Logopädin übt Sprechen mit einem Kind
© iStock.com/dragana991

Logopädie – Hilfe beim Sprechen & bei Sprachstörungen

Von: Sigrid Born (Medizinautorin)
Letzte Aktualisierung: 22.07.2020 - 18:24 Uhr

Wie selbstverständlich doch der Mensch spricht: Sprache ist das Hauptinstrument der Kommunikation. Daneben unterstützt es die Wahrnehmung, das Denken und das Gehirn beim Lösen von Problemen. Über 100 Muskeln und etliche Organe sind beim Sprechen im Einsatz. Wenn Kinder nicht richtig sprechen lernen oder bei Erwachsenen durch Krankheit das Sprechen gestört ist, dann kommt die Logopädie zum Einsatz.

Logopädie bei Sprachstörungen

Wenn Kinder nicht richtig sprechen lernen oder Erwachsenen – etwa durch Krankheiten – Probleme mit dem Sprechen haben, dann kann die Logopädie helfen. Welche Sprachstörungen es gibt und wie Logopädie helfen kann, erklären wir im Folgenden.

Sprachstörungen bei Kindern

Zu den "klassischen" Sprachentwicklungsstörungen bei Kindern gehören Störungen der Lautbildung, also der Aussprache – das Lispeln etwa, das als mildeste Sprachstörung gilt. Stottern und andere kindliche Redeunflüssigkeiten gehören ebenfalls dazu.

Sprachstörungen bei Erwachsenen

Unter Sprachstörungen bei Erwachsenen versteht man den Verlust der Fähigkeiten, Begriffe in Wort oder Schrift umzusetzen oder/und Gesprochenes oder Geschriebenes begrifflich erfassen zu können. Man unterscheidet verschiedene Formen von Sprachstörungen. Die häufigste Ursache ist jedoch eine Durchblutungsstörung beziehungsweise seltener die Blutung in bestimmten Hirnregionen.

Sprachstörungen bei Erwachsenen haben ihre Ursache in Krankheiten wie zum Beispiel Parkinson, Schlaganfall oder nach Unfällen mit Hirnverletzungen.

Sprachprobleme durch Parkinson oder einen Schlaganfall

Ein häufiges Symptom bei Parkinson ist die sogenannte Dysarthrie: undeutliches, eher leises Sprechen. Denn bei Parkinson ist der gesamte Sprechapparat weniger beweglich, die Lautbildung ist erschwert und führt zu einer genuschelten und monotonen Artikulation. Die Atmung geht unregelmäßig. Viele Parkinsonkranke leiden unter einem hastigen Sprechtempo, das immer schneller wird.

Nach einem Schlaganfall können viele Patientinnen und Patienten gar nicht mehr sprechen – Aphasie heißt diese "Sprachlosigkeit", von der es verschiedene Arten gibt. Typische Merkmale können zum Beispiel Wortfindungsstörungen, Sprachverständnisstörungen und ein gestörter Redefluss sein. Außerdem sind Schluckstörungen häufig.

Sprechen lernen ist ein Prozess

Tatsächlich spricht man bei einem normalen Gespräch etwa 120 Wörter pro Minute. Jedes Wort, jeder Laut beansprucht eine andere Koordination und Position der beteiligten Muskeln und Organe.

Das Sprechen ist eine sehr komplexe Tätigkeit, die bei Kindern im Alter zwischen vier und fünf Jahren abgeschlossen ist. Es ist also ein langer Weg vom ersten "Dada" der Einjährigen bis zum perfekten "schön" bei Fünfjährigen.

Ein wichtiges Organ ist der Kehlkopf (Larynx), der beim Menschen etwas tiefer liegt als bei anderen Säugetieren. Er besteht aus Knorpeln, Sehnen und Muskeln. Während der ersten zwei Lebensjahre liegt der Larynx jedoch noch höher. Dadurch können Kinder gleichzeitig schlucken und atmen. Erst das spätere Absinken ermöglicht das Sprechen.

Parallel dazu lernen Kinder eine neue Atemtechnik: Zur Zwerchfellatmung kommt die Brustatmung, aus der sich dann die sogenannte Sprechatmung entwickelt. Bei der Sprechatmung braucht man ein größeres Volumen an Luft, die schnell ein- und langsam wieder ausgeatmet wird.

Wie funktioniert Sprechen?

Atmung, Stimmgebung und Aussprache bilden den Sprechvorgang. Der ganze Körper arbeitet dabei mit – über 100 Muskeln wirken zusammen. Die Koordination wird vom Gehirn gesteuert.

Um einen Laut zu erzeugen, atmet man erst ein. Zum Sprechen wird Luft aus der Lunge durch die Luftröhre zum Kehlkopf gedrückt, hier befinden sich die Stimmlippen. Sie bestehen aus einem Paar schmaler Muskelbänder und befinden sich im Kehlkopf.

Bei leichter Spannung dieser Muskeln und gleichzeitigem Ausströmen von Luft fangen diese Muskelbänder an zu vibrieren. Das ist die Stimmgebung oder Phonation.

Der Ton, der hier entsteht, erhält seinen Klang durch die Resonanzräume, die oberhalb des Kehlkopfes liegen im Rachen-, Mund- und Nasenraum – und durch die Aussprache – die Artikulation.

Was Logopädie leistet

Da die Stimme ein wichtiger Schlüssel zur Verbesserung des Sprechens von Parkinson-Betroffenen ist, üben Logopäden unter anderem die Lautstärke. Wichtige Grundübungen sind zum Beispiel ein tiefes Einatmen. Dann hält man mit weit geöffnetem Mund auf einem A in mittlerer Tonlage einen Ton so laut, lange und gleichmäßig wie möglich. Dazu sollte man beide Hände fest auf die Armlehnen oder die Sitzfläche des Stuhls drücken, während man den Ton hält.

Bewusst laut spricht der Patient Wörter wie "Hallo", "Gute Nacht", "Auf Wiedersehen." Lautes Lesen und bewusstes Erzählen helfen nach und nach, die Aussprache wieder zu verbessern und den Patienten Selbstbewusstsein zu vermitteln, damit er wieder aktiv an der Kommunikation teilnimmt.

Schon kurz nach einem Schlaganfall sollten die ersten sprachlichen Übungen beginnen, und nach vier bis sechs Wochen kann die gezielte Therapie einsetzen. In fast allen neurologischen Reha-Kliniken gehört die Logopädie zum Standardangebot und die sprachtherapeutische Versorgung erfolgt automatisch.

Weitere Aufgabengebiete der Logopädie

Logopädinnen und Logopäden untersuchen und behandeln nicht nur Menschen mit Sprach-, Sprech-, und Stimmstörungen, auch Schluckstörungen und Gesichtslähmungen gehören dazu. Manche Säuglinge und Kleinkinder haben Ess- und Trinkschwierigkeiten oder zentralmotorische Körperbehinderungen, die mithilfe der Logopädie therapiert werden.

Mehrsprachige Kinder

Logopäden beraten Eltern in Fragen der Mehrsprachigkeit. In Deutschland leben in Deutschland mittlerweile mehr als 15 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, das heißt, sie wachsen mehrsprachig auf. Es kann vorkommen, dass ein mehrsprachiges Kind anfangs die verschiedenen Sprachen miteinander vermischt.

Hier rät der Deutsche Bundesverband für Logopädie e.V. den Eltern, dass sie in einer konkreten Sprechsituation nicht zwischen verschiedenen Sprachen wechseln sollten. "Die Kinder dürfen selbst entscheiden, in welcher Sprache sie sprechen. Sie werden sich oft für die Sprache entscheiden, die sie – zu dem jeweiligen Zeitpunkt – besser beherrschen. Wichtig ist, den Kindern Kontakte zu Personen zu ermöglichen, die die weniger geübte Sprache sprechen, um auch diese lebendig zu halten."

Kinder, die im Elternhaus nur wenig mit der deutschen Sprache in Berührung kommen, sollten unbedingt eine Kindertagesstätte besuchen. "Kinder lernen am besten, wenn Lernen nicht als anstrengend empfunden wird. Deshalb hilft es auch mehrsprachig aufwachsenden Kindern am meisten, wenn Eltern mit ihnen im Alltag in ganz normalen Sätzen reden und spielen. Keinesfalls sollten sie mit ihren Kindern üben. Denn erst einmal ist wichtig, was die Kinder sagen, nicht so sehr, wie sie es sagen."