Hand einer Person mit Marfan-Syndrom
© shutterstock, Mitskevich Uladzimir

Marfan-Syndrom: Ursachen, Symptome und Behandlung

Von: Sophia Jäger (Studentin der Humanmedizin)
Letzte Aktualisierung: 04.03.2024 - 14:32 Uhr

Das Marfan-Syndrom (MFS) ist eine genetische Erkrankung, die zu einer Fehlfunktion des Bindegewebes führt und dadurch mit einer Vielzahl verschiedener Symptome einhergeht. Dies kann Auswirkungen auf unterschiedliche Strukturen und Organsysteme haben, etwa Knochen und Gelenke, Herz und Gefäße oder die Augen. In diesem Artikel erfahren Sie mehr über die Entstehung der Krankheit, mögliche Anzeichen und Komplikationen, die Diagnostik sowie Behandlungsmöglichkeiten.

Was ist das Marfan-Syndrom?

Das Marfan-Syndrom (früher auch Morbus Marfan genannt) ist eine Krankheit, die durch einen Gendefekt zu einem strukturell veränderten Bindegewebe führt. Bindegewebe existiert im gesamten Körper und besteht aus Fasern (sogenannten Fibrillen und Mikrofibrillen) und Zellen, die verschiedene Organe, Muskeln und Knochen miteinander verbinden. Es bildet so eine Art stützendes Netz, welches im menschlichen Körper eine entscheidende Rolle für die Aufrechterhaltung und Funktion der verschiedenen Körperstrukturen spielt.

Im Rahmen des Marfan-Syndroms kommt es zu einer Bindegewebsschwäche. Dies hat Folgen für den gesamten Körper. Die Ursache liegt meist in einer erblich bedingten Mutation des Gens für Fibrillen (winzigen Fasern), allerdings kann auch eine spontane genetische Veränderung die Krankheit auslösen.

Was sind die Symptome des Marfan-Syndroms?

Da das Marfan-Syndrom den gesamten Körper betrifft, sind auch die Symptome der Erkrankung sehr vielfältig. Zunächst einmal kann man die Beschwerden vereinfacht drei Kategorien zuordnen:

  1. Skeletale Symptome: Das sind Anzeichen, die das menschliche Skelett betreffen. Hierzu zählen unter anderem der Hochwuchs (eine überdurchschnittlich hohe Körpergröße), ein schmaler Körperbau, die Verkrümmung der Wirbelsäule (Skoliose), die Trichterbrust oder Kielbrust (beide Begriffe beschreiben Deformierungen des Brustkorbes) sowie überdehnbare Gelenke und überproportional lange Finger im Verhältnis zur Körpergröße (in der Medizin als Arachnodaktylie bezeichnet). Auch bestimmte Auffälligkeiten im Gesicht, vor allem ein langer, schmaler Kopf mit einem zurückliegenden Unterkiefer, oder eng stehende Zähne können durch das Marfan-Syndrom bedingt sein.
  2. Okuläre Symptome: Dies bedeutet Veränderung im Bereich des Auges. Bei etwa 73 Prozent der Betroffenen kommt es im Laufe des Lebens zu Sehveränderungen, besonders häufig zu einer Verlagerung der Linse (Linsenluxation). Auch eine Netzhautablösung oder Kurzsichtigkeit sind möglich.
  3. Herz- und Gefäßerkrankungen: Durch das veränderte Bindegewebe entstehen beim Marfan-Syndrom häufig Aussackungen (Aneurysmen) der Hauptschlagader (Aorta). Dies kann eine Insuffizienz (Schwäche) der Aortenklappe, also der Herzklappe zwischen linker Herzkammer und Aorta, auslösen. Zudem kann es zu einer sogenannten Dissektion kommen. Hierbei spalten sich die Wandschichten der Hauptschlagader – die Folge ist eine falsche Blutzirkulation zwischen den Gefäßschichten. Sowohl ein Aneurysma als auch die Aortendissektion sind potenziell lebensbedrohliche Komplikation, weshalb bei Marfan-Patient*innen verschiedene vorbeugende Maßnahmen ergriffen werden, um das Risiko für Komplikationen möglichst gering zu halten.

Zusätzliche Symptome des Marfan-Syndroms können unter anderem eine starke Neigung zu Dehnungsstreifen im Wachstum oder bei Gewichtszunahme sein. Das veränderte Bindegewebe begünstigt zudem Leistenbrüche. Auch das Risiko für einen sogenannten Pneumothorax, das ist ein Zusammenfall eines Lungenflügels, ist bei Marfan-Patient*innen erhöht.

Wie stellt man das Marfan-Syndrom fest?

Weist eine Person einige der oben genannten Anzeichen auf, kann es sich eventuell um ein Marfan-Syndrom handeln. Doch es bedarf weiterer Schritte, um eine sichere Diagnose zu stellen. Ein Hinweis kann zum Beispiel die Familienanamnese sein. Da es sich um eine genetische Erkrankung handelt, die vererbt werden kann, lohnt es sich herauszufinden, ob in der Verwandtschaft bereits Erkrankungsfälle bekannt sind.

Erhärtet sich bei dem*der Hausarzt*Hausärztin nach der Anamnese und der körperlichen Untersuchung der Verdacht, wird meist eine Überweisung an ein spezialisiertes Zentrum ausgestellt. Hier kann gemeinsam mit den Betroffenen das weitere Vorgehen abgesprochen werden.

Um die sichere Diagnose Marfan-Syndrom zu stellen, kann unter anderem eine genetische Untersuchung notwendig werden. Diese erlaubt die Abgrenzung zu anderen Bindegewebserkrankungen mit ähnlichen Symptomen, wie zum Beispiel dem Ehlers-Danlos-Syndrom.

Häufig ist noch vom sogenannten Hand-Test (oder Handgelenkszeichen) als Selbsttest zum Erkennen eines Marfan-Syndroms zu lesen. Hierbei wird das eigene Handgelenk mit der anderen Hand umgriffen und geprüft, ob sich Daumen und kleiner Finger der umgreifenden Hand überlappen. Dieser Test kann zwar ein Hinweis auf die Erkrankung sein, man weiß jedoch mittlerweile, dass er recht ungenau ist, da der Test auch bei Menschen ohne Marfan-Syndrom positiv ausfallen kann und Personen mit Marfan auch einen negativen Test haben können.

Wie werden Erkrankte behandelt?

Ist die Diagnose Marfan gestellt, ist es wichtig, die Betroffenen in einem interdisziplinären Team zu betreuen – die Therapie erfolgt also durch Fachleute aus verschiedenen Bereichen. Wie bereits erklärt, treten Symptome des Syndroms an verschiedenen Stellen des Körpers auf, weshalb es wichtig ist, dass bei den jeweiligen Fachärzt*innen regelmäßige Kontrollen stattfinden. Hierzu zählen orthopädische, augenärztliche und kardiologische Verlaufskontrollen.

Besonders wichtig sind hierbei die regelmäßigen kardiologischen Untersuchungen, das heißt Untersuchungen bei Herzspezialist*innen, um Schäden der Herzklappen oder ein mögliches Aneurysma der Aorta frühzeitig zu entdecken. Bei einer sehr stark erweiterten Hauptschlagader kann diese Erweiterung ansonsten platzen oder reißen (Ruptur) und es kommt zu einem plötzlichen, sehr starken Blutverlust. Deshalb wird ab einer gewissen Größe der Hauptschlagader eine operative Versorgung empfohlen, um dieses Risiko zu minimieren. Zusätzlich sollten Betroffene bestimmte Belastungen, wie zum Beispiel schweres Heben sowie Kraft- und Kampfsport, vermeiden, da hierdurch das Risiko für die Ruptur eines Aneurysmas steigt. Zudem wird die Aorta durch eine höhere Herzfrequenz (Puls) und einen höheren Blutdruck vermehrt belastet, sodass Betablocker präventiv zur Verlangsamung des Herzschlages und somit auch zur Senkung des Blutdruckes eingesetzt werden.

Bemerken Personen, bei denen ein Marfan-Syndrom bereits diagnostiziert ist, plötzliche Atemnot und/oder einen plötzlichen starken Brust- oder Bauchschmerz, sollten sie nicht zögern, den Rettungsdienst zu alarmieren, da es sich um ein rupturiertes Aneurysma oder eine Dissektion handeln kann, was eine sofortige ärztliche Versorgung notwendig macht.

In einigen Fällen werden darüber hinaus Hormone eingesetzt, um das übermäßige Körperwachstum zu bremsen. Orthopädische Probleme können mit Physiotherapie behandelt werden. Kommt es zu einer Beeinträchtigung der Augen, etwa durch eine Linsenluxation, ist mitunter eine Operation erforderlich. 

FAQ: Häufigkeit und Vererbung

Bei dem Marfan-Syndrom handelt es sich um eine genetische Erkrankung. Dementsprechend können erste Marfan-Zeichen wie zum Beispiel ein schmaler, hoher Körperbau oder Sehstörungen schon bei Kindern auftreten. Bei vielen Menschen wird das Syndrom allerdings erst im jungen Erwachsenenalter festgestellt, da die Ausprägung der Anzeichen im Verlauf des Lebens zunimmt. Zudem geht man davon aus, dass die Krankheit unterdiagnostiziert ist, was bedeutet: Viele wissen nicht von ihrer Erkrankung.

Das Marfan-Syndrom wird autosomal dominant vererbt. Aufgrund dieser Art der Vererbung liegt die Wahrscheinlichkeit bei Kindern von Betroffenen, das Syndrom zu erben, bei 50 Prozent. Dementsprechend kann der Nachwuchs von diagnostizierten Patient*innen bereits als Baby oder im Kindesalter genetisch untersucht werden.

Neben den 75 Prozent der Erkrankten, die das Marfan-Syndrom vererbt bekommen haben, haben etwa 25 Prozent der Betroffenen eine Spontanmutation. Das heißt, diese Menschen haben das Syndrom nicht von ihren Eltern geerbt, sondern ihr genetische Material hat sich spontan verändert und es kommt so zum Auftreten der Bindegewebserkrankung.

Je nach Literaturangabe wird davon ausgegangen, dass weltweit zwischen 1 und 5 von 10.000 Menschen das Marfan-Syndrom haben. Dies macht es zu einer eher seltenen Erkrankung. In Deutschland leben schätzungsweise etwas mehr als 10.000 Menschen mit dieser Bindegewebserkrankung. In Bezug auf die Häufigkeit gibt es keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen.

Ist das Marfan-Syndrom heilbar?

Das Marfan-Syndrom ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht heilbar, aber durch eine professionelle Betreuung durch ein spezialisiertes Ärzteteam sind die Komplikationen gut kontrollierbar und behandelbar geworden. Daher können Marfan-Betroffene heutzutage bei guter medizinischer Versorgung eine nahezu normale Lebenserwartung haben.

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