Thymus im menschlichen Körper
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Thymus: Funktion & Erkrankungen der Thymusdrüse

Von: Nathalie Blanck (Ärztin und Medizinautorin)
Letzte Aktualisierung: 05.03.2019 - 18:02 Uhr

Die meisten Menschen kennen den Thymus nur als Bries – nämlich als Kalbsbries von der Speisekarte im Restaurant. Doch für unser Immunsystem spielt die Thymusdrüse eine sehr wichtige Rolle: Im Thymus "lernen" unsere weißen Blutkörperchen, fremde Zellen zu erkennen und zu zerstören. Welche Funktion hat der Thymus genau, bei welchen Erkrankungen spielt er eine Rolle und welchen Einfluss haben das Klopfen der Thymusdrüse oder die Ernährung auf Erkrankungen?

Was ist der Thymus?

Der Thymus wird auch Thymusdrüse oder Bries genannt. Es liegt in unserem Brustkorb direkt hinter dem Brustbein oberhalb des Herzbeutels (Perikard) und reicht etwa vom Ansatz der Schlüsselbeine bis zum vierten Rippenpaar. Mit seinen lediglich ca. 40 g ist er ein Leichtgewicht unter den Organen. Er wurde erstmalig im 16. Jahrhundert von Berengario de Carpi beschrieben.

Die Thymusdrüse besteht aus einem linken und einem rechten Lappen, die von einer Bindegewebekapsel umgeben sind. Von dieser ziehen Septen (ein Art Trennwände) in das Innere und teilen einzelne Läppchen ab (Lobuli thymi). Die Läppchen zeigen eine hellere Markzone (Medulla), die von einer dunkleren Rinde (Kortex) umgeben wird. In der Medulla findet man die Hasall-Körperchen, die charakteristisch für den Thymus sind. Hauptsächlich in der Rinde sind sogenannte Thymuslymphozyten (auch Thymozyten) eingelagert, die für unsere Immunabwehr so wichtig sind.

Welche Funktionen hat der Thymus?

Im klassischen Altertum wurde der Thymus noch als Sitz der Seele angesehen. Sein Name wird abgeleitet von dem griechischen Wort thymos (Lebensenergie). Mittlerweile wissen wir, dass seine Hauptaufgabe in der Entwicklung des Immunsystems besteht. Deshalb wird die Thymusdrüse genau wie das Knochenmark als primäres lymphatisches Organ bezeichnet.

Die Stammzellen – das sind Zellen, deren Funktion zwar feststeht, die sich aber noch entwickeln müssen – wandern aus dem Knochenmark über die Blutbahn in den Thymus ein und reifen dort zu T-Lymphozyten oder T-Zellen (T = Thymus) heran – dieser Vorgang wird als Prägung bezeichnet. Die Stammzellen durchlaufen die Thymus-Läppchen von außen nach innen.

Dabei "lernen" sie, körpereigene von körperfremden Antigenen, also Strukturen auf der Oberfläche von Zellen, zu unterscheiden. Das ist wichtig, damit die T-Lymphozyten später Bakterien, Viren, Parasiten oder auch Tumorzellen erkennen und zerstören, die körpereigenen Zellen aber verschonen. Der Thymus ist für die Abwehrzellen also eine Art Schule, in der sie zu fertigen "Körperpolizisten" ausgebildet werden.

Nach der Prägung wandern die T-Zellen vom Thymus in die Lymphknoten und warten dort auf ihren Einsatz. Jeder T-Lymphozyt ist auf ein ganz bestimmtes Antigen spezialisiert. Sobald er dieses bei einem Eindringling erkennt, vermehrt sich dieser T-Lymphozyt, er wird sozusagen "geklont". Dann werden die körperfremden Zellen zerstört und so z.B. eine Infektion abgewehrt. Der Thymus wird zu Recht auch Thymusdrüse genannt: Er produziert die Hormone Thymosin, Thymopoetin I und II, die für das Heranreifen der T-Lymphozyten wichtig sind.

Die Thymusdrüse im Lauf des Lebens

Beim Neugeborenen ist jeder Lappen des Thymus etwa 5 cm lang und 2 cm breit. Bis zur Pubertät wächst das Organ noch etwas, bis es ca. 40 g wiegt.

Im Laufe des weiteren Lebens schrumpft die Thymusdrüse dann und das lymphatische Gewebe wird größtenteils durch Fettgewebe ersetzt – diesen Prozess nennt man Involution. Mark- und Rindengewebe nehmen ab und auch die Zahl der Hasall-Körperchen reduziert sich. Die Aufgaben des Thymus übernehmen dann sekundäre lymphatische Organe wie Lymphknoten oder Milz.

Noch Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die Involution des Thymus für die Alterungsprozesse des Menschen verantwortlich gemacht – eine Hypothese, die sich so nicht bestätigen ließ.

Erkrankungen und Thymus

Der Thymus wird mit verschiedenen Krankheiten in Verbindung gebracht. Aber welche Krankheiten stehen im Zusammenhang mit dem Thymus? Zu nennen sind hier das Thymom, die Autoimmunkrankheit Myasthenia gravis, das Di-George-Syndrom sowie die Multiple Sklerose. Im Folgenden stellen wir Ihnen die Krankheiten näher vor.

Thymom: Tumor am Thymus

Selten tritt ein Tumor am Thymus auf, ein sogenanntes Thymom. Die meisten Thymome wachsen sehr langsam, nur das maligne Thymom (Thymuskarzinom) wächst rasch. Wenn der Tumor größer wird, kann er verstärkt auf benachbarte Strukturen wie die Luftröhre oder die Bronchien drücken.

Häufig treten im Zusammenhang mit Thymomen Autoimmunkrankheiten wie die Myasthenia gravis auf. Der Thymus muss dann operativ entfernt werden (Thymektomie), was bei Kindern Auswirkungen auf das Immunsystem haben kann, das noch nicht vollständig ausgebildet ist.

Myasthenia gravis

Diese Autoimmunkrankheit schwächt die quer gestreiften Muskeln. Betroffen sind vor allem die Augenlider und die äußeren Augenmuskeln (Auftreten von Doppelbildern) sowie die Kau- und Rachenmuskulatur (Kau- und Schluckstörungen). Typisch ist, dass sich die Beschwerden bei Belastung verschlimmern. Bei einer myasthenischen Krise kann auch die Atemmuskulatur beeinträchtigt sein und Atemnot auftreten.

Es wird vermutet, dass der Thymus bei der Entstehung der Myasthenia gravis eine wichtige Rolle spielt, denn er ist bei vielen Betroffenen vergrößert. In manchen Fällen beeinflusst deshalb die operative Entfernung des Thymus den Krankheitsverlauf positiv. Auch ein Thymom kann eine Myasthenia gravis hervorrufen, indem es jene Autoantikörper produziert, die den eigenen Körper angreifen.

Di-George-Syndrom

Bei dieser angeborenen Krankheit liegt ein Fehler auf dem Chromosom 22 bzw. 10 vor. Neben zum Beispiel Herzfehlern haben Kinder mit dieser Krankheit entweder nur eine schwach ausgebildete (Thymushypoplasie) oder gar keine Thymusdrüse (Thymusaplasie). Die T-Zellen können nicht heranreifen, deswegen ist das Immunsystem geschwächt. Je nachdem, wie stark das Syndrom ausgeprägt ist, sind die Kinder etwas anfälliger für Infektionskrankheiten oder ihnen ständig ausgeliefert.

In solchen Fällen wird versucht, reife T-Zellen von einem passenden Spender (zum Beispiel einem Geschwister) zu übertragen. In Amerika testet man eine neue Therapieform, bei der Thymusgewebe von einem anderen Menschen transplantiert wird.

Multiple Sklerose

Multiple Sklerose (MS) ist eine schwerwiegende Autoimmunkrankheit, bei der die Immunzellen gesundes Nervengewebe angreifen und zerstören. Sie beruht auf einem Fehler in der Immunabwehr, die eigentlich nur körperfremde Zellen vernichten soll. Und zwar sorgen sogenannte regulatorische T-Zellen normalerweise dafür, dass unser Immunsystem körpereigene Zellen erkennt und verschont.

Bei MS-Patienten ist der Thymus anscheinend nicht in der Lage, ausreichend neue regulatorische T-Zellen zu produzieren. Dieser Mangel wird durch die Vermehrung älterer T-Zellen kompensiert, die aber nicht mehr so wirksam sind und den Angriff auf die körpereigenen Nervenzellen nicht verhindern können.

Thymus als Medikament

Bei der Behandlung bestimmter Krebserkrankungen, zum Beispiel von Brustkrebs oder des kolorektalen Karzinoms, werden seit einiger Zeit Präparate verwendet, die Eiweißstoffe aus der Thymusdrüse von Kälbern enthalten. Diese Thymuspeptide werden meist parallel zur Strahlen- oder Chemotherapie verabreicht.

Untersuchungen haben ergeben, dass dadurch wichtige Organe wie das Knochenmark oder der Magen-Darm-Trakt weniger stark geschädigt werden.

Wie kann ich meine Thymusdrüse unterstützen?

Die Thymusdrüse ist ein wichtiger Bestandteil unseres Immunsystems: Durch eine ausgewogene Ernährung und ausreichende Bewegung stärken Sie Ihre körpereigene Abwehr und damit indirekt auch den Thymus.

Wenn Sie das Gefühl haben, Ihr Immunsystem braucht einen besonderen "Kick", machen Sie es doch einfach mal wie Tarzan: Klopfen Sie sich mit einer Faust eine Minute lang leicht (!) auf Ihr Brustbein. So regen Sie Ihre Thymusdrüse an.