoffdioxid (CO2) und Wasserstoffionen (H+).

Eine Ketose ist ein Überschuss von sogenannten Ketonkörpern im Blut. Dabei handelt es sich um Zuckerersatzstoffe, die der Körper selbst herstellen kann und die saure Eigenschaften haben.

Zusammengenommen besagt eine Ketoazidose also, dass im Blut so viele saure Ketonkörper vorliegen, dass der pH-Wert des Blutes in den sauren Bereich abgesunken ist. Die Ketoazidose gehört im Gegensatz zu den respiratorischen Azidosen, die durch Atemprobleme verursacht werden, zu den metabolischen Azidosen (Stoffwechsel-Azidosen).

Warum entsteht eine Ketoazidose?

Die Ketonkörper bildet der Körper in der Leber als Ersatzstoffe für Zuckerteilchen (Kohlenhydrate), welche der Körper als Energiequelle für alle seine Funktionen braucht. Normalerweise entstehen Ketonkörper als Zwischenprodukt des Fettstoffwechsels und finden sich immer in geringen Mengen im Blut.

Ist jedoch nicht genug Zucker vorhanden, werden vermehrt Fettsäuren zu Ketonkörpern abgebaut und ins Blut freigesetzt. Eigentlich ist die Herstellung einer Zuckeralternative eine sinnvolle Maßnahme des Körpers, um uns die benötigte Energie trotz Zuckermangels bereitzustellen. Doch durch die sauren Eigenschaften der Ketonkörper kommt es zu Problemen.

Ein Zuckermangel, der eine Ketoazidose auslösen kann, besteht zum Beispiel typischerweise bei der Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus), bei Hungerzuständen und beim Alkoholismus.

Ketoazidose bei Diabetes Typ 1 und Diabetes Typ 2

Das Auftreten einer diabetischen Ketoazidose wird vor allem mit einer schlechten Blutzuckereinstellung assoziiert. Die Entgleisung des Stoffwechsels kommt sowohl bei Typ-1-Diabetes, als auch bei Typ-2-Diabetes vor, häufiger allerdings bei Typ 1. Bei Typ-1-Diabetes scheint ebenfalls ein regelmäßiger Cannabiskonsum das Risiko für die Entwicklung einer Ketoazidose zu erhöhen.

Diabetische Ketoazidose durch Gabe von SGLT-2-Inhibitoren

In seltenen Fällen kann eine Therapie mit SGLT-2-Hemmern auch eine atypische diabetische Ketoazidose im Sinne einer lebensgefährlichen, unerwünschten Arzneimittelwirkung auslösen. Das ergab eine Auswertung verschiedener Fachpublikationen.

Mediziner sehen vor allem eine Kombination aus Kohlenhydratreduktion, Verringerung der Insulindosis sowie einer unveränderten Weiterverabreichung von SGLT-2-Hemmern als "wahrscheinlichen Auslöser" der diabetischen Ketoazidose an. Vermehrt wurde die diabetische Ketoazidose auch infolge von Dehydration, Krankheit, intensivem Sporttreiben sowie exzessivem Alkoholkonsum beobachtet.

Zur Prävention einer SGLT-2-assoziierten diabetischen Ketoazidose wird empfohlen, die Insulingabe nicht unangemessen zu reduzieren. Beim Auftreten der diabetischen Ketoazidose sollte die Verabreichung von SGLT-2-Hemmern gestoppt werden.

Mediziner aus der Schweiz empfehlen aufgrund eines beobachteten Falles außerdem, dass Patienten mit Typ-1-Diabetes zumindest nicht außerhalb von Studienszenarien mit SGLT-2-Inhibitoren wie Emplaglifozin behandelt werden sollten.

Symptome einer Ketoazidose

Beschwerden aufgrund einer Ketoazidose entwickeln sich in der Regel langsam und über Tage hinweg. Als Symptome können Bauchschmerzen, Erbrechen und Fieber auftreten.

Im Fall einer diabetischen Ketoazidose geht oft ein fieberhafter Infekt voraus. Die Betroffenen verspüren starken Durst bei gleichzeitig häufigem Wasserlassen.

Typisch für eine Ketoazidose ist eine tiefe Atmung, die sogenannte "Kußmaul-Atmung", da der Körper bei einer sauren Stoffwechsellage versucht, die sauren Substanzen abzuatmen. Außerdem kann der Atem azetonhaltig und somit süßlich und ein wenig wie fauliges Obst riechen.

Weiterhin kommt es zu Ausgleichsströmen von Blutsalzen (Elektrolyten). Geraten die Elektrolytverhältnisse aus dem Gleichgewicht, kann es zu Herzrhythmusstörungen kommen, ebenso wie zu Nierenfunktionsstörungen und Wassereinlagerungen, welche besonders gefährlich für das Gehirn sind (Hirnödeme). Im Endstadium einer Ketoazidose drohen Schock und Koma.

Koma bei einer Ketoazidose

Die diabetische Ketoazidose gilt als häufigste Todesursache bei Kindern und Jugendlichen mit einem Typ-1-Diabetes.

Das Hormon Insulin transportiert die Zuckermoleküle in die Zellen, wo sie als Energielieferanten benötigt werden. Steht kein Insulin zur Verfügung, verbleiben die Zuckermoleküle im Blut (Hyperglykämie) und fehlen in den Zellen.

Kompensatorisch werden die Ketonkörper gebildet. Durch die darauf folgende Übersäuerung des Blutes kann es zu Bewusstseinsstörungen von Ohnmacht bis hin zu einem Koma kommen.

Ein Koma im Rahmen einer Ketoazidose wird "ketoazidotisches Koma" genannt und entsteht typischerweise bei Menschen mit einem Diabetes mellitus Typ 1 ("Coma diabeticum" genannt). Im Fall des Typ 1 besteht ein vollständiger Insulinmangel, im Gegensatz zum Diabetes mellitus Typ 2, welcher noch ein wenig Insulin produzieren kann.

Therapie einer Ketoazidose

Die Behandlung einer Ketoazidose ist abhängig davon, wie weit die Krankheit bereits fortgeschritten ist. Liegt der Betroffene im Koma, besteht ein Notfall und es müssen sofort intensivmedizinische Maßnahmen im Krankenhaus ergriffen werden. Atmung und Kreislauf müssen gesichert sowie die inneren Organe vor einem Versagen geschützt werden.

Generell besteht die Behandlung einer diabetischen Ketoazidose aus Maßnahmen zur Rehydrierung, dem Ausgleich des Elektrolythaushaltes und in der Gabe von Insulin.

Wichtig ist stets eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr, welche über einen intravenösen Zugang erfolgt. Liegt eine ausgeprägte Azidose vor und ein sehr niedriger pH-Wert des Blutes, können Ausgleichsstoffe gegeben werden, welche die saure Stoffwechsellage im Blut abpuffern. Um den Elektrolythaushalt wieder auszubalancieren, ist oftmals eine Natrium- oder Kaliumsubstitution nötig.

Im Fall einer diabetischen Ketoazidose wird Insulin gegeben, um die Zuckermoleküle in die Zellen transportieren zu können. Diabetiker sollten von ihrem Arzt über die Gefahr der Ketoazidose aufgeklärt werden und Empfehlungen für das richtige Verhalten bei ersten Anzeichen der Stoffwechselentgleisung erhalten.

Vorbeugung der diabetischen Ketoazidose

Die wichtigste Maßnahme zur Vorbeugung der diabetischen Ketoazidose ist eine frühzeitige Behandlung zu hoher Blutzuckerwerte. Diabetiker sollten außerdem von medizinischem Personal darüber informiert werden, wie bei erhöhten Werten richtig zu handeln ist.

Um der Komplikation einer diabetischen Ketoazidose bei Typ-1-Diabetikern im Kindes- und Jugendalter vorzubeugen, gibt es folgende Möglichkeiten:

  • Aufklärung: Studien konnten zeigen, dass die Häufigkeit diabetischer Ketoazidosen sinkt, wenn Betroffene und deren Eltern typische Symptome ihrer Diabetes-Erkrankung kennen.
  • Autoantikörper-Screening: Das Risiko, an einem Typ-1-Diabetes zu erkranken, steigt mit der Zahl der vorhandenen Antikörper. Wer weiß, dass er gefährdet ist, kann bereits vor der Manifestation von Symptomen gegensteuern. Die frühe Kenntnis über ein erhöhtes Krankheitsrisiko und entsprechende Aufklärung kann gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit einer diabetischen Ketoazidose senken.
  • Impfungen: Auch Impfungen gegen Coxsackie-B- und Rotaviren können in Betracht gezogen werden.