Ärztin behandelt Patient mit Nierenversagen
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Akutes Nierenversagen: Ursachen, Symptome & Behandlung

Von: Dagmar Reiche (Ärztin und Medizinautorin), Jasmin Rauch (Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 30.06.2022 - 15:39 Uhr

Bei einem akuten Nierenversagen, auch akute Niereninsuffizienz oder akute Nierenschädigung genannt, kommt es sehr plötzlich zu einem Verlust der Nierenfunktion. Wird keine Behandlung eingeleitet, ist das akute Nierenversagen lebensbedrohlich. Welche Ursachen stecken dahinter, welche Symptome treten auf und was für unterschiedliche Stadien des Nierenversagens gibt es? Das und mehr lesen Sie hier.

Was ist ein akutes Nierenversagen?

Im Normalfall ist es die Aufgabe der Nieren, über den Urin überschüssige Mineralstoffe, Stoffwechselendprodukte und giftige Substanzen auszuscheiden. So bleiben auch der Flüssigkeits- und der Säure-Basen-Haushalt des Körpers im Gleichgewicht.

Von einem akuten Nierenversagen (ANV) spricht man, wenn sich diese Filterfunktion der Nieren innerhalb weniger Stunden oder Tage so stark verschlechtert, dass sich Giftstoffe schnell im Körper anreichern. Da weniger Urin ausgeschieden wird, kommt es zudem zu Wasseransammlungen (Ödemen) im Körper, insbesondere in den Beinen, seltener auch in der Lunge. Diese Situation kann für die betroffene Person lebensgefährlich werden.

Im Gegensatz dazu verschlechtert sich die Funktion der Nieren bei der chronischen Niereninsuffizienz schleichend über einen längeren Zeitraum hinweg. Dabei sind die Schädigungen der Nieren unumkehrbar, wohingegen sich das Nierengewebe bei der akuten Niereninsuffizienz nach einer erfolgreichen Therapie wieder erholen kann. Weitere Informationen zur chronischen Niereninsuffizienz erhalten Sie hier.

Ursachen: Wie entsteht ein akutes Nierenversagen?

Bei akutem Nierenversagen werden die Ursachen in "prärenal" (vor den Nieren, also beispielsweise Blutverlust als Auslöser), "intrarenal" (in den Nieren, beispielsweise Vergiftungen) sowie "postrenal" (hinter den Nieren durch Verschluss der Harnwege, beispielsweise bei einem Harnstein) unterteilt.

Prärenale Ursachen

Das akute Nierenversagen ist meist Folge einer plötzlichen Mangeldurchblutung der Nieren. Dies kann bedingt sein durch plötzlichen Blutverlust, wie er beispielsweise nach einem schweren Unfall auftritt, durch Komplikationen bei Herz- oder Lungen-OPs oder durch einen jähen Blutdruckabfall wie beim Schock.

Auch eine starke Dehydration oder schwere Verbrennungen können ein akutes Nierenversagen auslösen.

Intrarenale Ursachen

Häufige Ursache ist auch eine Vergiftung, die das Nierengewebe schädigt (wie durch Bakteriengifte bei Infektionen, beispielsweise bei einer Sepsis) oder eine allergische Schädigung der Nierenkörperchen. Die Vergiftung geschieht meist durch Medikamente, wie Zytostatika, Aminoglykosid-Antibiotika, Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) oder Röntgenkontrastmittel.

Auch Erkrankungen, die die Blutgefäße der Nieren schädigen, wie starker Bluthochdruck, können eine akute Niereninsuffizienz verursachen. In seltenen Fällen kann auch eine Entzündung des Nierengewebes (Glomerulonephritis) dahinterstecken.

Postrenale Ursachen

Ein weiterer möglicher Auslöser für die Nierenschädigung ist ein gestörter Abfluss des Urins aus den Nieren, beispielsweise verursacht durch Harnsteine, Tumore oder einen verstopften Urinkatheter.

Akutes Nierenversagen: Symptome

Zunächst stehen bei dem akuten Nierenversagen meist die Symptome der Grunderkrankung, beispielsweise der schweren Entzündung oder des Bluthochdrucks, im Vordergrund.

Danach kann es durch die Schädigung der Nierenfunktion zu weiteren Symptomen kommen. Mögliche Anzeichen sind unter anderem:

Unbehandelt kann akutes Nierenversagen zu einem starken Anstieg des Kaliumspiegels (Hyperkaliämie) im Blut führen. Überschüsse dieses Mineralstoffes werden normalweise über die Nieren ausgeschieden. Eine Hyperkaliämie kann im schlimmsten Fall zum Herzstillstand und einer Übersäuerung des Blutes (Azidose) führen, welche ein Koma zur Folge haben kann.

Diagnose: Laborwerte geben Aufschluss

Die körperlichen Anzeichen bei akutem Nierenversagen sind (mit Ausnahme der Harnproduktion) zunächst eher unspezifisch. Aus diesem Grund werden bei Patient*innen neben der Anamnese insbesondere Blut- und Urinproben zur Diagnose herangezogen. So werden die Kreatinin- und Harnstoffwerte überprüft. Im Urin werden Eiweißwerte sowie Harnsedimente bestimmt.

Je nach vermuteter Ursache können auch eine Ultraschalluntersuchung der Nieren und der Harnwege sowie eine Gewebeprobe aus der Niere vorgenommen werden.

Stadien des akuten Nierenversagens

Die akute Niereninsuffizienz wird zunächst in eine Form mit Oligurie (verminderter Harnproduktion) und eine Form ohne Oligurie unterteilt.

Darüber hinaus unterscheidet man drei Stadien, die anhand der Parameter der sogenannten RIFLE- und AKIN-Kriterien bestimmt werden.

Stadium 1

Das im Blutserum gemessene Kreatinin ist in den letzten 48 Stunden um mindestens 0,3 Milligramm pro Deziliter Blutserum gestiegen oder es kam es zu einem 1,5- bis 1,9-fachen Anstieg des Kreatininwertes im Vergleich zum Ausgangswert.

Die ausgeschiedene Menge an Urin betrug innerhalb von sechs bis zwölf Stunden weniger als 0,5 Milliliter pro Kilogramm Körpergewicht.

Stadium 2

Das Serumkreatinin stieg um das 2- bis 2,9-fache des Ausgangswerts.

Die ausgeschiedene Menge an Urin betrug in den letzten sechs bis zwölf Stunden 0,3 Milliliter pro Kilogramm Körpergewicht.

Stadium 3

Der gemessene Kreatininwert im Blut stieg um mehr als das 3-fache des Ausgangswertes oder auf mindestens 4 Milligramm pro Deziliter Blutserum.

Die Urinmenge betrug für 24 Stunden weniger als 0,3 Milliliter pro Kilogramm Körpergewicht.

Behandlung bei akutem Nierenversagen

Bei rechtzeitiger Behandlung kann sich das akute Nierenversagen in vielen Fällen komplett zurückbilden – setzt die Therapie allerdings zu spät ein, kann die Niereninsuffizienz tödlich verlaufen. Die Behandlung richtet sich nach der Form und dem Stadium der Erkrankung. Das akute Nierenversagen ist ein Notfall, weshalb bei Verdacht auf die Erkrankung in jedem Fall der Rettungsdienst verständigt werden sollte.

Im Krankenhaus wird zum einen die zugrunde liegende Erkrankung therapiert – beispielsweise werden Harnsteine entfernt oder Infektionen behandelt. Zum anderen muss der Kreislauf stabilisiert werden. Liegt ein Blut- oder Flüssigkeitsverlust vor, wird dieser ausgeglichen. Die Urinausscheidung sowie der Volumenstatuts (bei Überwässerung) werden überwacht.

Darüber hinaus erfolgt eine symptomatische Therapie mit Medikamenten wie Dopamin und dem Hormon ANP, um die Durchblutung der Nieren zu verbessern und die Ausscheidung von Urin über die Nieren zu fördern. Ab Stadium 2 ist häufig vorübergehend eine Dialyse (Nierenersatztherapie) erforderlich. Als Orientierung dienen behandelnden Ärzten*Ärztinnen die internationalen KDIGO-Empfehlungen ("Kidney Disease – Improving Global Outcomes").

Prognose: Wie häufig kommt es zum Tod?

Erst, wenn die auslösende Erkrankung überstanden ist, ist die Prognose meist günstig, da sich die Gewebeänderungen nach einer akuten Niereninsuffizienz in der Regel wieder zurückbilden. Ist die Ursache nicht in den Griff zu bekommen, ist die Sterblichkeit dagegen sehr hoch, insbesondere, wenn schwere Vorerkrankungen bestehen oder andere Organe geschädigt wurden. Schätzungsweise jede zweite Person, die wegen akutem Nierenversagen behandelt wird, stirbt. Allerdings ist die eigentliche Todesursache dabei häufig die zugrundeliegende Erkrankung, die die Niereninsuffizienz zur Folge hatte.

Generell ist die Prognose besser, wenn keine Oligurie aufgetreten ist. In einigen Fällen kann eine dauerhafte Einschränkung der Nierenfunktion in Form einer chronischen Niereninsuffizienz die Folge eines akuten Nierenversagens sein.

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