Frau schreibt Patientenverfügung
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Patientenverfügung – den Willen schwerstkranker Menschen respektieren

Von: Sigrid Born (Medizinautorin), Nadja Annerl (geb. Weber) (Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 24.01.2020 - 10:08 Uhr

Was ist, wenn man durch einen Unfall oder eine schwere Krankheit nicht mehr in der Lage ist, bei einer medizinischen Entscheidung mitzubestimmen? Mit einer Patientenverfügung, auch Patiententestament genannt, kann man zum Ausdruck bringen, dass man in Krankheitssituationen, die zum Tode führen werden, keine Behandlung wünscht, die das Leben künstlich verlängern würde. Es geht hierbei nicht um aktive Sterbehilfe – die ist in Deutschland gesetzlich verboten. Für viele Betroffene ist die Patientenverfügung jedoch eine Möglichkeit, selbstbestimmt, in Würde und ohne Schmerzen zu sterben.

Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung

Es gibt im Prinzip drei Möglichkeiten, für den Fall der Fälle vorzusorgen.

  1. Mit einer Patientenverfügung bestimmt der Unterschreibende, welche medizinische Behandlung er in dem Fall haben will, in dem er nicht mehr äußerungsfähig ist.
  2. Mit einer Vorsorgevollmacht erteilt man einer Vertrauensperson Vollmacht in vermögensrechtlichen und persönlichen Angelegenheiten. Diese Person entscheidet dann, wenn man selbst dazu nicht mehr in der Lage ist.
  3. Mit einer Betreuungsverfügung gibt man dem Gericht eine Empfehlung, wer als Betreuer bestellt werden sollte. Das ist nur dann erforderlich, wenn man keine Vorsorgevollmacht erteilt hat.

Angst vor der Pflegebedürftigkeit

Über 900.000 Menschen sterben jährlich in Deutschland. Einer Umfrage von Infratest im Auftrag der Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung zufolge würde rund die Hälfte der Deutschen lieber den Freitod wählen, als zum Pflegefall zu werden. Demnach sehen 51 Prozent der Frauen und 49 Prozent der Männer einen Ausweg im begleiteten Suizid.

Die Angst vor der Pflegebedürftigkeit ist also bei vielen Menschen groß.

Wofür eine Patientenverfügung?

Eine Patientenverfügung bezieht sich auf den Sterbeprozess oder auf einen nicht mehr veränderbaren Ausfall lebenswichtiger Körperfunktionen mit absehbarer Todesfolge. Sie enthält Anweisungen zur Sterbebegleitung, wobei man einen möglichen Behandlungsverzicht – etwa Wiederbelebungsmaßnahmen – ausdrücklich benennen kann. Das bedeutet, auf eine lebensverlängernde Behandlung zu verzichten, wenn man unheilbar krank ist und sich im Sterben befindet.

Außerdem ist eine Palliativbehandlung gemeint, die die Abgabe von schmerzlindernden Medikamenten an tödlich erkrankte Menschen einschließt, auch wenn durch diese Medikamente als Nebenwirkung der Eintritt des Todes beschleunigt werden kann.

Rechtliche Situation: Was muss man wissen?

Seit dem 01. September 2009 ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) die Patientenverfügung rechtlich geregelt. Sie ist definiert als eine schriftliche Erklärung, die konkrete medizinische Behandlungen oder Eingriffe erlaubt oder untersagt, wenn der Verfasser sich nicht mehr eigenständig äußern kann.

Wie sieht eine Patientenverfügung aus?

Für eine Patientenverfügung gibt es keine vorgefertigte Form. Sie muss aber erkennen lassen, dass sich der Verfasser über die Umstände seines Sterbens Gedanken gemacht und seinen Willen hierzu klar formuliert hat. Zudem muss sie unterschrieben und datiert sein. Eine notarielle Beglaubigung ist nicht nötig. Der Patient kann seine Verfügung jederzeit formlos widerrufen.

Ziel dieser gesetzlichen Regelung ist es, für mehr Rechtssicherheit hinsichtlich des Verzichts auf lebensverlängernde oder -erhaltende Maßnahmen im Falle eines lebensbedrohlichen Zustandes eines Menschen zu sorgen.

Gestaltungsvorschläge einer Patientenverfügung bietet unter anderem das Bundesministerium der Justiz.

Empfehlungen für eine Patientenverfügung

Die Bundesärztekammer empfiehlt, dass Patientenverfügungen Aussagen zu folgenden Situationen beinhalten:

  • Sterbephase
  • nicht aufhaltbare schwere Leiden
  • dauernder Verlust der Kommunikationsfähigkeit
  • Notwendigkeit andauernder schwerwiegender Eingriffe wie Beatmung, Dialyse, künstliche Ernährung und Beatmung sowie Organersatz

Außerdem sollte man sich Fragen zu diesen Themen stellen:

  • Schmerzempfindlichkeit
  • Bereitschaft, Schmerzen zu ertragen
  • Furcht vor Behinderung
  • Verunstaltung
  • Abhängigkeit

Eine Empfehlung ist auch, niederzuschreiben:

  • welche Erfahrungen man mit Krankheit, Schmerzen und körperlichen Einschränkungen gemacht hat
  • welche Erfahrungen man mit dem Sterben von anderen gemacht hat
  • welcher Religion man angehört oder
  • was für einen selbst das Leben lebenswert macht

Eine ärztliche Beratung ist vor Abfassen der Patientenverfügung in jedem Fall empfehlenswert.

Die Patientenverfügung kann, muss aber nicht, beim Hausarzt verwahrt werden. Außerdem sollte eine Patientenverfügung etwa alle zwei Jahre aktualisiert beziehungsweise neu bestätigt werden.

Sterbehilfe durch Patientenverfügung?

Sterbehilfe ist ein Thema, das nicht nur die Gemüter erhitzt, sondern um das sich auch viele Mythen ranken. Wo der Unterschied zwischen indirekter und passiver Sterbehilfe. Wie ist die rechtliche Situation?

Indirekte Sterbehilfe – was ist das?

Was genau ist mit passiver beziehungsweise mit indirekter Sterbehilfe gemeint? Bei der indirekten Sterbehilfe ist eine gezielte fachgerechte Schmerz- und Symptombehandlung, die ein lebensverkürzendes Risiko in sich trägt, erlaubt.

Ein todkranker Patient kann zum Beispiel auf eigenen Wunsch – auch, wenn dieser in der Patientenverfügung steht – tägliche Dosen Morphium verabreicht bekommen, was aber unter Umständen den Tod schneller herbeiführt ("palliative Sedierung").

Was ist passive Sterbehilfe?

Als passive Sterbehilfe bezeichnet man das Zulassen des Todes aufgrund von Alter oder Krankheit, indem man auf lebensverlängernde Maßnahmen verzichtet. Schmerzlinderung und die grundlegende Pflege finden dabei aber weiterhin statt. Beispiele für die passive Sterbehilfe sind der Verzicht auf:

  • künstliche Beatmung
  • künstliche Ernährung und Flüssigkeitszufuhr
  • bestimmte Medikamente
  • eine Dialyse
  • Reanimation

Ist das rechtlich erlaubt oder nicht?

Die indirekte Sterbehilfe ist nicht strafbar, da sie unter die Behandlung fällt, bei der die Lebensverkürzung als unbeabsichtigte Nebenfolge auftritt.

Erlaubt ist ebenfalls die passive Sterbehilfe. Auf den ausdrücklichen und unmissverständlichen Wunsch des Patienten dürfen und müssen Ärzte eine lebensverlängernde Behandlung abbrechen oder von Anfang an unterlassen. Dies ist Sterbehilfe durch Sterbenlassen. Es muss jedoch deutlich werden, dass der Patient die Folgen seiner Entscheidung versteht und befürwortet.

Wichtig ist, dass eine menschenwürdige Unterbringung, Zuwendung, Körperpflege, das Lindern von Schmerzen, Atemnot und Übelkeit sowie Stillen von Hunger und Durst, gewährleistet sind. Jedoch wird auf die Überführung in eine Intensivstation verzichtet, eine bereits begonnene Therapie abgebrochen oder eine weitere Behandlung unterlassen.

Aktive Sterbehilfe: In Deutschland verboten

Die aktive Sterbehilfe ist strafbar – auch wenn der Patient es ausdrücklich wünscht. Setzt zum Beispiel ein Arzt dem Leiden eines Patienten mit einer tödlich wirkenden Dosis Morphium ein Ende, so ist dies aktive Sterbehilfe. Aktive Sterbehilfe zum Zweck der schmerzlosen Tötung eines Sterbenden ist widerrechtlich; wird sie gar gegen den Willen des Patienten ausgeführt, wird dies als Mord geahndet.

Ist die Sterbehilfe geleistet worden, weil der Patient ausdrücklich darum gebeten hat, dann wird dies nach § 216 Strafgesetzbuch als Tötung auf Verlangen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

Aktive Sterbehilfe legalisieren?

In Belgien, Luxemburg und den Niederlanden ist die aktive Sterbehilfe bereits gesetzlich erlaubt. Auch in Deutschland regt sich der Gedanke, dass Patienten selbst entscheiden können sollten, wann es für sie Zeit ist, zu gehen. Bislang haben ethische sowie gesetzliche Debatten jedoch noch zu keiner Entscheidung geführt.