Abstrich am Fuß
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Abstriche und Biopsien

Von: Dagmar Reiche (Ärztin und Medizinautorin)
Letzte Aktualisierung: 31.05.2012 - 13:28 Uhr

Bereits seit Mitte des 17. Jahrhunderts ermöglichte das fünfzig Jahre vorher erfundene Mikroskop den Naturwissenschaftlern neue Forschungen. Blutzellen, Spermien und anatomische Strukturen wurden entdeckt, und man begann, damit nach Krankheitsursachen zu suchen. Viele Erkenntnisse wären ohne dieses Hilfsmittel auch heute undenkbar.

Zellen und Gewebe - Grundsubstanz des Körpers

Zellen sind die kleinsten lebens- und vermehrungsfähige Einheiten im Organismus. Bakterien besitzen nur eine Zelle, der Mensch dagegen ist aus etwa 10.000 Milliarden Zellen zusammengesetzt, die sich ständig erneuern. Pro Sekunde gehen im menschlichen Körper mehrere Millionen zugrunde und werden neu gebildet. Sie sind vielgestaltig und nehmen unterschiedlichste Funktionen wahr. Im Verband mit der Zwischenzellsubstanz bilden sie Gewebe, dass prinzipiell vier Grundfunktionen erfüllt: Deckgewebe (z.B. Haut), Binde- und Stützgewebe, Muskelgewebe und Nervengewebe.

Einblicke unter dem Mikroskop

Vom Lebenden gewonnene Zellen und Gewebe können unter dem Mikroskop betracht werden. In der Regel ist deutlich zu sehen, von welchem Ort sie stammen. So sieht aus der Leber gewonnenes Biopsiematerial anders aus als das aus der Brustdrüse und Abstriche von der Mundschleimhaut enthalten andere Zellen als die vom Gebärmutterhals. Doch der Pathologe vermag noch mehr zu sehen. Da er genau die gesunden Strukturen und ihre Eigenarten kennt, bemerkt er auch geringfügige Änderungen. So rufen beispielsweise Entzündungen oder Krankheiten von Leber und Niere typische Zeichen hervor.

Auch zum Erregernachweis und zur Funktionsdiagnostik z.B. bei hormonellen Störungen können mikroskopische Untersuchungen dienen. Nicht mehr wegzudenken ist die feingewebliche Beurteilung vor allem bei der Diagnostik von Tumoren. Die verschiedenen Krebszellen sind für den Fachmann meist gut zu erkennen und eindeutig zu differenzieren. Sie erlauben Aussagen über Art des Geschwürs und seine Ausbreitung. Mit Färbetechniken und die Kopplung an markierte Antikörper können die Zellarten noch genauer unterschieden werden.

Wie werden die Zell- und Gewebeproben gewonnen?

  • Prinzipiell wird unterschieden zwischen Abstrichen und Biopsien.Für einen Abstrich wird Zellmaterial oder Sekret an der Oberfläche gewonnen und zwar mit Bürste, Watteträger oder Spatel. Typisches Beispiel ist der Abstrich aus Scheide und Gebärmutterhals im Rahmen der frauenärztlichen Vorsorgeuntersuchung. Der Vorteil eines Abstriches ist, dass bei ihm keine Gewebsverletzung stattfindet und keine Nebenwirkungen zu erwarten sind.
  • Bei einer Biopsie wird dagegen eine Gewebeprobe auch aus tieferen Schichten mittels Einstechen, Stanzen, Ansaugen, Schneiden oder Schaben mit verschiedenen Hilfsmitteln wie Hohlnadeln oder Skalpell gewonnen. Der Vorteil im Vergleich zum Abstrich ist, dass dadurch auch andere Körperstellen zugänglich sind, genauere Informationen über tiefere Schichten gewonnen werden und die Zellen im Verband erhalten sind. Die Biopsie wird häufig unter Ultraschall oder Röntgenkontrolle durchgeführt - so geht der Arzt sicher, die Probe auch vom richtigen Ort zu entnehmen und keine anderen Strukturen zu verletzen.

Was wird untersucht und wie?

  • Abstriche können von Haut und Schleimhäuten (z.B. Nase, Mund, Scheide, Darm) entnommen werden und dienen dem Nachweis von Krankheiten und Entzündungen sowie von Krebszellen oder ihren Vorstufen. Das entnommene Material wird auf einen Glasträger ausgestrichen, fixiert und meist eingefärbt. Manchmal wird es auch unbearbeitet unter dem Mikroskop angeschaut. Im Abstrich können auch Erreger nachgewiesen werden, z.B. im Sekret bei chronischen Wunden. Dazu wird das Material auf geeigneten Nährboden angezüchtet. Am häufigsten werden Abstriche aus Wunden (z.B. bei Diabetikern), dem Rachen (bei Verdacht auf eine eitrige Halsentzündung), Scheide (Verdacht auf Infektion), Gebärmutterhals (Krebsvorsorge) und Auge (von Horn- und Bindehaut bei Verdacht auf Infektion) entnommen.
  • Biopsien kommen meist eher am Ende einer diagnostischen Kette zum Einsatz, wenn trotz anderer Untersuchungen wie Bluttests, Ultraschall, Röntgen und Computertomografie nicht alle Fragen geklärt sind. Biopsien können aus nahezu jedem Organ und Gewebe entnommen werden. Besonders häufig wird bei Verdacht auf Krebs Gewebe aus Brust, Prostata, Schilddrüse, Darm und Knochen gewonnen. Leber, Niere und Herz werden vor allem bei Entzündungen punktiert. Eine Muskel- oder Nervenbiopsie dient der Diagnostik von Muskel-, Nerven- und Stoffwechselerkrankungen. Im Rahmen der vorgeburtlichen Diagnostik kann auch aus der Zottenhaut, die das Ungeborene umgibt, eine Probe gewonnen werden. Auch zur Nachkontrolle von Therapien sind manche Biopsien geeignet - so lässt sich nach einer Organtransplantation beurteilen, ob das neue Gewebe erfolgreich angenommen und eingewachsen ist. Das während einer Biopsie entnommene Gewebe wird häufig in feine Scheiben geschnitten und eingefärbt. Manchmal wird es zusätzlich mit speziellen Antikörpern markiert.

Die Vorbereitung und Durchführung

Für einen Abstrich bedarf es keiner besonderen Vorbereitung. Der Arzt entnimmt an entsprechender Stelle mit einem Wattestäbchen oder flachen Spatel behutsam das Material und schickt es – in spezieller Verpackung – zügig an das Labor. Bei einer Biopsie hängt die Vorbereitung von der Stelle ab, von der das Material gewonnen wird. Bei Biopsien im Bauchraum sollte der Betroffene nüchtern sein; evtl. ist eine Rasur an der Punktionsstelle nötig. Die Biopsie ist ein kleiner Eingriff mit Verletzung des Gewebes, muss also unter sterilen Bedingen durchgeführt werden. Das bedeutet, dass der Arzt sterile Handschuhe trägt, die Punktionsstelle sorgfältig desinfiziert wird und die Instrumente keimfrei sind.

Ob der Eingriff schmerzhaft ist, hängt auch von der Entnahmestelle ab. Meist wird die Biopsie unter örtlicher Betäubung durchgeführt; darüber hinaus kann der Betroffene vorher ein Schmerz- und Beruhigungsmittel erhalten. Oft wird das Gewebe mittels Punktion mit einer Hohlnadel entnommen, die durch die Haut gestochen wird. Bei einer dünnen Nadel spricht man von Feinnadelbiopsie, bei einer dicken von Stanzbiopsie. Erstere kommt z.B. bei der Leberpunktion, letztere bei der Prostatapunktion zum Einsatz. Liegt das Ziel weit im Innern, wird oft ein bildgebendes Verfahren zur Unterstützung und Kontrolle eingesetzt. Manchmal werden größere, zusammenhängende Areale mit einem Skalpell ausgeschnitten und damit ggf. direkt eine Therapie durchgeführt.

Diese Exzisionsbiopsie kommt vorwiegend bei Hauttumoren zum Einsatz. Eine weitere Möglichkeit ist die Gewebsentnahme während einer Spiegelung. So lässt sich Material aus Körperhöhlen wie Magen, Darm oder Lunge gewinnen. Dabei werden in das Endoskop kleine Instrumente wie Zangen, Bürsten oder Stanzen eingeführt und unter Sicht die Biopsien entnommen.

Gibt es Risiken?

Ein Abstrich ist ohne Risiken. Da eine Biopsie mit einer Gewebsverletzung einhergeht, birgt sie - wie jeder Eingriff - gewisse Risiken. Diese lassen sich allerdings durch sorgfältiges, keimfreies Arbeiten des Arztes minimieren. Bei einer Punktion können Keime in den Körper gelangen und eine Infektion verursachen. Mit der Nadel können versehentlich andere Strukturen verletzt werden und es kann zu Blutungen kommen. Die Gefahr, mit der Biopsienadel Krebszellen zu verschleppen, wird mittlerweile als sehr gering gesehen. Die Risiken im Einzelnen variieren je nach Biopsie, werden dem Betroffenen jedoch vor dem Eingriff vom behandelnden Arzt genau erklärt.