Junger Mann mit ALS-Krankheit mit Mutter
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ALS (Amyotrophe Lateralsklerose): Was ist das für eine Krankheit?

Von: Miriam Kunz (Ärztin)
Letzte Aktualisierung: 21.08.2020 - 10:14 Uhr

Die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist eine unheilbare Nervenkrankheit. Große Bekanntheit erlangte diese eher selten vorkommende Erkrankung im Jahr 2014 durch die sogenannte Ice Bucket Challenge, bei der sich Menschen einen Eimer mit eiskaltem Wasser über den Kopf gossen und Videos davon in den sozialen Netzwerken verbreiteten. Bei dieser Aktion wurden Spenden für die ALS-Forschung gesammelt. Lesen Sie hier, was Sie über ALS wissen müssen.

Was ist ALS für eine Krankheit?

Gemäß Definition ist die Amyotrophe Lateralsklerose eine fortschreitende (progressive) Nervenkrankheit, bei der es zu einer nicht umkehrbaren Schädigung von Nerven (Neuronen) des Bewegungssystems kommt. Da sie gemäß dem heutigen Stand der Medizin nicht heilbar ist, endet die Krankheit immer tödlich.

Welche Symptome treten bei ALS auf?

ALS kennzeichnet sich durch sogenannte schlaffe und spastische Lähmungen, die typisch für das Krankheitsbild sind:

  • Eine schlaffe Lähmung äußert sich in einem kompletten Ausfall der Muskulatur, betroffene Körperteile können also nicht bewegt werden und hängen schlaff herunter.
  • Bei einer spastischen Lähmung liegt im Gegensatz dazu eine erhöhte Muskelspannung vor, die zu unbeabsichtigten und ungezielten Bewegungen führt, die sich beispielsweise als Zuckungen äußern können.

Die Art der Lähmung hängt dabei davon ab, welche Nerven geschädigt sind.

Wie erkennt man Amyotrophe Lateralsklerose?

Die Frühsymptome der Krankheit sind unspezifisch und können von Fall zu Fall sehr unterschiedlich sein – die Krankheit ist daher zu Beginn oft nicht leicht zu erkennen. Zu den ersten Anzeichen der Krankheit gehören:

  • Muskelschwäche
  • schnelle Ermüdbarkeit der Muskulatur
  • Muskelabbau (Atrophie)
  • Krämpfe (Crampi)
  • Schluckstörungen (Dysphagien)
  • verlangsamter Gang
  • verringerte Mimik
  • Sprachschwierigkeiten (Dysarthrien)
  • Schmerzen der Muskulatur
  • feine Muskelzuckungen (Faszikulationen)

Nicht alle der aufgeführten Symptome treten nur im Zusammenhang mit schwerwiegenden Erkrankungen auf. Insbesondere Krämpfe und feine Muskelzuckungen kommen auch bei gesunden Menschen vor und sind nicht unbedingt ein Grund zur Sorge.

Genauso können auch Muskelschmerzen verschiedenste Ursachen haben. Wenn Nackenschmerzen ohne Begleitsymptome auftreten, spricht dies beispielsweise eher gegen eine fortschreitende Nervenkrankheit und vielmehr für Verspannungen oder andere orthopädische Ursachen.

Bei unklaren Symptomen sollte jedoch immer ein Arzt aufgesucht werden.

Wie erfolgt die Diagnose bei ALS?

Bei Verdacht auf ALS besteht der erste Teil der Diagnostik aus einer allgemeinen Untersuchung. Unter anderem beklopft der untersuchende Arzt dabei die Muskulatur des Betroffenen, wodurch bei ALS Muskelzuckungen ausgelöst werden können.

Wenn erste Symptome aufgetreten sind, führt ein Termin beim Facharzt (Neurologen) zu Klarheit: Hier können durch moderne Untersuchungsmethoden krankhafte Nervensignale sichtbar gemacht werden. Außerdem können Ärzte durch bildgebende Verfahren (MRT oder CT) krankheitsbedingte Schrumpfungen innerhalb des Gehirns oder des Rückenmarks erkennen, welche ebenfalls einen Hinweis auf ALS darstellen können.

Kann ALS im Blutbild diagnostiziert werden?

Im Blutbild kann ALS nicht sicher festgestellt werden. Es gibt keinen spezifischen Blutmarker, der nur bei ALS vorkommt. Allerdings weist ein Protein, das Neurofilament light (NFL), auf das Vorliegen einer Nervenkrankheit hin.

Dieses Protein ist sowohl im Blut als auch im Nervenwasser (Liquor cerebrospinalis) feststellbar. Auch bei anderen Erkrankungen, die das Nervensystem betreffen, kann das NFL festgestellt werden. Dazu gehören zum Beispiel Multiple Sklerose (MS), Alzheimer und Chorea Huntington.

Wie verläuft die Amyotrophe Lateralsklerose?

ALS ist nicht heilbar und verläuft aufgrund der fortschreitenden Lähmung der Muskulatur immer tödlich. Früher oder später kommt es bei Menschen mit ALS durch das Absterben der Neven zunehmend zur Einschränkung der Beweglichkeit. Je nachdem, ob zuerst die oberen oder die unteren Extremitäten befallen sind, benötigen die meisten Erkrankten bald nach Diagnosestellung einen Rollstuhl.

Bei Befall der Mund- und Halsmuskulatur verlieren ALS-Betroffene im Verlauf der Krankheit die Fähigkeit zu sprechen und müssen mit Hilfsmitteln ernährt werden. Im fortgeschrittenen Stadium ist auch die Brustmuskulatur so weit eingeschränkt, dass ALS-Patienten auf Beatmungsmaschinen angewiesen sind.

Fortschreitende Lähmung der Muskeln

Bei ALS zeigen sich meistens zuerst einseitige Muskelschwächen der Handmuskulatur. Im Krankheitsverlauf geht die Erkrankung auf die Schultermuskulatur über, um dann die gesamte Muskulatur des Bewegungssystems zu befallen. Manchmal zeigt sich die Krankheit auch zuerst in der Wadenmuskulatur und schreitet von dort aus ebenfalls zu anderen Muskelgruppen fort.

Weitere Beschwerden im Verlauf

Weil Betroffene im fortgeschrittenen Stadium oft bettlägerig sind, kommt es darüber hinaus auch zu anderen Begleiterscheinungen. Durch das viele Liegen treten offene Wunden (Dekubitus) an Druckstellen auf.

Außerdem führen Lähmungen zu einer generellen Einschränkung von wichtigen Schutzmechanismen des Körpers. Wenn beispielsweise das Husten erschwert wird, können vermehrt Speisereste in die Lunge eindringen und dort Entzündungen auslösen.

Neben Einschränkungen der Bewegung treten bei der Amyotrophen Lateralsklerose auch psychische Symptome auf. Depressionen, Müdigkeit, Schlafstörungen, Angstzustände und Wesensveränderungen erschweren zunehmend den Alltag von Betroffenen. Oft bedingen auch die Veränderungen im Gehirn plötzliche emotionale Ausbrüche, wie Lachen oder Weinen.

Wie hoch ist die Lebenserwartung bei ALS?

Die mittlere Lebenserwartung nach Diagnosestellung liegt bei zwei bis drei Jahren. In manchen Fällen können Betroffene allerdings bis zu zehn Jahre mit der Krankheit leben.

Die meisten ALS-Betroffenen versterben an Infektionen, die durch die herabgesetzte Widerstandsfähigkeit des Körpers begünstigt werden. Die häufigste Todesursache sind Lungenentzündungen (Pneumonien), die durch bei ALS häufig auftretende Schluckstörungen gefördert werden.

Therapie: Bewegungsübungen können Symptome bessern

Obwohl man die Krankheit nicht heilen kann, gibt es verschiedene Maßnahmen, die den Krankheitsverlauf verlangsamen. Dazu gehören zum Beispiel Bewegungs- und Atemübungen sowie professionelle logopädische Behandlungen. Diese dienen dazu, Sprachfähigkeit und Muskelbewegungen so lange wie möglich zu erhalten.

Auch verschiedene Medikamente führen zu einer kurzfristigen Besserung der Symptome. Je nachdem, ob es vermehrt zu ungewollten Bewegungen oder schlaffen Lähmungen kommt, können Nerven durch gezielte Medikation gedämpft oder stimuliert werden.

Das Medikament Riluzol ist das einzige Präparat, das ALS erwiesenermaßen verlangsamen kann. Es hat eine schützende Wirkung auf die Nerven und zögert damit deren Absterben heraus. Leider kann aber auch dadurch die Lebenszeit von Betroffenen nur um durchschnittlich drei Monate verlängert werden.

Um den emotionalen Leidensdruck der Betroffenen effektiv zu lindern, werden psychische Symptome mit Angstlösern und Antidepressiva behandelt.

Ursachen: Wie entsteht ALS?

Nach derzeitigem Stand der Forschung ist die Ursache der Krankheit unbekannt. In seltenen Fällen kann eine familiäre Häufung mit nachgewiesenen Genmutationen vorliegen. Dies bedeutet, dass ALS zwar vererbbar ist, viel häufiger kommt die Erkrankung aber vereinzelt und zufällig vor. Wie schwerwiegend die Krankheit verläuft, kann auch zwischen verschiedenen betroffenen Mitgliedern einer Familie unterschiedlich ausfallen.

Ein Zusammenhang von ALS mit Immunerkrankungen ist dabei allerdings nicht bekannt.

Häufigkeit und Vorkommen von ALS

ALS ist eine seltene Krankheit. Die Häufigkeit der Neuerkrankungen pro Jahr (die sogenannte Inzidenz) beträgt circa zwei von 100.000 Personen (2:100.000).

ALS ist weltweit verbreitet. Obwohl die Ursache der Erkrankung unbekannt ist, gibt es Gebiete, in denen ALS auffällig häufig vorkommt (Endemiegebiete). Auf der Insel Guan im Westpazifik erkranken jährlich circa 50-mal so viele Personen wie an anderen Orten auf der Welt. Die Wissenschaft nimmt daher an, dass Umweltumstände einen Einfluss auf die Erkrankung haben müssen. Genaueres ist darüber allerdings noch nicht bekannt.

In welchem Alter erkrankt man an ALS?

Am häufigsten erkranken Personen im Alter zwischen 50 Jahren und 70 Jahren an dieser seltenen Krankheit. Männer sind dabei öfter betroffen als Frauen (im Verhältnis 1,5:1). Bei Kindern tritt ALS nur in extrem seltenen Fällen auf.

Eine Sonderform der Nervenkrankheit ist die sogenannte chronisch-juvenile Form der ALS. Diese Variante tritt meistens zwischen dem 25. und 35. Lebensjahr auf, nimmt aber einen langsameren Verlauf als die gewöhnliche Form. An ihr erkrankte der berühmte Physiker Stephen Hawking, der mit 21 Jahren bereits Symptome zeigte, aber erst mit 76 Jahren an ALS verstarb. Normalerweise verläuft allerdings auch diese Sonderform schneller.

Wie gehen Betroffene mit dieser Krankheit um?

Um besser über ALS aufzuklären und weiterhin aktiv am Leben teilnehmen zu können, veröffentlichen einige Erkrankte ALS-Tagebücher in sozialen Netzwerken oder auf eigenen Websites. Sie berichten über Hoffnungen und Ängste, die sie im Zusammenhang mit ihrer Krankheit erleben, und lassen somit Betroffene und Interessierte durch Erfahrungsberichte an ihrem Leben teilhaben.

Bekommen an ALS-Erkrankte finanzielle Hilfe?

Kommt es im Zusammenhang mit ALS zu längeren Ausfällen bei der Erwerbstätigkeit, werden von den Krankenkassen Krankengelder bezahlt. Wenn die Erwerbsunfähigkeit über einen längeren Zeitraum besteht, muss allerdings Arbeitslosengeld beantragt werden.

Ist der ganz normale Alltag schon durch Krankheitssymptome belastet, kann zusätzlich beim zuständigen Gesundheitsamt die Behinderung amtlich bescheinigt werden. Dadurch erhalten Erkrankte weitere finanzielle Unterstützung.

Kann man ALS vorbeugen?

Da die Ursache der Erkrankung nicht geklärt ist, kann ihr nicht vorgebeugt werden. Regelmäßige Bewegung und gesunde Ernährung tragen jedoch grundsätzlich zu einem gesunden Muskelstoffwechsel bei.