Endoskop
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Endoskopie

Von: Dagmar Reiche (Ärztin und Medizinautorin)
Letzte Aktualisierung: 21.11.2013 - 14:59 Uhr

Mit Periskopen lässt sich nicht nur unbemerkt um die Ecke in Nachbars Garten spähen, sondern auch das Innenleben eines Körpers erkunden. Die Endoskopie hat sich in den letzten Jahrzehnten einen festen Stammplatz in der medizinischen Diagnostik und Therapie erobert. Bereits vor Jahrtausenden versuchten die ersten Ärzte, sich über den Gesundheitszustand ihrer Patienten nicht nur durch äußeres Betrachten ein Bild zu machen. Sie verwendeten erstmals Katheter, um die Harnblase zu entleeren und hatten dabei die Idee, dass man sich durch diese natürlichen Körperöffnungen einen Einblick ins Innenleben eines lebenden Menschen verschaffen kann.

Seither ist nicht nur viel Zeit vergangen, sondern die Methoden, menschliche Innenräume auszuleuchten und so Krankheiten aufzuspüren, wurden durch neue technische Möglichkeiten revolutioniert und haben ihrerseits für eine Revolution in der medizinischen Diagnostik und Therapie gesorgt. Ihren Namen haben die Endoskopien, also Spiegelungen von Körperhöhlen, aus dem Griechischen – endo steht für innen, skopie bedeutet Umherschauen.

Eine kurze Geschichte der Endoskopie

Schon im alten Ägypten wurden 3 000 Jahre vor Christus Katheter aus Bronze oder Zinn in die Harnblase eingeführt. Der griechische Arzt Hippokrates untersuchte 400 vor Christus mit sogenannten "Speculen" Mund-, Vaginal- und Enddarmbereich. Dies waren einfache starre Rohre, die zum Aufspreizen der Körperöffnungen dienten und wahrscheinlich keine Begeisterungsausbrüche beim Patienten hervorriefen. Außerdem ermöglichten sie weder ein tieferes Eindringen noch eine gute Ausleuchtung des Untersuchungsraumes.

Die ausreichende Ausleuchtung stellte lange Zeit das Problem der wissbegierigen Ärzte dar: Sie versuchten, Licht von Kerzen mittels Spiegel ins Dunkel der Patienten zu bringen, daher der heute noch gebräuchliche deutsche Name der Untersuchungsmethode: Spiegelung. Erst die Erfindung der Glühlampe, von Edison 1879 patentiert, ermöglichte es, die Hohlorgane des Menschen mit soviel Licht zu versorgen, dass die dünnen optischen Instrumente, die durch die Körperöffnungen eingeführt wurden, gut sichtbare Bilder zum Arzt zurücklieferten.

Endoskopie in der Diagnostik

Endoskopie ist der Oberbegriff für all die medizinischen Verfahren, die auf "-skopie" enden und deren Bezeichnung sich jeweils aus dem gespiegelten Bereich herleitet, z. B. Gastroskopie (Spiegelung des Magens), Rektoskopie und Koloskopie (End- und Dickdarm), Laparoskopie (Bauchraum), Bronchoskopie (Atemwege), Urethroskopie und Zystoskopie (Harnleiter und Harnblase), Arthroskopie (Gelenk).

Allen ist gemein, dass durch Körperöffnungen (natürlich vorhandene oder vom Arzt gemachte) mit einem schlauchförmigen Gerät ins Innere des Menschen geschaut wird. Der Schlauch enthält je nach Ausführung des Endoskops und je nach dem Verwendungszweck eine ganze Menge verschiedener Geräte. An der Spitze des Endoskops ist meist eine Miniaturkamera installiert, die das Untersuchungsgebiet ausleuchtet und ihre Bilder auf elektrischem Weg durch den Schlauch auf einem Monitor überträgt. Auf diese Weise sind Fotos und Videoaufnahmen des Körperinneren möglich. Darüber hinaus lassen sich im Untersuchungskopf des Endoskops verschiedenste kleine Geräte unterbringen, mit denen beispielsweise Proben von der untersuchten Region entnommen werden können.

Endoskopie in der Therapie

Während die Hauptverwendung der Endoskopie sich zunächst darauf beschränkte, etwas über die Krankheit eines Menschen in Erfahrung zu bringen, ermöglichte die zunehmende Miniaturisierung von optischen und chirurgischen Geräten auch bald therapeutische Aktivitäten im untersuchten Organ. So lassen sich beispielsweise Blutungen im Magen-Darm-Bereich mittels eines Lasers stillen oder Polypen auf den Stimmbändern oder im Dickdarm endoskopisch abtragen. Verengte Stellen, zum Beispiel in der Speiseröhre oder im Gallengang, können geweitet, Steine, die den Abfluss aus der Gallenblase behindern, entfernt oder zerstört werden.

In den letzten Jahren werden zunehmend Operationen nicht mehr am eröffneten Körper, sondern als "Schlüssellochchirurgie" endoskopisch durchgeführt. Durch die Möglichkeit, verschiedenste kleinste Geräte durch Endoskope einzuführen, ist die Zahl der operativen und anderen therapeutischen Eingriffe mittlerweile fast unbegrenzt.

Was lässt sich mittels Endoskopie untersuchen?

Endoskopische Untersuchungsverfahren sind aus vielen medizinischen Gebieten nicht mehr wegzudenken, hier einige Beispiele:

  • Innere Medizin: Für die Ärzte, die sich mit Krankheiten des Magen-Darm-Traktes beschäftigen, ist die Untersuchung von Speiseröhre, Magen, Zwölffingerdarm und Dickdarm Alltagsgeschäft. Auch die Gallenblase und die Bauchspeicheldrüse sind bei einer speziellen Kombination aus Endoskopie und Röntgenuntersuchung, die ERCP genannt wird, für die Untersuchung zugänglich.
  • Orthopädie: Orthopäden können durch Gelenkspiegelungen (speziell Kniespiegelungen) ihre Patienten untersuchen, wobei bei diesen Untersuchungen auch ein Schnitt gemacht werden muss, durch den das Endoskop an seinen Bestimmungsort gebracht werden kann.
  • Chirurgie: Soll der Innenraum des Bauches betrachtet werden, wird eine Laparoskopie durchgeführt. Hierbei wird der Bauchraum durch einen kleinen Schnitt geöffnet und mit Hilfe eines Schlauches mit Luft aufgebläht, damit der Arzt mit seinem Endoskop Bauch- und Beckenorgane betrachten kann. Dieses Verfahren wird häufig zur Entfernung der Gallenblase angewandt.
  • In der Gynäkologie wird die Gebärmutter mit der Hysteroskopie betrachtet. Die Urologen untersuchen mittels der Urethroskopie und der Zystoskopie Harnröhre und Harnblase. Und auch die Hals-Nasen-Ohrenärzte kommen ohne die optischen Schläuche nicht aus: sie untersuchen in der Panendoskopie Mund, Nase, Nasennebenhöhlen und Rachen.

Wie erlebt der Patient die Untersuchung?

Wie der Patient eine Endoskopie erlebt und worauf er zu achten hat, hängt stark von der Art der endoskopischen Untersuchung ab, der er sich zu unterziehen hat. Einige sind mit so großem Aufwand verbunden, dass der Patient dafür in Vollnarkose versetzt wird, wie bei der Bauchspiegelung. Andere kommen ganz ohne Betäubungsverfahren aus, wie die Spiegelung der Gebärmutter.

Bei der häufigsten Form der Endoskopie, der Magen- und/oder Darmspiegelung, wird das Endoskop durch den Mund oder den After eingeführt. Der jeweilige Bereich wird mit einem örtlichen Betäubungsmittel behandelt, um dort Schmerzen durch die Reizung zu verhindern. Magen oder Darm müssen frei von Speiseresten sein, weshalb der Patient einige Zeit vor der Untersuchung nichts mehr essen darf und im Falle der Dickdarmspiegelung auch Abführmittel bekommt.

Beide Untersuchungen finden oft nach der Gabe eines Beruhigungsmittels statt, durch das Schmerzempfinden und Angst verringert werden, der Patient aber noch auf Anweisungen reagieren kann (Analgosedierung). Wird ein solches Mittel verabreicht, darf man danach nicht selbst Auto fahren und keine Maschinen bedienen. Zu beachten ist außerdem, dass der Magen nicht gleich mit zu viel Essen überfordert wird. Genaue Hinweise, was bei den jeweiligen endoskopischen Untersuchungen zu beachten ist, gibt der behandelnde Arzt.

Neue endoskopische Techniken

Meist ist es nicht sonderlich angenehm, eine endoskopische Untersuchung über sich ergehen zu lassen, auch wenn die Geräte mittlerweile recht klein und flexibel sind. Doch die findigen Entwickler in der Medizintechnik sind schon weiter: Bei der "virtuellen Endoskopie" braucht man kein Endoskop, sondern durch die Kombination von durchleuchtenden Untersuchungsmethoden wie Röntgen oder Magnetresonanztomographie und speziellen Computern wird ein virtuelles inneres 3-D-Bild des zu untersuchenden Organs erzeugt. Der Arzt kann sich dann wie beim Endoskopieren am Bildschirm durch die Körperinnenwelten bewegen, ohne dass dem Patienten tatsächlich ein Endoskop eingeführt wird. Nachteil dieser Technik ist, dass kein Gewebe zur Untersuchung entnommen werden kann.

Die virtuelle Endoskopie ist im Prinzip für jeden Hohlraum des Körpers möglich – lufthaltige Räume wie Magen und Darm, Nasennebenhöhlen oder Innenohr und flüssigkeitsgefüllte Räume wie Gefäße oder Bronchien. Am verbreitetsten ist die virtuelle Darmspiegelung.

Eine weitere für den Patienten angenehme Technik zur endoskopischen Darstellung des Magen-Darm-Traktes ist die sogenannte Kapsel-Endoskopie. Hierbei schluckt der Patient eine Kapsel, die eine Miniaturkamera, einen Sender und eine Batterie enthält. Diese wandert durch den Magen-Darm-Kanal und sendet pro Sekunde zwei Bilder ihrer Kamera an einen Empfänger, den der Patient bei sich trägt. Dabei kann er ganz normal seinen täglichen Beschäftigungen nachgehen. Die Bilder werden nach der Endoskopie vom Arzt an einem Computer zu einem "Film" zusammengesetzt. Die Kapsel wird ausgeschieden und nicht wiederverwertet. Ein weiterer Vorteil dieser Methode ist, dass sie die Darstellung des Dünndarmes ermöglicht, der anderen endoskopischen Techniken größtenteils nicht zugänglich ist.