Frau mit Borderline-Syndrom wütend vor Spiegel
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Borderline: Ursachen, Symptome und Therapie

Von: Daniela Kirschbaum (Medizinautorin)
Letzte Aktualisierung: 02.08.2022 - 15:43 Uhr

Als Borderline-Syndrom bezeichnet man eine Persönlichkeitsstörung, die sich durch massive emotionale Instabilität äußert. In der Regel ist die psychische Erkrankung mit starkem Leidensdruck verbunden. Erste Symptome zeigen sich häufig schon im Jugendalter. Eine rasche Diagnose und engmaschige Behandlung stabilisieren den Krankheitsverlauf und verbessern die Prognose deutlich. Vor allem die Psychotherapie spielt dabei eine wichtige Rolle. Wir informieren über Ursachen, Anzeichen und Therapie des Borderline-Syndroms.

Was ist Borderline?

Der gängigen Definition nach handelt es sich bei der Borderline-Störung (borderline personality disorder oder Borderline-Persönlichkeitsstörung, BPS) um eine psychische Erkrankung, die durch Impulsivität sowie Instabilität von Stimmung, Emotion, Identität und zwischenmenschlichen Beziehungen gekennzeichnet ist. Selbstbild und Körperwahrnehmung sind mitunter deutlich beeinträchtigt. Borderline nimmt Einfluss auf die Gefühlswelt, das Verhalten, das Erleben sowie die Identität.

Dies zeigt bereits, dass es sich dabei um eine sehr komplexe Krankheit handelt. Gemeinhin empfinden Betroffene einen großen Leidensdruck. Auch das engere Umfeld leidet häufig unter den destruktiven Verhaltensmustern.

Borderline-Syndrom: Daten und Fakten

Man geht davon aus, dass deutschlandweit etwa drei Prozent der Bevölkerung am Borderline-Syndrom leiden. Erste Symptome zeigen sich häufig bereits im Jugendalter. Nach dem 30. Lebensjahr stabilisiert sich der Verlauf der Erkrankung in der Regel ein wenig. Männer und Frauen sind etwa gleich häufig betroffen, wobei sich Statistiken zufolge deutlich mehr Frauen in Therapie begeben als Männer. Das Verhältnis beträgt hier circa 3:1.

Abgrenzen muss man die Borderline-Persönlichkeitsstörung von der bipolaren Störung, anderen Persönlichkeitsstörungen (wie etwa histrionischer oder narzisstischer Persönlichkeitsstörung) sowie Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis. Begleiterkrankungen wie Depression, Drogenmissbrauch, Zwangs- und Angststörungen, soziale Phobien oder Essstörung kommen relativ häufig vor.

Die Suizidrate fällt bei Borderline-Betroffenen mit etwa fünf bis zehn Prozent hoch aus. Bei etwa 60 Prozent kommt es zu mindestens einem Selbstmordversuch. Selbstverletzende Verhaltensweisen finden demgegenüber in bis zu 80 Prozent der Fälle statt.

Wie äußert sich ein Borderline-Syndrom?

Emotionale Instabilität und Impulsivität führen zu einem inneren Druck, den Betroffene oft kaum aushalten. Wie aber verhält sich jemand mit Borderline konkret?

Betroffene haben massive Probleme, ihre Gefühle zu regulieren. Zudem fällt die Impulskontrolle schwer. Typische Symptome von Frauen und Männern mit Borderline-Syndrom sind starke Stimmungsschwankungen und heftige Wutausbrüche. Extreme Stimmungslagen wie Gereiztheit, Wut, Angst oder Verzweiflung können innerhalb von wenigen Stunden wechseln. Borderliner*innen fühlen sich rasch unter Druck gesetzt und überfordert. Der Selbstwert leidet mitunter massiv.

Starke Anspannung bauen Menschen mit Borderline häufig ab, indem sie sich gegen den eigenen Körper richten, beispielsweise durch das sogenannte Ritzen. Solch selbstverletzendes Verhalten ist ebenso charakteristisch wie selbstschädigende beziehungsweise riskante Verhaltensweisen. Dazu zählen etwa Drogen- und Alkoholmissbrauch, Ess-, Spiel- oder Kaufsucht, aber auch riskante sexuelle Kontakte und Verhaltensweisen, die an Sexsucht erinnern.

Borderliner*innen haben in der Regel Schwierigkeiten, sich zu binden. Die Angst vor Nähe wechselt mit Panik vor dem Alleinsein und dem Verlassenwerden. Idealisierung und Abwertung finden gleichermaßen statt. Manipulation – und in diesem Zusammenhang durchaus auch Lügen – ist häufig Thema. Demnach sind instabile Beziehungen ein Anzeichen des Borderline-Syndroms. Enge zwischenmenschliche Bindungen – etwa jene zu Angehörigen wie Partner*innen oder Kindern – laufen meist deutlich konfliktbehaftet ab. Das Unvermögen, stabile soziale Kontakte zu gestalten, führt oftmals zu einem Gefühl der inneren Leere und Einsamkeit. Nicht selten hat das Depressionen zur Folge. Zudem ist die Borderline-Persönlichkeitsstörung durch erhöhte Suizidalität gekennzeichnet. Auch Suiziddrohungen – meist als Mittel zur Manipulation anderer – sind keine Seltenheit.

Beim Borderline-Syndrom kommt es außerdem zu Störungen der Identität. Das Selbstbild schwankt. Betroffene scheinen im Hinblick auf ihre Einstellungen und Werte oftmals wenig fassbar.

Nicht zuletzt kann es zur Dissoziation (Abspaltung von Gedanken, Emotionen, Empfindungen und Handlungen) sowie einer psychotischen oder paranoiden Symptomatik kommen. Dies tritt jedoch nur vorübergehend auf und ist nicht von Dauer.

Borderline-Syndrom: Symptome im Überblick

Zusammengefasst finden Sie hier einen Überblick der typischen Anzeichen bei Borderline:

  • Instabilität in Emotionen, Selbstbild und Beziehungen
  • Impulsivität und Wutausbrüche
  • starke innere Anspannung
  • Beziehungen schwanken zwischen Idealisierung und Abwertung
  • starkes Schwarz-Weiß-Denken
  • schwankendes Selbstwertgefühl
  • Stimmungsschwankungen
  • Gefühl von Einsamkeit und innerer Leere; Depression
  • selbstverletzende und/oder riskante Verhaltensweisen
  • Suizidalität (auch Drohungen)
  • dissoziative, paranoide oder psychotische Gedanken (kurzzeitig)

Welche Borderline-Typen gibt es?

Nach ICD-10, der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, unterscheidet man bei der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung zwischen:

  • Impulsiver Typus: emotional instabil sowie mangelnde Impulskontrolle
  • Borderline-Typus: Zusätzlich ist die Wahrnehmung der eigenen Person (Selbstbild, Identität) schwankend; es kommt zu instabilen Beziehungen, selbstverletzenden Verhaltensweisen und mitunter Suizidalität

Je nach vorliegenden Symptomen lassen sich Betroffene einem der beiden Typen zuteilen.

Was sind die Ursachen für die Persönlichkeitsstörung?

Die Gründe für das Borderline-Syndrom waren lange Zeit unbekannt. Mittlerweile geht man von einer biopsychosozialen Entstehung aus. Das bedeutet: Genetische Faktoren (Veranlagung) sowie traumatische Erfahrungen in der früheren Kindheit dürften als Ursache in starker Wechselwirkung stehen. Vor allem sexueller Missbrauch und Gewalterfahrung, aber auch Vernachlässigung sowie belastende Ereignisse wie Verlust oder Trennung spielen eine Rolle bei der Entstehung der Störung.

Wie wird das Borderline-Syndrom diagnostiziert?

Die Diagnose der Borderline-Persönlichkeitsstörung erfolgt bei einem*einer Facharzt*Fachärztin für Psychiatrie nach klinischen Kriterien. Der Diagnosestellung geht eine ausführliche Anamnese voraus, bei der nach Möglichkeiten auch nahe Bezugspersonen befragt werden. Danach kristallisiert sich für erfahrene Ärzte*Ärztinnen oftmals schon eine erste Verdachtsdiagnose heraus. Abgrenzen muss man Borderline von anderen psychischen oder organischen Erkrankungen, die für die Symptomatik ebenfalls verantwortlich sein könnten, etwa ADHS, die bipolare Störung oder weitere Persönlichkeitsstörungen. Auch Begleiterkrankungen wie etwa Depressionen oder Suchterkrankungen müssen berücksichtigt werden.

Zur gesicherten Diagnose des Borderline-Syndroms werden in der Regel standardisierte Fragebogen angewendet. Die Diagnosestellung der Borderline-Störung erfolgt also im Zuge von klinischen Interviews. Ein allgemeiner Test auf Borderline, den auch Menschen ohne medizinische Kenntnisse durchführen können, oder ein Selbsttest für Betroffene existiert demnach nicht.

Wie wird die Borderline-Persönlichkeitsstörung behandelt?

Bei der Therapie der Borderline-Erkrankung geht es nicht nur darum, den aktuellen Leidensdruck zu verringern sowie Suizidgedanken, Ängste oder Depressionen zu reduzieren, sondern auch darum, mit der Erkrankung auf lange Sicht bestmöglich zu leben. Um das zu erreichen, stützt sich die Behandlung von Borderline auf zwei Grundpfeiler: Psychotherapie und medikamentöse Therapie. Eine entsprechende psychiatrische Versorgung sowie eine gute psychotherapeutische Unterstützung sind demnach zwingend notwendig.

Borderline-Störung: Medikamentöse Therapie

Zur medikamentösen Behandlung der Borderline-Persönlichkeitsstörung kommen je nach Symptomen unterschiedliche Medikamente zum Einsatz. Sind Depression oder starke Ängste Thema, werden gemeinhin Antidepressiva (SSRI) verschrieben. Zudem setzt man Stimmungsstabilisatoren (etwa Lithium) ein. Bei Bedarf finden auch Antipsychotika Anwendung.

Borderline-Störung: Psychotherapie

Entscheidend ist eine gute psychotherapeutische Behandlung der Borderline-Störung. Hier stehen verschiedene Ansätze zur Verfügung. Neben kognitiver Verhaltenstherapie haben sich klassische psychoanalytische Konzepte sowie – gerade bei jungen Patient*innen – eine Familientherapie bewährt, in der auch Eltern und Angehörige einbezogen werden.

Die Dialektisch Behaviorale Therapie (DBT), eine Sonderform der kognitiven Verhaltenstherapie, muss besonders hervorgehoben werden, denn sie wurde speziell für die Behandlung von Menschen mit Borderline-Erkrankung entwickelt. Bei diesem dreiphasigen Therapieansatz wechseln Einzel- und Gruppentherapie. Grundsätzlich geht es in einem ersten Schritt um die generelle Stabilisierung sowie das Trainieren neuer Verhaltens- und Denkweisen. In einem zweiten Schritt kommt es zur Integration schwieriger Lebensereignisse, bevor in einem letzten Schritt Erlerntes im Alltag angewendet wird.

Ist die Borderline-Störung heilbar?

Die Borderline-Störung ist nicht heilbar, vielmehr muss man lernen, bestmöglich mit der Erkrankung zu leben. Durch eine geeignete Behandlung ist es möglich, den individuellen Leidensdruck zu verringern und Strategien zu entwickeln, um trotz Erkrankung im Alltag gut zurecht zu kommen und tragfähige Beziehungen aufzubauen. Je früher die Diagnose gestellt und eine passende Therapie eingeleitet wird, desto besser die Prognose.

Eine gewisse Schwierigkeit ergibt sich aus dem Schwarz-Weiß-Denken und dem Spannungsfeld zwischen Idealisierung und Abwertung. Dies kommt nämlich auch im Therapieprozess zum Tragen, was häufige Abbrüche und Wechsel zur Folge hat. Umso wichtiger ist es, eine*n Therapeutin*Therapeuten zu wählen, die*der auf die Therapie der Borderline-Persönlichkeitsstörung spezialisiert ist und mit entsprechenden Konzepten arbeitet.

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