Lobotomie
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Lobotomie

Von: Eva Wölbert
Letzte Aktualisierung: 28.06.2017 - 09:44 Uhr

Lobotomie (synonym: frontale Leukotomie) ist ein chirurgischer Eingriff in das Gehirn, bei dem bewusst Nervenfasern durchtrennt werden. Lobotomie wurde 1935 durch den portugiesischen Arzt Egas Moniz vorgeschlagen. Moniz vermutete, dass psychische Erkrankungen durch fehlerhafte Nervenfasern im Gehirn zustande kommen und aufrecht erhalten werden. Lobotomie sollte diese Verbindungen zerstören und das Entstehen neuer, gesunder Fasern ermöglichen.

Definition von Lobotomie

In der Regel sollte Lobotomie die Nervenfasern durchtrennen, die den vorderen Stirnlappen mit dem Rest des Gehirns verbinden. Hierzu wurde ein dünner Metallstab durch ein Loch im Schädel oder durch die Augenhöhle ins Gehirn eingeführt und dort hin und her geschoben. Lobotomie wurde ursprünglich zur Behandlung von Depressionen entwickelt, später jedoch bei vielen psychischen Erkrankungen eingesetzt.

Geschichte der Lobotomie

Aus heutiger Sicht erscheint Lobotomie als eine grobe, unwissenschaftliche und gefährliche Methode. Zur Behandlung schwerer psychischer Erkrankungen, wie Schizophrenie, wurde Lobotomie jedoch von vielen als nützlich angesehen. Psychiatrische Krankenhäuser waren überfüllt und schlecht geführt, wirksame Medikamente waren noch nicht gefunden. Alles, was eine Verbesserung der Symptome versprach, war willkommen.

Eine Lobotomie wurde dann durchgeführt, wenn die Folgen der Lobotomie im Vergleich zur Erkrankung als das kleinere Übel angesehen wurden. Im großen Stil durchgeführt wurde Lobotomie durch den amerikanischen Neurologen Walter J. Freeman, der Lobotomie (englisch lobotomy) seit den 1930er Jahren praktizierte und bis zu seinem Tod 1972 als wirksame Behandlungsmethode pries.

In der Tat veröffentlichte Freeman viele Erfolgsberichte über Patienten, die nach einer Lobotomie wieder selbständig leben konnten. Die negativen Folgen von Lobotomie scheint er in seinem Glauben an die Nützlichkeit der Lobotomie vernachlässigt zu haben.

Besonders kritisiert wird Freeman für Eingriffe, die er gegen den Willen von Patienten vorgenommen haben soll, und solche, in denen keine sorgfältige Abwägung von Nutzen und negativen Folgen der Lobotomie stattgefunden hat.

Lobotomie: Folgen

Systematische Langzeitstudien über die Folgen von Lobotomie fanden in der Tat Verbesserungen von psychiatrischen Symptomen: Unruhe und störendes Verhalten waren verringert. Allerdings berichteten die Studien auch erstmals systematisch über die gravierenden negativen Folgen von Lobotomie. Zu den regelmäßig beschriebenen Symptomen gehören:

  • Epileptische Anfälle
  • Bewegungseinschränkungen
  • Emotionale Probleme
  • Einschränkungen des Denkvermögens
  • Persönlichkeitsveränderungen
  • Apathie
  • Inkontinenz

Diese Lobotomie-Folgen prägten sogar die Krankheitsbezeichnung "Post-Lobotomie-Syndrom". Viele Angehörige von Lobotomie-Opfern verlangen heute die Aberkennung des Nobelpreises, den Egas Moniz 1949 für die Einführung der Lobotomie bekommen hat.

Psychochirurgie: Lobotomie heute

Lobotomie wurde seit der Einführung der ersten hochwirksamen Psychopharmaka in den 1950er Jahren immer seltener. In Deutschland wird sie seit den 1970er Jahren nicht mehr durchgeführt. Operationen am Gehirn als Behandlungsmethode für neurologische und psychische Erkrankungen gehören jedoch keineswegs der Vergangenheit an. In schweren Fällen von Epilepsie ist das gezielte Entfernen von Hirngewebe eine anerkannte Behandlungsmethode, und Patienten mit Parkinson werden heute Tiefenhirnstimulation empfohlen.

Hierbei wird eine Elektrode ins Gehirn eingesetzt, die eine bestimmte Region stimuliert und so Symptome von Parkinson mildern kann. Tiefenhirnstimulation wird heute auch zur Behandlung psychischer Erkrankungen wie Zwangsstörungen und Depressionen erforscht.

Lobotomie: Film und prominente Opfer

Das öffentliche Bild von Lobotomie ist vor allem geprägt durch die leeren Blicke von Jack Nicholson in "Einer flog über's Kuckucksnest" sowie aktuellere Filme wie "Sucker Punch" und "Shutter Island", in denen den Protagonisten eine Lobotomie droht.

Auch der Fall von John F. Kennedys Schwester Rosemary Kennedy machte Schlagzeilen. Sie wurde auf Wunsch des Vaters im Alter von 23 Jahren einer Lobotomie unterzogen; in der Folge dieser Lobotomie war ihre geistige und körperliche Gesundheit schwer beschädigt.