Salutogenese: gesunde junge Frau
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Was ist Salutogenese?

Von: Dr. med. Lisa Rosch (Ärztin)
Letzte Aktualisierung: 16.08.2018 - 11:49 Uhr

Salutogenese ist die Wissenschaft von der Entstehung und Erhaltung von Gesundheit. Salus kommt aus dem Lateinischen und bedeutet Gesundheit, der Wortteil –genese heißt wörtlich übersetzt Entstehung. Somit ist die Salutogenese als Gegenstück zur Pathogenese, welche die Entstehung von Krankheit beschreibt, zu sehen. In den 70er Jahren ging der Medizinsoziologe Aaron Antonovsky der Frage nach, welche Faktoren die Salutogenese beeinflussen. Er entwickelte ein theoretisches Modell über die Eigenschaften, die man braucht, um gesund zu werden und es auch zu bleiben.

Antonovskys Untersuchung

Antonovsky führte anhand einer Gruppe von Frauen, die in jungen Jahren in Konzentrationslagern inhaftiert gewesen waren, eine Studie zur Anpassungsfähigkeit an die Menopause durch. Er verglich ihre Fähigkeit, diesen besonderen hormonellen Zustand zu bewältigen, mit der einer Kontrollgruppe.

Trotz der Vorbelastung durch die Zeit im Konzentrationslager gab es Frauen, die Antonovsky körperlich und geistig als völlig gesund einstufte. Sie schienen körpereigene Ressourcen zu haben, die sie trotz der schlimmen Erlebnisse (Stressoren) gesund hielten. Durch Antonovskys Untersuchung wurde der bis dahin übliche Fokus der Wissenschaft auf die Entstehung von Krankheit (Pathogenese) durch die Aspekte der Salutogenese ergänzt. 

Es wurde schnell klar, dass es große Unterschiede zwischen der Herangehensweise an eine Erkrankung aus salutogenetischer oder pathogenetischer Sicht gibt. Pathogenese versucht, Krankheit zu vermeiden. Salutogenese dagegen versucht, ein attraktives Gesundheitsziel zu erreichen. Nicht das Vermeiden von hohem Blutzucker durch Diät steht dann zum Beispiel bei Diabetes mellitus im Vordergrund, sondern die erfolgreiche Joggingeinheit, die zu einem umfassenden Wohlbefinden führt.

In der weiteren Forschung stand dann die Frage, wie Gesundheit entsteht und wie sie erhalten werden kann, stärker im Mittelpunkt.

Das Kohärenzgefühl

Ein Begriff, der eng mit der Salutogenese verknüpft ist, ist das Kohärenzgefühl. Er wurde von Antonovsky geprägt und meint ein Zugehörigkeitsgefühl und eine tiefe innere Zufriedenheit mit sich selbst und anderen. Drei Komponenten sind für das Kohärenzgefühl von Bedeutung:

  1. Verstehbarkeit: Die Fähigkeit, Zusammenhänge herzustellen zwischen den Geschehnissen, die das Leben bereithält.
  2. Bewältigbarkeit: Die Fähigkeit, mit Geschehnissen umzugehen.
  3. Sinnhaftigkeit: Die Überzeugung, dass alle Geschehnisse einen Sinn haben. Durch diese Überzeugung fällt es leichter, die Geschehnisse zu akzeptieren.

Diese drei Eigenschaften entwickelt jeder Mensch innerhalb seiner ersten 20 Lebensjahre. Je nachdem wie stark diese ausgeprägt sind, können Menschen unterschiedlich gut mit Krisen umgehen, beispielsweise mit einschneidenden Erlebnissen wie dem Tod eines Familienmitgliedes, mit stressigen Phasen im Job oder auch mit einer Erkrankung. Wie gesund wir sind, hängt also wesentlich von der Ausprägung der drei Eigenschaften ab.

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Resilienz und Salutogenese

Die beiden Begriffe Resilienz und Salutogenese stehen eng miteinander in Verbindung. Resilienz bedeutet so viel wie Widerstandsfähigkeit. Je widerstandsfähiger wir sind, je besser unser Körper Störungen abwehren kann, desto gesünder bleiben wir. So gibt es Menschen, die nie krank werden, obwohl sie vielen potentiell krankmachenden Umständen ausgesetzt sind. Andere dagegen liegen schon bei leichten Stresssituationen mit Fieber oder Erschöpfungssymptomen im Bett. Erstere sind widerstandsfähiger, da sie in kritischen Situationen auf persönliche Ressourcen zurückgreifen können und eine Krise als Möglichkeit zur Weiterentwicklung ansehen.

Wie bleibe ich gesund?

Durch theoretische Modelle lassen sich Pathogenese und Salutogenese gut beschreiben. Doch wie erreicht man in der Praxis ein Kohärenzgefühl, wie es Antonovsky beschreibt?

Eine wichtige Rolle spielen dabei die persönlichen Widerstandsressourcen, wie beispielsweise Intelligenz, Flexibilität, Weitsichtigkeit, materieller Wohlstand, das soziale Netzwerk und das Immunsystem. Wer einen hohen Lebensstandard, viele Freunde und eine gute Bildung hat, hat die besten Voraussetzungen gesund zu bleiben. Gesundheit ist demnach stark von äußeren Umständen abhängig. Ebenso ausschlaggebend sind aber auch eine positive Selbstbeurteilung sowie die Arbeit an der eigenen Identität. Nur wer mit sich selbst im Reinen ist, kann dauerhaft gesund bleiben.

Abschließend ist festzuhalten, dass Gesundheit ein Prozess und kein Zustand ist. Es gibt immer Phasen im Leben, in denen Krankheit oder Gesundheit überwiegt. Doch eine ausgewogene Lebensweise, die Widerstandsressourcen fördert und im Sinne der Salutogenese attraktive Gesundheitsziele setzt, ist die beste Voraussetzung, um langfristig gesund zu bleiben.