Älteres Pärchen im Bett
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Sexualität in und nach den Wechseljahren

Von: FU Berlin, Silke Schwertel (geb. Hamann) (Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 14.06.2021 - 18:16 Uhr

Sexualität im Alter, vor allem das Sexualleben älterer Frauen, ist in unserer Gesellschaft noch immer ein Tabuthema. Viele Frauen erleben das Älterwerden mit einer zunehmenden sexuellen Entwertung, begleitet von Sorgen um die eigene Attraktivität, einer verringerten Leistungsfähigkeit, diversen Erkrankungen und Beschwerden. Hinzu kommt, dass in unserer Gesellschaft Frauen im Gegensatz zu Männern früher als unattraktiv, alt und oft sogar asexuell wahrgenommen werden. Die hormonelle Umstellung mit dem Beginn der Wechseljahre – oft verbunden mit Beschwerden wie Hitzewallungen, Abgeschlagenheit und anderen Symptomen – sowie die Zunahme allgemeiner Erkrankungen können für Veränderungen der Libido und der Sexualität sorgen. Doch Häufigkeit und Qualität weiblicher Sexualität müssen nach den Wechseljahren nicht automatisch abnehmen – im Gegenteil. Wie Frauen ihre Sexualität nach den Wechseljahren erleben und was hilft, um die Sexualität im Alter zu verbessern, lesen Sie hier.

Sexuelles Verlangen nach den Wechseljahren

Dass die Lust am Sex bei Männern im Alter kaum abnimmt, ist bekannter als die Tatsache, dass auch Frauen im Alter sexuelle Interessen und Bedürfnisse haben. Bis ins hohe Alter bleiben Frauen sexuell genuss- und orgasmusfähig, auch wenn ein Rückgang der Libido und der sexuellen Aktivität mit zunehmendem Alter nicht ungewöhnlich ist.

Oft wird dies auf Veränderungen während der hormonellen Umstellungsprozesse im Zuge der Wechseljahre zurückgeführt. Allerdings gibt es keinen Beleg dafür, dass die Sexualität tatsächlich durch die Hormonumstellung beeinträchtigt wird – mit Ausnahme von Scheidentrockenheit, die im Rahmen der Wechseljahre auftreten kann. Als wahrscheinlicher gilt es, dass das Älterwerden selbst eine mögliche Erklärung darstellt. Daneben kann auch eine Reihe von anderen Ursachen mitverantwortlich sein, die nicht nur körperliche, sondern vor allem psychologische und soziologische Gründe betreffen oder ganz allgemein mit der Partnerschaft zusammenhängen.

Ältere Menschen erleben sexuelle Bedürfnisse häufig mit einem Gefühl der Scham verbunden oder empfinden sie als unpassend, vor allem dann, wenn die*der Partner*in altersbedingte Schwierigkeiten wie Erektionsstörungen, Libidoverlust, aber auch andere gesundheitliche Beschwerden hat. Dann führt das fehlende Gespräch mitunter zum völligen Verzicht auf sexuelle Begegnungen.

Libido nimmt im Alter nicht automatisch ab

In einer repräsentativen Befragung der Berliner Charité haben 521 Frauen im Alter zwischen 50 und 70 Jahren an einer schriftlichen Befragung zum Thema Sexualität teilgenommen. Die Untersuchung erfasste nicht nur das aktuelle Sexualleben von Frauen im höheren Alter, sondern fragte auch nach den Veränderungen der Sexualität. Das Ergebnis der Befragung widerlegte die häufig geäußerte Ansicht, dass das sexuelle Verlangen mit Beginn der hormonellen Umstellung durch die Wechseljahre deutlich abnimmt.

Die Erhebung zeigte, dass das Spektrum der sexuellen Bedürfnisse bei älteren Frauen sehr breit ist: Vom täglichen Wunsch nach sexuellem Kontakt bis hin zur völligen Ablehnung ist alles möglich. Zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr wünschen sich die befragten Frauen durchschnittlich mehrmals im Monat Sex – zwischen 65 und 70 Jahren hingegen möchte die Hälfte der Frauen gar keine sexuelle Beziehung mehr. Allerdings ist laut der Umfrage der Wunsch nach sexuellen Kontakten größer als die tatsächlich gelebte Sexualität. Das bedeutet, dass sexuelle Bedürfnisse bei einigen Frauen unbefriedigt bleiben.

Mit zunehmendem Alter nimmt der Statistik zufolge nicht nur die Häufigkeit der sexuellen Aktivität ab, sondern auch die Anzahl der Frauen, die überhaupt sexuellen Verkehr haben. So erlebt ein Viertel der 50- bis 55-Jährigen nach eigenen Angaben keine aktive Sexualität, bei den 65- bis 70-Jährigen sind es bereits zwei Drittel, die nicht sexuell aktiv sind.

Schwindende Lust im Alter?

Für die abnehmende sexuelle Aktivität gibt es unterschiedliche Gründe: Viele Frauen leben ohne Partner*in und die Möglichkeit, eine*n neue*n Partner*in zu finden, ist in vielerlei Hinsicht schwierig: Statistisch betrachtet sterben Männer früher, zudem ist nur noch ein Drittel der allein lebenden Frauen bereit, sich erneut zu binden. Außerdem sinkt die Libido der Frauen durch Erkrankungen sowie generelle Beziehungsprobleme – mit der Folge, dass einige Frauen in ihrer sexuellen Beziehung unbefriedigt bleiben.

Manche Frauen sehen das Älterwerden auch als Gelegenheit, sich von der Verpflichtung zu sexuellen Aktivitäten zu befreien: In solchen Fällen ist es beispielsweise über die Jahre hinweg zu einer "Abnutzung" der Partnerschaft gekommen, oder sie haben jahrelang ohne Lust sexuell verkehrt und nehmen sich jetzt die Freiheit der sexuellen Verweigerung.

Verändert erlebte Sexualität

Sowohl die sexuelle Lust als auch ein befriedigendes Sexualleben – so kann man es aus der Befragung schlussfolgern – gehen mit der Qualität der Partnerschaft und mit der Qualität des Sexuallebens in früheren Jahren einher. Dabei hängt die Befriedigung in der Sexualität nicht so sehr von der Anzahl der Aktivitäten, sondern vor allem von der Qualität der sexuellen Begegnung ab: Die Häufigkeit des sexuellen Verkehrs verliert mit zunehmendem Alter an Wichtigkeit, dagegen nimmt die Bedeutung der Zärtlichkeit in der Sexualität zu – auch im Hinblick darauf, sexuelle Lust zu entwickeln.

Gesteigerte Sexualität durch neue Freiheiten

Einige Frauen fühlen sich durch Entlastungen der Menopause freier in ihrer Sexualität und haben ein besseres Sexualleben als zuvor. Keine monatlichen Regelblutungen und Menstruationshygiene, keine Verhütungsprobleme oder Furcht vor unerwünschten Schwangerschaften – dies wirkt oftmals befreiend und belebt das Sexualleben ebenso neu wie der Auszug der Kinder aus dem Elternhaus. Diese Frauen haben mehr Zeit, genießen die Spontaneität in der Sexualität und müssen keine Rücksicht mehr auf ihre Kinder nehmen.

Weitere positive Faktoren sind eine als glücklich eingeschätzte Partnerschaft und nur wenige Sexualprobleme in der Vergangenheit, da eine Frau, die in der Vergangenheit gelernt hat, ihr Sexualleben zufriedenstellend zu gestalten, es mit größerer Wahrscheinlichkeit auch noch im Alter genießen kann.

In der Studie fand sich eine kleinere Gruppe von sogenannten "sexuell emanzipierten" Frauen zwischen 50 und 65, die über ein äußerst erfülltes und befriedigendes Sexualleben berichteten. Sie sind sexuell besonders aktiv, ergreifen zum Teil häufiger als ihr*e Partner*in die Initiative im Sexualleben und übernehmen anstelle des passiven Parts auch immer mehr eine aktive Rolle.

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Sexuelle Dysfunktion bei Frauen

Die Studienergebnisse zeigen: Ob Frauen in und nach den Wechseljahren mehr, weniger oder gleichviel sexuelle Lust empfinden und wie sich ihre Sexualität verändert, ist individuell verschieden.

Doch ein vermindertes sexuelle Verlangen ist nicht die einzige Art einer sexuellen Dysfunktion. Weitere mögliche Beeinträchtigungen sind:

  • Erregungsstörungen, zum Beispiel ausbleibende Reaktion der Geschlechtsorgane auf eine Stimulation (die Scheide wird nicht feucht, die Schamlippen schwellen nicht an)
  • Orgasmusstörungen, die unabhängig vom Alter möglich sind
  • Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, die nach der Menopause häufiger auftreten, oft bedingt durch eine trockenere und empfindlichere Vaginalschleimhaut

In allen Fällen gibt es keine generell wirksame Behandlung, sondern es sollte immer gemeinsam mit dem*der Arzt*Ärztin nach maßgeschneiderten Lösungen gesucht werden, die sich nach den Ursachen und individuellen Voraussetzungen richten.

Tipps zur Sexualität in und nach den Wechseljahren

Wenn Frauen die Sexualität in und nach den Wechseljahren nicht als zufriedenstellend erleben, können möglicherweise folgende Tipps helfen:

  • Führen Sie ein offenes Gespräch mit Ihrem*Ihrer Partner*in: Reden Sie über Ihre jeweiligen Bedürfnisse, Probleme und Wünsche. Nähe und Vertrautheit sind wichtig, aber auch das Abstreifen alter Gewohnheiten und die gegenseitige Neuentdeckung kann helfen.
  • Wer Fragen rund um das Themenfeld Lust und Sexualität hat, sollte sich nicht scheuen, Beratungsangebote in Anspruch zu nehmen. Gynäkolog*innen können gerade für ältere Frauen wichtige Ansprechpartner*innen sein, darüber hinaus gibt es auch Sexualberatungen.
  • Gegebenenfalls kann eine Hormonersatztherapie in Erwägung gezogen werden.
  • Bei Scheidentrockenheit und wenn die Scheide nicht ausreichend feucht wird, kann Gleitmittel helfen, um Schmerzen beim Geschlechtsverkehr zu vermeiden. Ein geeignetes Hausmittel zur Pflege des Intimbereichs ist Mandelöl.
  • Die lokale Anwendung von Östrogen, etwa durch Zäpfchen oder Salben, hilft oft gegen Scheidentrockenheit und Schmerzen beim Geschlechtsverkehr.
  • Diskutiert werden außerdem positive Effekte von Testosteron oder Tibolon bei vermindertem sexuellem Verlangen. Wie bei allen Hormontherapien sollten Risiken und Nutzen der Behandlung jedoch gründlich abgewogen werden.

Sexualität ist oft eine Frage der Psyche: Selbstbewusstsein und eine positive Einstellung sorgen oft für eine gesteigerte Lust. Manche Frauen empfinden jedoch Scham wegen ihres Begehrens – dann sind offene Gespräche und Beratungsangebote ganz besonders wichtig.

Wichtig ist jedoch auch: Sexualität sollte nicht überbewertet werden. Es gibt auch Partnerschaften oder Menschen, für die Sexualität in und nach den Wechseljahren an Bedeutung verliert.