desorientierte Frau mit Korsakow-Syndrom
© Getty Images/fotografixx (Symbolfoto)

Korsakow-Syndrom – die Alkoholdemenz

Von: Roxana Männle (Studentin der Humanmedizin)
Letzte Aktualisierung: 26.09.2022 - 15:26 Uhr

Bei langjährigem, starkem Alkoholkonsum ist nicht nur mit einer belasteten Leber zu rechnen, auch das Gehirn kann durch die Sucht bleibend geschädigt werden. Ähnlich wie bei altersbedingten Demenzerkrankungen kann es beim Korsakow-Syndrom zu starker Beeinträchtigung des Gedächtnisses und der Merkfähigkeit kommen. Was ist Morbus Korsakow, welche Symptome verursacht die Erkrankung und wie erfolgt die Therapie? Das und mehr lesen Sie hier.

Definition: Was ist das Korsakow-Syndrom?

Das Korsakow-Syndrom, auch Morbus Korsakow genannt, ist eine Schädigung des Gehirns mit ausgeprägten Gedächtnisstörungen, die oft Folge einer langjährigen Alkoholsucht ist. Häufig tritt das Korsakow-Syndrom im Anschluss an eine sogenannte Wernicke-Enzephalopathie auf – eine Hirnerkrankung, die durch einen Vitamin-B1-Mangel ausgelöst wird. Diese kann ebenfalls im Zusammenhang mit einem chronischen Alkoholmissbrauch entstehen. Das Auftreten beider Erkrankungen steht also oft in Zusammenhang, man spricht dann vom Wernicke-Korsakow-Syndrom.

Ursache des Korsakow-Syndroms ist der Mangel an Vitamin B1. Die Vitaminmangelerscheinung beeinträchtigt die Stoffwechselvorgänge im Gehirn und es kommt infolge eines Zelluntergangs zu neurologischen Funktionsstörungen, die sich beim Korsakow-Syndrom vor allem in der Beeinträchtigung des Kurzzeitgedächtnisses bemerkbar machen.

Das Korsakow-Syndrom kann aber auch im Rahmen anderer Hirnschäden auftreten, zum Beispiel durch Infektionen (Herpesenzephalitis), Schädel-Hirn-Traumen, Blutungen im Gehirn oder nach einer Kohlenmonoxid-Vergiftung.

Was ist eine Wernicke-Enzephalopathie?

Symptome des Korsakow-Syndroms

Durch folgende Symptome macht sich Morbus Korsakow bemerkbar:

  • Desorientierung
  • hochgradige Gedächtnisstörungen
  • verminderte Merkfähigkeit
  • Unvermögen, Gedächtnisinhalte (zum Beispiel biographische Erinnerungen) in einen korrekten Zusammenhang zu bringen
  • Konfabulationen: unbeabsichtigtes Erfinden von Informationsinhalten
  • Antriebsminderung
  • Rückzug von der Außenwelt
  • distanziertes oder gleichgültiges Verhalten durch Verlust der Fähigkeit, Gefühle zu zeigen (Affektverflachung)
  • verminderte Kritikfähigkeit

Hauptsymptom Orientierungsstörung

Ein besonders auffälliges Anzeichen des Korsakow-Syndroms ist die ausgeprägte Orientierungsstörung. Betroffenen verlieren die Fähigkeit, sich zur zeitlichen und örtlichen Situation oder zu ihrer eigenen Person äußern zu können. Das kann Ausprägungen annehmen, in denen sie nicht mehr wissen, welcher Tag oder welches Jahr heute ist, an welchem Ort sie sich momentan befinden und wie sie zu diesem Ort oder in diese Situation gelangt sind. Zuletzt geht auch zunehmend das Wissen zur eigenen Person verloren, zum Beispiel wer sie selbst sind oder welchen Beruf sie ausüben.

Amnestisches Syndrom: Wenn das Erinnerungsvermögen nachlässt

Die verschiedene Ausprägung der Gedächtnisstörungen sind im sogenannten amnestischen Syndrom zusammengefasst. An Morbus Korsakow Erkrankten fällt es sowohl schwer, sich an ältere Gedächtnisinhalte aus der Vergangenheit zurückzuerinnern (retrograde Amnesie), als auch, sich neue Informationen merken zu können (anterograde Amnesie). Die anterograde Amnesie erschwert zudem das Erlernen neuer kognitiver Fähigkeiten. Typischerweise ist beim Korsakow-Syndrom das Kurzzeitgedächtnis besonders ausgeprägt betroffen. Nach wenigen Minuten können zuvor gelernte Inhalte nicht mehr wiedergegeben werden. Das Sekundengedächtnis sowie das Bewusstsein sind hingegen ungestört.

Zudem kann es zum Auftreten von Zeitgitterstörungen kommen. Verschiedene Gedächtnisinhalte können dabei nicht mehr in chronologisch richtiger Abfolge eingeordnet werden.

Da sich die Erkrankten oft nicht über ihre Gedächtnisstörung bewusst sind, neigen sie häufig dazu, ihre Gedächtnislücken durch erfundenen Inhalt zu füllen. In der Medizin beschreibt man dieses Phänomen als Konfabulation. Es handelt sich dabei jedoch nicht um bewusstes Lügen gegenüber anderen, sondern die Betroffenen glauben selbst an den Wahrheitsgehalt ihrer Erzählungen.

Auch wenn das Korsakow-Syndrom häufig als Alkoholdemenz bezeichnet wird, gehört das amnestische Syndrom nicht zu den Demenzerkrankungen, da keine intellektuellen Störungen vorkommen beziehungsweise nicht im Vordergrund des Syndroms stehen.

Wie beeinflusst Morbus Korsakow das soziale Leben?

Betroffene der Korsakow-Erkrankung leiden nicht nur unter den Schwierigkeiten der Gedächtnisstörungen. Bei Beeinträchtigung der Frontalhirnfunktion kann es auch zu Antriebsmangel und verminderter Intensität gezeigter Gefühle kommen. Umstehende empfinden die Korsakow-Erkrankten oft als in sich gekehrt und vom Geschehen der Außenwelt distanziert.

Häufig wird auch eine geringere Spontaneität, eine Depression oder Aggressivität beobachtet, was vermutlich auf die langjährige Alkoholabhängigkeit zurückzuführen ist.

Wernicke-Enzephalopathie verursacht weitere Symptome

Das Korsakow-Syndrom entwickelt sich häufig aus einer unbehandelten Wernicke-Enzephalopathie, welche einen neurologischen Notfall durch chronischen Vitmamin-B1-Mangel darstellt. Bei vorrausgehender Wernicke-Enzephalopathie können je nach Schädigungsort im Gehirn folgende weiteren Symptome auftreten:

  • Verwirrtheit
  • Bewusstseinsstörungen
  • Störungen der Augenbewegungen
  • Gangbild-Veränderung durch Störungen der Bewegungskoordination (Ataxie)
  • Fehlregulationen des vegetativen Nervensystems: Abfall der Körperkerntemperatur, Blutdruckabfall

Ursachen: Wie entsteht das Korsakow-Syndrom?

Das Korsakow-Syndrom entsteht auf dem Boden eines länger bestehenden Vitamin-B1-Mangels (Thiamin-Mangel), wie er häufig durch eine langjährige Alkoholabhängigkeit hervorgerufen wird. Dabei ist es nicht unbedingt der Alkohol selbst, der die schädigende Wirkung aufs Gehirn zur Folge hat, sondern die durch den Alkoholkonsum mangelnde ausgewogenen Ernährung mit Vitamin-B1-haltigen Lebensmitteln. Zusätzlich verringert der Alkohol aber auch die Aktivität von Enzymen, die das Vitamin B1 erst in seine wirkungsvolle Form bringen.

Der Mangel an dem auch als Thiamin bezeichneten Vitamin kann aber auch unabhängig vom Alkohol durch eine Resorptionsstörung verursacht werden. Diese kann im Rahmen von bösartigen Tumoren, operativen Eingriffen im Magen-Darm-System oder bei Anorexie durch Mangel- oder Fehlernährung bedingt sein. Auch übermäßiges Erbrechen verringert die Thiamin-Aufnahme im Darm, ebenso wie die parenterale Ernährung von Intensivstation-Patient*innen über Infusionen.

Warum ist Vitamin B1 so wichtig für das Gehirn?

Thiaminpyrophosphat, die aktive Form von Thiamin, fungiert als "Hilfsenzym" des Kohlenhydratstoffwechsels. Durch einen Mangel an dem Vitamin können Kohlenhydrate nicht mehr im gewohnten Umfang vom Körper abgebaut werden. Es kommt zu Störungen des zerebralen Energiestoffwechsel und dem Untergang wichtiger Neurone im Gehirn. Die betroffenen Gehirnregionen verkümmern.

Neben den thalamischen Kerngebieten des Gehirns ist vor allem die für Gedächtnisleistung und Lernvorgänge wichtige Corpora mamillaria betroffen, ein Teil des Hypothalamus, der infolge von Einblutungen zu schrumpfen beginnt.

Diagnostik des Korsakow-Syndroms

Im Vordergrund der Diagnosestellung stehen vor allem das klinische Erkrankungsbild der für Morbus Korsakow typischen Symptome und das Vorliegen von einen Vitamin-B1-Mangel verursachenden Risikofaktoren wie ein langjähriger Alkoholmissbrauch. Darüber liefert meist schon eine ausführliche Anamnese mit der betroffenen Person selbst und eventuell den Angehörigen oder Pflegekräften Auskunft.

Um ein Bild über den neurologischen Status der Person zu gewinnen, werden verschiedene neuropsychologische Tests durchgeführt. Diese Tests umfassen unter anderem biographische Fragen und prüfen das Wissen über aktuelle Ereignisse. Die untersuchte Person muss sich Wortlisten merken und diese später wieder abrufen können. Dadurch kann der*die Arzt*Ärztin erkennen, welche Formen von Gedächtnisstörungen vorliegen und sie von anderen ähnlichen Erkrankungen, wie der Alzheimer-Demenz, unterscheiden.

In der MRT (Kernspintomographie) kann zusätzlich die durch Rückbildung charakteristische verkleinerte Corpora mamillaria nachgewiesen werden. Jedoch schließen hier unauffällige Befunde die Erkrankung Morbus Korsakow nicht aus, weswegen sich die Diagnose hauptsächlich nach dem symptomatischen Bild und der Anamnese richtet.

Der verursachende Vitamin-B1-Mangel kann ebenfalls bei einer Blutentnahme durch verminderte Konzentration von Thiamin nachgewiesen werden.

Behandlung des Wernicke-Korsakow-Syndroms

Für ein ausgeprägtes Korsakow-Syndrom gibt es keine krankheitsspezifische Therapie. Die vorausgehende Wernicke-Enzephalopathie kann jedoch mit einer hochdosierten intravenösen Thiamin-Gabe behandelt werden. Es sollte schon bei Verdacht mit der Behandlung begonnen werden, da das unbehandelte Fortschreiten der Erkrankung zum Korsakow-Syndrom die Heilungschancen immens verschlechtert.

Im weiteren Verlauf kann dann auf eine orale Vitamingabe umgestiegen werden. Zudem erfolgt ein Rehabilitations-Training zur Verbesserung der neuropsychologischen Funktionen.

Ein wichtiger Baustein der Therapie, um einer weiteren Schädigung der kognitiven Leistung vorbeugen zu können, besteht in der Änderung der Ernährungsgewohnheiten hin zu einer ausgewogenen Ernährung, die alle wichtigen Nährstoffe und Vitamine abdeckt. Thiamin findet sich unter anderem in Schweinefleisch, Kartoffeln, Vollkorngetreide, Haferflocken und Nüssen.

Wie lange kann man mit dem Korsakow-Syndrom leben?

Das Korsakow-Syndrom besitzt keine gute Langzeitprognose, die Lebenserwartung hängt jedoch stark vom Ausmaß der bereits entstandenen Hirnschäden ab. Durch eine umgehende Alkohol-Abstinenz und Umstellung auf eine ausgewogene Ernährung ist es möglich, dass sich Kurzzeitgedächtnisstörungen zurückbilden können, aber eine vollständige Heilung kann dadurch nicht garantiert werden.

Die Sterblichkeit unter optimaler Therapie bei der Wernicke-Korsakow-Erkrankung liegt bei 15 bis 20 Prozent. Eine Besserung nach Therapie tritt bei rund einem Siebtel der Betroffenen ein.

Pflege von Korsakow-Erkrankten

Da oft erst verzögert oder bereits zu spät die Diagnose gestellt wird, können bleibende Beeinträchtigungen zu starker Einschränkung der Selbstständigkeit im Alltag führen, sodass Betroffene Betreuung durch Angehörige oder Pflegeheime benötigen. Der Umgang mit Korsakow-Erkrankten im Endstadium ist häufig nicht einfach, und Pflegende benötigen in der Regel die Hilfe von auf die Krankheit geschultem Personal.

Neben den spezifischen Symptomen des Korsakow-Syndroms haben die Betroffenen zudem oft durch den langjährigen Alkoholmissbrauch auch mit weiteren organspezifischen Folgen zu kämpfen. Häufig sind Leberschäden wie eine Fettleber bis hin zur Leberzirrhose, aber auch eine alkoholbedingte Polyneuropathie kann sich zusätzlich ausbilden.

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