Mann mit Hörproblemen setzt Hörgerät ein
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Hörprobleme: Wann braucht man ein Hörgerät?

Von: Valerie Burmester (Ärztin)
Letzte Aktualisierung: 18.05.2021 - 10:14 Uhr

Das Hören ist zentraler Bestandteil des Lebens. Andere verstehen, Gespräche führen, die Umwelt wahrnehmen – all dies wird erschwert, wenn der Hörsinn nicht mehr richtig funktioniert. Ein gut angepasstes Hörgerät kann das Hörvermögen aber nahezu vollständig wiederherstellen. Es hilft dabei, weiter uneingeschränkt am Leben teilzunehmen. Ab wann ein Hörgerät sinnvoll ist, ob ein Hörgerät von der Krankenkasse bezahlt wird und worauf Sie bei der Auswahl Ihres Gerätes achten sollten, erklären wir Ihnen hier.

Wie funktioniert das Hören?

Am Hören sind die drei Teile des Ohres sowie das Trommelfell, der Hörnerv und das Gehirn beteiligt. Das äußere Ohr empfängt mit der Ohrmuschel die Schallwellen. Über den Gehörgang werden sie zum Trommelfell weitergeleitet. Dieses beginnt zu schwingen.

Durch die Schwingung werden die Gehörknöchel im Mittelohr in Bewegung gesetzt. Sie übertragen und verstärken den Schall und geben ihn über das sogenannte runde Fenster an das Innenohr weiter.

Im Innenohr wird die Flüssigkeit in der sogenannten Schnecke in Bewegung gesetzt. In der Schnecke liegt auch das Corti-Organ mit Haarzellen, die als Sensoren dienen. Durch die Schwingung der Flüssigkeit scheren diese Haarzellen aus. Diese Scherbewegungen werden in elektrische Impulse umgewandelt, die vom Hörnerv wahrgenommen und in das Gehirn geleitet werden. Der Eindruck des Hörens entsteht.

Das Hören ist also ein komplexer Vorgang und erfordert das Zusammenspiel verschiedenster Komponenten.

Wie entsteht Schwerhörigkeit?

Eine Schwerhörigkeit entsteht, wenn eine der am Hörvorgang beteiligten Komponenten geschädigt wird. Es gibt verschiedenste Ursachen für solche Schädigungen, zum Beispiel:

  • degenerative (abbauende) Prozesse im Alter
  • ein akustisches Trauma (zum Beispiel nach einem lauten Knall)
  • Infektionen (zum Beispiel Mumps, Borreliose)
  • erbliche Faktoren

Am häufigsten kommt es zu einer Schallempfindungsschwerhörigkeit, auch Innenohrschwerhörigkeit genannt. Dabei sind die Haarzellen im Corti-Organ durch Verschleiß in ihrer Funktion beeinträchtigt. Befördert wird dieser Verschleiß beispielsweise durch Lärm, Medikamente oder Entzündungen.

Wie erkennt man eine Schwerhörigkeit?

Eine Innenohrschwerhörigkeit entwickelt sich sehr langsam, sodass die Symptome von Betroffenen häufig erst sehr spät wahrgenommen werden. Bemerkbar macht sich eine Hörminderung beispielsweise durch schlechtes Verstehen des Gegenübers oder eine Erhöhung der Lautstärke des Fernsehers oder Radios. Wird der andere schlecht verstanden, wird dies häufig mit "Nuscheln" oder zu lauten Nebengeräuschen entschuldigt.

Oft sind deshalb es auch die Angehörigen, denen zuerst eine Verschlechterung der Hörleistung ihres Gegenübers auffällt und die den Betroffenen mit der nötigen Sensibilität darauf aufmerksam machen sollten. Wurde eine Schwerhörigkeit erkannt, ist eine Hörhilfe eine gute Lösung und trägt dazu bei, Missverständnisse in der Partnerschaft oder im Berufsleben, die durch die Schwerhörigkeit entstehen können, zu vermeiden. Auch gesundheitliche Beeinträchtigungen, die mit der ständigen Höranstrengung zusammenhängen, wie Müdigkeit, Antriebslosigkeit oder Kopfschmerzen, können so gemindert werden.

Hörhilfen nutzen bei Schwerhörigkeit, die im Bereich des Ohrs entsteht, nicht aber, wenn der Hörnerv oder der für das Hören verantwortliche Teil des Gehirns geschädigt ist.

Bei Hörproblemen: Hörtest

Wenn Sie im alltäglichen Leben Probleme beim Verstehen anderer Leute, beim Wahrnehmen von Geräuschen oder beispielsweise beim Hören des Fernsehers haben und sich dadurch eingeschränkt fühlen, ist es sinnvoll, Ihr Hörvermögen von einem Hals-Nasen-Ohren-Arzt (HNO-Arzt) testen zu lassen. Ob ein Hörgerät notwendig ist, stellt dieser mit verschiedenen Hörtests fest. Die Tests dienen dazu, den Hörverlust und somit die Ausprägung der Schwerhörigkeit zu messen.

Der Arzt bestimmt unter anderem die Hörkurve des Patienten, also die Lautstärke, ab der ein Ton wahrgenommen werden kann; für jedes Ohr einzelnen und für verschiedene Tonhöhen (Frequenzen). Auch das Sprachverständnis wird überprüft.

Beide Tests werden mithilfe von Kopfhörern durchgeführt und die Ergebnisse mit denen Normalhörender verglichen. Anhand dieser Normalwerte ist festgelegt, ab welchem Hörverlust ein Hörgerät sinnvoll ist.

Alternativ kann auch ein Hörakustiker einen kostenlosen Hörtest durchführen. Damit die Krankenkasse die Kosten für ein Hörgerät übernimmt, muss ein Arzt jedoch eine entsprechende Hörgeräteverordnung ausstellen.

Ab wann braucht man ein Hörgerät?

Eine Indikation für ein Hörgerät besteht, wenn:

  • auf dem besseren Ohr die Hörschwelle mindestens 30 Dezibel (dB) unter der Normalhörender liegt
  • bei einer Sprachlautstärke von 65 Dezibel (dB) 20 Prozent der Testwörter nicht mehr erkannt werden

In Ausnahmefällen kann ein Hörgerät auch bei leichterer Schwerhörigkeit, also unterhalb der oben aufgeführten Indikationsgrenzen, verschrieben werden. Dies gilt insbesondere, wenn der Betroffene durch seine Schwerhörigkeit in seinem Beruf eingeschränkt wird.

Außerdem kann die frühzeitige Verordnung eines Hörgeräts auch bei geringem Hörverlust sinnvoll sein, wenn keine Besserung der Hörminderung zu erwarten ist. Wartet man zu lange, tritt ein Gewöhnungseffekt ein und das Hörvermögen verschlechtert sich unbemerkt weiter. Das Gehirn muss dann mit dem Tragen eines Hörgerätes erst wieder lernen, diese Töne zu interpretieren. Zudem kann Schwerhörigkeit die Lebensqualität beeinträchtigen: Missverständnisse, ein Rückzug aus dem sozialen Leben und depressive Verstimmungen können die Folge sein. Ein Hörgerät kann dem leicht vorbeugen.

Wie geht es nach der Verschreibung eines Hörgerätes weiter?

Um sich ein Hörgerät auszusuchen und anpassen zu lassen, geht man mit der Verordnung des Hals-Nasen-Ohren-Arztes zum Hörakustiker. Obwohl alle Hörakustiker Hörgeräte im Preisrahmen der Kassenleistung (sogenannte Kassenmodelle) anbieten müssen, ist ein Preisvergleich zwischen verschiedenen Akustikern ratsam, um das bestmögliche Gerät zu finden.

Der Hörakustiker fertigt einen Abdruck des Gehörgangs an, um ein Ohrpassstück (Otoplastik) – also den Teil des Hörgerätes, der im Ohr sitzt – individuell herstellen zu können.

Gemeinsam mit dem Akustiker sucht sich der Betroffene ein für seine Bedürfnisse passendes Hörgerätemodell aus. Die technischen Notwendigkeiten und der Tragekomfort sollten hier in erster Linie eine Rolle spielen. Neben den akustischen Aspekten sind für viele Träger von Hörgeräten auch kosmetische Aspekte entscheidend (zum Beispiel Im-Ohr- oder Hinter-dem-Ohr-Geräte).

Im Anschluss übernimmt der Akustiker die technische Feineinstellung des Gerätes. Er passt die Verstärkung an das Hörempfinden des Betroffenen und an die in den Hörtests erhobenen Daten an. Zudem gibt er Tipps zum richtigen Hören mit dem Hörgerät, etwa beim Telefonieren oder bei lauten Umgebungsgeräuschen, sowie zur richtigen Pflege, zum Beispiel zu Reinigung und Batteriewechsel.

Ist der Betroffene mit der Einstellung zufrieden, nimmt er einen abschließenden Kontrolltermin beim Hals-Nasen-Ohren-Arzt wahr. Dieser überprüft, ob das Hörgerät gut sitzt und die Schwerhörigkeit entsprechend ausgeglichen werden kann.

Wer hilft bei auftretenden Problemen?

Wenn im weiteren Verlauf Probleme wie Entzündungen, Schmerzen beim Tragen oder Ähnliches auftauchen, sollte erneut Rat bei einem Arzt gesucht werden. Für technische Fragen und Anpassungen im Rahmen der Nachsorge steht der Hörakustiker zur Verfügung.

Ansonsten steht dem tagtäglichen Tragen des Hörgerätes nichts mehr im Wege.

Was zahlt die Krankenkasse?

Wenn ein Hörgerät vom Arzt als medizinisch notwendig erachtet wird, ist jede gesetzliche Krankenkasse dazu verpflichtet, eine Kostenübernahme bis zu einem Festbetrag von 733,59 Euro beziehungsweise 786,86 Euro bei an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit zu leisten.

Zusätzlich zum Hörgerät selbst sind in der Kassenleistung alle ärztlichen Tests sowie die Anfertigung und Anpassung des Hörgerätes enthalten. Kassengeräte müssen über folgende Ausstattung verfügen:

  • Digitaltechnik
  • 4 oder mehr Kanäle (für unterschiedliche Tonfrequenzen, anpassbar auf den Hörverlust im jeweiligen Frequenzbereich)
  • 3 oder mehr Hörprogramme (zum Beispiel für Restaurantbesuche oder Fernsehen)
  • Rückkopplungs- und Störschallunterdrückung
  • Einstellung kann automatisch angepasst werden
  • Verstärkungsleistung über 75 Dezibel (bei an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit)

In vielen Fällen sind die Kassengeräte ausreichend. Sollte ein teureres Gerät jedoch medizinisch notwendig sein, sollte man bei seiner Krankenkasse nachfragen, ob die Mehrkosten übernommen werden. Bei medizinischer Notwendigkeit müssen Krankenkassen auch die Kosten für technisch hochwertigere Geräte übernehmen.

Entscheidet sich der Träger aus nicht-medizinischen Gründen für ein hochwertigeres Gerät, muss er selbst für die Kosten aufkommen, die den Zuschuss der Krankenkasse überschreiten (Zuzahlung). Die Kosten für Batterien übernimmt die Krankenkasse nur bis zum 18. Lebensjahr.

Welche Arten von Schwerhörigkeit gibt es?

Schwerhörigkeit kann ihren Ursprung in verschiedenen "Schaltstellen" des Hörens haben. Betrifft die Schädigung des Gehörs das Außen- oder Mittelohr, spricht man von einer Schallleitungsschwerhörigkeit. Liegt die Schädigung im Innenohr, so handelt es sich um eine Schallempfindungsschwerhörigkeit. Bei beiden Formen kann ein Hörgerät den Hörverlust ausgleichen

Von einer zentralen Schwerhörigkeit spricht man bei Schädigung des Hörnervs oder des Gehirns. Hier helfen Hörgeräte oder Cochlea-Implantate nicht.

Die im Alter auftretende Schwerhörigkeit (Presbyakusis) entsteht durch degenerative (abbauende) Vorgänge im Innenohr – insbesondere am Corti-Organ. Diese werden unter anderem durch die lebenslange Dauerbeanspruchung des Gehörs hervorgerufen.

Auch im Rahmen einer Erkältung, Mittelohrentzündung, hoher Ohrenschmalzproduktion oder Ähnlichem kann es zu einer vorübergehenden Schallleitungsschwerhörigkeit kommen. Hier ist kein Hörgerät notwendig, bei länger anhaltenden Beschwerden sollte der Hals-Nasen-Ohren-Arzt dennoch aufgesucht werden.

Hörsturz – plötzlicher Hörverlust

Unter einem Hörsturz versteht man den ganz plötzlichen Eintritt einer Innenohrschwerhörigkeit. Meistens ist nur eine Seite betroffen. Begleitend kann ein Tinnitus auftreten.

Häufig lässt sich keine Ursache für den Hörsturz ermitteln. Vermutet wird, dass eine Durchblutungsstörung des Innenohrs verantwortlich ist.

Eine frühzeitige medikamentöse Therapie ist wichtig, um die Heilungschancen zu steigern. Allerdings gibt es auch bei schnellem Therapiebeginn eine große Rückfallneigung. Bei bleibender Hörminderung wird das Tragen eines Hörgerätes empfohlen.

Tinnitus – störende Ohrgeräusche

Ohrgeräusche ist der deutsche Begriff für einen Tinnitus. Sie sind keine eigenständige Erkrankung, sondern ein Symptom. Man unterscheidet seltene, objektive Ohrgeräusche, die beispielsweise durch den Blutstrom im Ohr hervorgerufen werden, von häufiger auftretenden, subjektiven Ohrgeräuschen, die durch vom Hörorgan falsch gebildete Informationen entstehen.

Die Therapie des Tinnitus zielt auf die Verbesserung der Lebensqualität ab, da eine Heilung meist nicht möglich ist. Ärztliche und psychologische Beratung beziehungsweise Betreuung helfen dem Betroffenen, Bewältigungsstrategien zu entwickeln und den Tinnitus nicht mehr als zentral und bedrohlich wahrzunehmen.

Auch das Tragen eines Hörgerätes bei einer häufig mit dem Tinnitus einhergehenden Schwerhörigkeit wird empfohlen. Dieses kann zusätzlich als "Tinnitus-Noiser" eingesetzt werden. Es spielt in diesem Fall ein dauerhaftes Rauschen ab, das den Tinnitus teilweise überdeckt. Soll er vollständig überdeckt werden, wird ein "Tinnitus-Masker" eingesetzt.

Was ist ein Cochlea-Implantat?

Das Cochlea-Implantat ist eine elektronische Hörprothese. Es kann die Innenohrfunktion ersetzen. Wichtig ist, dass Hörnerv und Hörbahn funktionsfähig sind.

Positioniert wird das Cochlea-Implantat hinter der Ohrmuschel unter der Haut. Hierfür ist eine Operation notwendig, bei der hinter dem Ohr ein kleiner Schnitt gemacht wird. Das Implantat wird dort im Knochen fixiert. Durch einen dünnen Kanal wird eine Elektrode in die Hörschnecke eingeführt, die mit dem Implantat verbunden ist. Das Implantat wandelt die Schallwellen in elektrische Impulse um. Diese gibt es direkt an den Hörnerv weiter.

Anwendung finden die Implantate bei völliger Taubheit oder Schwerhörigkeit, die durch ein Hörgerät nicht ausreichend korrigiert werden kann.

Hat ein Mensch sein Gehör erst nach Erlernen der Sprache verloren, sollte eine Implantation schnellstmöglich, im Idealfall innerhalb von sechs Monaten erfolgen. So kann auf gespeicherte Höreindrücke zurückgegriffen werden. Das Hören mit dem Cochlea-Implantat kann dadurch ohne spezielles Hörtraining erlernt werden.

Die Kosten für eine Cochlea-Implantat sowie für die Anschlusstherapien werden bei medizinischer Indikation von den gesetzlichen Krankenversicherungen übernommen.

Wann braucht ein Kind ein Hörgerät?

Zum Erlenen der Sprache ist das Hören sehr wichtig. Schwerhörige und gehörlose Kinder sind entsprechend gefährdet, in der Sprachentwicklung zurückzufallen. Deshalb sollten Hörprobleme bei Kindern möglichst frühzeitig entdeckt werden. Hierzu gibt es ein Neugeborenen-Screening und Hörtests im Rahmen der U-Untersuchungen.

Zeigt Ihr Kind ein auffälliges Hör- oder Sprechverhalten, sollten Sie auch abseits der U-Untersuchungen und trotz unauffälligem Neugeborenen-Screening einen Arzt aufsuchen. Die kindliche Schwerhörigkeit kann zwar angeboren sein, sie kann jedoch auch erst nach der Geburt durch beispielsweise Infektionen oder Entzündungen entstehen.

Mit einem frühen Therapiebeginn kann eine normale Sprachentwicklung in der Regel gewährleistet werden. Ab dem dritten Lebensmonat ist eine Versorgung mit Hörgeräten möglich. Bereits ab dem sechsten Lebensmonat können Cochlea-Implantate eingesetzt werden. Zur weiteren Unterstützung der Kindesentwicklung werden spezielle Hör-, Sprech- und Sprachübungen angeboten.

In den meisten Fällen ist der Besuch einer Regelschule für Kinder, die rechtzeitig Hörhilfen erhalten, möglich.

Die Kosten für Hörhilfen bei Kindern werden im gleichen Rahmen von der Krankenkasse übernommen wie bei Erwachsenen. Bis zum 18. Lebensjahr werden zusätzlich die Kosten für die Batterien eines Hörgerätes getragen.

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