Ärztin berät Patient mit Multiplem Myelom (Plasmozytom)
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Multiples Myelom und Plasmozytom: Was steckt dahinter?

Von: Yannis Diener (Arzt)
Letzte Aktualisierung: 19.02.2021 - 10:10 Uhr

Das Multiple Myelom wird auch Morbus Kahler, Kahler-Krankheit oder (umgangssprachlich) Plasmozytom genannt und ist eine Form des Knochenmarkkrebs. Betroffene merken in der Regel erst im späteren Verlauf der Krankheit, dass sie an einem Multiplen Myelom leiden. Knochenschmerzen oder eine Blutarmut sind die häufigsten Symptome. Durch eine Blutuntersuchung kann die Diagnose eines Morbus Kahler gestellt werden. In den letzten Jahren gab es große Fortschritte mit neuen Therapiekonzepten, was zu einer höheren Lebenserwartung beigetragen hat. Lesen Sie hier, wie ein Multiples Myelom entsteht, was die typischen Symptome sind und welche Behandlungsmöglichkeiten existieren.

Was ist ein Multiples Myelom?

Das Multiple Myelom ist eine Krebserkrankung, bei der die Plasmazellen des Knochenmarks betroffen sind. Diese Plasmazellen gehören zu den weißen Blutkörperchen und sind ein Bestandteil des körpereigenen Immunsystems.

Das Multiple Myelom gehört zur Gruppe der Lymphome. Unter Lymphomen fassen Mediziner eine Reihe von unterschiedlichen, bösartigen Tumoren zusammen, die aus Zellen des lymphatischen Systems entstehen. Zum lymphatischen System zählen alle Lymphbahnen sowie verschiedene lymphatische Organe, etwa die Lymphknoten, die Milz oder die Thymusdrüse.

Umgangssprachlich spricht man auch von Knochenmarkkrebs (oder fälschlicherweise auch von Knochenkrebs), da die Zellen des lymphatischen Systems im Knochenmark entstehen und dort heranreifen.

Was entsteht ein Multiples Myelom?

Um die Ursache eines Multiplen Myeloms besser zu verstehen, müssen wir einen genaueren Blick in unser Knochenmark werfen. Dort befinden sich unreife Stammzellen des lymphatischen Systems, die sich durch einen Reifungsprozess in sogenannte B- oder T-Zellen verwandeln können. Diese beiden Zellen sind elementar wichtig für unser Immunsystem, da sie an der Bekämpfung von Erregern beteiligt sind. So wandeln sich B-Zellen im Rahmen einer Immunreaktion in Plasmazellen um, die spezifische Antikörper herstellen, damit Eindringlinge gezielter bekämpft werden können.

Passiert ein Fehler bei der Zellteilung und es entsteht eine entartete Plasmazelle, kann daraus ein Multiples Myelom entstehen. Es bilden sich weitere "Klone" dieser entarteten Zelle. Diese Plasmazellen produzieren massenhaft unwirksame Antikörper und verdrängen andere, gesunde Zellen aus dem Knochenmark. Aus den funktionsunfähigen Plasmazellen entstehen verschiedene Tumore, also bösartige Wucherungen, im Knochenmark. Dies hat Folgen für verschiedenste Funktionen des Körpers – weshalb es bei einem Multiplen Myelom zu vielfältigen Symptomen kommen kann.

Wie entsteht ein Plasmozytom?

Die Begriffe Plasmozytom und Multiples Myelom werden manchmal synonym verwendet. Streng genommen handelt es ich dabei aber um zwei unterschiedliche Krankheiten. Während sich bei einem Plasmozytom ein einzelner, klar abgegrenzter Tumor bildet, der auch außerhalb des Knochenmarks auftreten kann (extramedullär), so befallen die entarteten Plasmazellen beim Multiplen Myelom viele Stellen des Skeletts, es kommt also zu mehreren kleinen Tumoren im Knochenmark.

Beide Formen, sowohl das Multiple Myelom als auch das Plasmozytom, gehören zur Gruppe der Non-Hodgekin-Lymphome, welche ungefähr 30 verschiedene Lymphom-Erkrankungen zusammenfasst.

Ursachen: Was sind Auslöser für Myelome?

Das Multiple Myelom ist eine recht seltene Erkrankung. Man geht davon aus, dass es im Jahr drei bis vier neue Erkrankungsfälle pro 100.000 Einwohner in Deutschland gibt (Inzidenz). Die Betroffenen sind zum Zeitpunkt der Diagnose durchschnittlich 70 Jahre alt.

Die genaue Ursache, warum sich die Plasmazellen verändern und ein Morbus Kahler entsteht, ist noch unbekannt. Mögliche Risikofaktoren sind radioaktive Strahlung oder bestimmte Immunerkrankungen (angeborene Immundefekte, einige Autoimmunerkrankungen, HIV).

Ist ein Multiples Myelom vererbbar?

In den Leitlinien zum Multiplen Myelom wird beschrieben, dass eine familiäre Häufung und damit eine Vererbbarkeit selten ist. Ganz ausgeschlossen werden kann es aber nicht, da Verwandte ersten Grades ein erhöhtes Risiko für die Ausbildung eines Multiplen Myeloms haben.

Außerdem wurde festgestellt, dass die Inzidenz (neu aufgetretene Erkrankungen im Jahr) bei der schwarzen Bevölkerung der USA im Vergleich zur kaukasischen Bevölkerung doppelt so hoch ist.

Was sind Symptome eines Multiplen Myeloms?

Ein Multiples Myelom kann lange Zeit symptomlos bleiben. Entwickeln sich im Verlauf der Erkrankung Symptome, sind diese sehr vielfältig. Einige davon sind:

  • Knochenschmerzen
  • Blutarmut: Diese macht sich in der Regel durch Blässe, Abgeschlagenheit, Müdigkeit, Luftnot bei Belastung und Kopfschmerzen bemerkbar
  • Infektanfälligkeit, da die Anzahl an funktionsfähigen weißen Blutkörperchen abnimmt
  • schäumender Urin
  • Nierenfunktionsstörung, die sich als vermehrte Wasseransammlung im Gewebe (Ödem) zeigen kann
  • B-Symptomatik: Unter diesen Begriff fassen Mediziner drei Symptome zusammen:
    • Fieber
    • Nachtschweiß
    • Gewichtsverlust

Die Früherkennung des Multiplen Myeloms anhand der Symptome ist schwierig. Die häufigsten Beschwerden sind Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule, die häufig zunächst für Rückenschmerzen gehalten werden. Das Multiple Myelom breitet sich anfangs in den Knochen aus. Dies führt zu einer Ausdünnung der Knochensubstanz, was Knochenbrüche begünstigt.

Wie stellt der Arzt die Diagnose?

Da das Multiple Myelom teils sehr unspezifische Symptome verursachen kann, wird die Diagnose meist über die Blutwerte gestellt. Daneben können jedoch auch die Untersuchung des Urins sowie weitere Untersuchungen bei der Diagnostik eines Multiples Myeloms eine Rolle spielen.

Blutuntersuchung

Den ersten Hinweis liefert häufig die Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG). Bei dieser wird beobachtet, wie schnell die roten Blutkörperchen in einem speziellen Blutröhrchen innerhalb von einer Stunde nach unten sinken. Erhöhte BSG-Werte sprechen für entzündliche Vorgänge im Körper.

Weiterhin können ein erhöhter Kalziumwert und eine Armut an roten und weißen Blutkörperchen sowie Blutplättchen auffallen. Den letzten Umstand bezeichnet man auch als Panzytopenie.

Eine weitere Blutuntersuchung ist die Immunfixationselektrophorese. Bei dieser Untersuchung werden Proteinbestandteile im Blut nach ihrer Größe sortiert. Man unterscheidet zwischen fünf verschiedenen Fraktionen. Beim Multiplen Myelom kann man in der Serumelektrophorese feststellen, dass die letzte Fraktion, die sogenannte gamma-Fraktion, welche die Antikörper enthält, abnormal erhöht ist. Dies wird in der Labormedizin als Monoklonale Gammopathie bezeichnet.

Urinuntersuchung

Im Urin weist man bei vielen Betroffenen eine sogenannte Bence-Jones-Proteinurie nach. Die entarteten Plasmazellen produzieren massenhaft unwirksame Antikörper, die auch über den Urin ausgeschieden werden. Antikörper bestehen aus Proteinen, die in zu hoher Konzentration den Urin zum Schäumen bringen.

Weitere Untersuchungen

Neben den Blut- und Urin Untersuchungen werden weitere Untersuchungen durchgeführt. Dazu zählen apparative Verfahren, wie ein Niedrig-Dosis-CT (Computertomografie), bei dem nur wenig Röntgenstrahlung und kein Kontrastmittel benötigt werden. Diese Untersuchung dient dazu, Stellen im Skelettsystem zu entdecken, in denen das Knochenmaterial sich schon stark aufgelöst hat (Osteolyse). Außerdem hilft das CT dabei, das Krankheitsstadium besser einschätzen zu können. Mitunter wird auch ein MRT (Magnetresonanztomografie oder Kernspintomografie) durchgeführt.

Um die Diagnose aber final zu stellen, müssen die Ärzte eine Biopsie beziehungsweise Knochenmarkpunktion (also eine Entnahme von Knochenmark des Beckenknochens mit einer Art Stanze) durchführen, damit sie das gewonnene Material unter dem Mikroskop untersuchen können.

Stadium entscheidend für Behandlung

Nach der Diagnose des Multiplen Myeloms erfolgt die Einteilung in die Stadien. Dafür werden viele Diagnosekriterien zusammengefasst. So fließt beispielsweise ein, ob es sich um ein Plasmozytom mit einem Tumor oder ein Multiples Myelom mit verschiedenen Tumorherden handelt oder ob bereits Symptome auftreten. Danach richtet sich auch die Auswahl der Therapie.

Therapie des Multiplen Myeloms

Die Therapie bei einem Multiplen Myelom ist immer höchst individuell. Je nach Zustand des Patienten und Verlauf der Erkrankung kommen folgende Behandlungsmaßnahmen (teils auch in Kombination) in Betracht:

  • engmaschige Überwachung ohne Therapie bei symptomlosen Patienten
  • Hochdosis-Chemotherapie in fortgeschrittenen oder schnell fortschreitenden Fällen
  • Autologe Knochenmarksspende: Hierbei wird dem Patienten vor der Chemotherapie Knochenmark entnommen und danach wieder transplantiert.
  • Erhaltungstherapie: Nach der Hochdosis-Chemotherapie kann eine sogenannte Erhaltungstherapie mit Revlimid® durchgeführt werden. Diese dient dazu, die therapeutischen Erfolge, die bei der Chemotherapie erreicht wurden, über längere Zeit zu erhalten. Revlimid®, welches den Wirkstoff Lenalidomid enthält, hemmt die Entwicklung von Tumorzellen.
  • Strahlentherapie, um Knochenschmerzen zu reduzieren
  • Gabe von knochenaufbauenden Medikamenten, wie Bisphosphonaten
  • Bluttransfusionen

Die aufgeführten Therapiemöglichkeiten sind nur eine Auswahl und treffen nicht auf jeden Patienten zu. Welche Therapie im jeweiligen Fall geeignet ist, sollte der behandelnde Arzt mit der betroffenen Person besprechen.

Welche Ernährung ist beim Multiplen Myelom / Plasmozytom ratsam?

Viele Krebserkrankungen führen zu einem großen Gewichtsverlust. Auch die Chemotherapie ist eine Belastung für den Körper, weshalb man bei Krebs generell eine vollwertige, ausgeglichene Kost empfiehlt. Viel Obst und Gemüse sowie Vollkornprodukte und eine ausreichende Eiweißzufuhr sind Bestandteil einer solchen Ernährung.

Nahrungsergänzungsmittel und andere Supplemente sollten mit dem behandelten Arzt abgeklärt werden.

Wie kann man die Behandlung noch unterstützen?

Weitere ergänzende Möglichkeiten, um die Lebensqualität zu verbessern, sind zum Beispiel eine angemessene Schmerztherapie und ein ausreichender Impfstatus, um sich vor Infektionen zu schützen.

Aber auch Selbsthilfegruppen, in denen Betroffene ihre Erfahrungen mit der Erkrankung austauschen können, sind eine sinnvolle Ergänzung zu den Therapiemaßnahmen.

Kann man Knochenkrebs heilen?

Ziel der Behandlung ist, den Krankheitsverlauf soweit zu stoppen, dass die Symptome möglichst verschwinden. Eine Heilung ist trotz verbesserter Therapie in der Regel nicht möglich. Vielmehr streben Mediziner eine Remission an. Dies bedeutet, dass die Krankheit nicht mehr nachweisbar ist und die Betroffenen möglichst beschwerdefrei sind. Dies ist aber nicht mit einer Heilung gleichzusetzen.

Die Überlebensrate und der Verlauf der Krankheit hängen von vielen Faktoren ab. Um eine optimale Therapie zu erhalten, empfiehlt es sich, spezialisierte Zentren aufzusuchen.

Prognose: Wie lange lebt man mit einem Multiplen Myelom / Plasmozytom?

Die Lebenserwartung ist beim Multiplen Myelom sehr variabel. Im Endstadium können es nur wenige Monate sein, während andere Betroffene mehr als zehn Jahre mit der Erkrankung leben. Die Prognose ist also nicht ganz einfach zu treffen und sehr individuell.

Ein wichtiger Faktor sind vorhandene Organschäden. Beim Multiplen Myelom spricht man nicht unbedingt von Metastasen, aber die Erkrankung kann neben dem Skelett auch andere Organe befallen: Zum Beispiel lagern sich im Rahmen einer Amyloidose Proteinfragmente (sogenannte Leichtketten), die aus den entarteten Plasmazellen stammen, im Körper ab und können zu einer Herzinsuffizienz führen.

In der Endphase der Erkrankung ist der Körper – und insbesondere das Immunsystem – stark geschwächt. Die Todesursache kann daher ein Infekt sein, oder ein akutes Nierenversagen. Woran man beim Multiplen Myelom stirbt, ist nie vorherzusagen.

Wie man besser mit dem Thema Sterben bei Krebserkrankungen umgehen kann, ist das Spezialgebiet der onkologischen Psychologen. Sie können Betroffenen in dieser schwierigen Situation zur Seite stehen.

In den letzten Jahren hat sich die Lebenserwartung der Betroffenen mit einem Multiplen Myelom oder einem Plasmozytom deutlich verbessert. Neue Medikamente und neue Therapiekonzepte wurden erfolgreich in die Praxis übergeführt. Zurzeit befinden sich darüber hinaus noch viele weitere neue Ansätze in der Erprobungsphase. Auch wenn das Multiple Myelom nicht heilbar ist, so besteht doch Grund zur Hoffnung, dass es in Zukunft noch besser therapiert werden kann.

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