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Lauterbach: Brauchen "Aufholjagd" bei Digitalisierung des Gesundheitswesens

Quelle: Agence-France-Presse
Letzte Aktualisierung: 09.08.2023 - 15:33 Uhr

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat die Notwendigkeit einer "Aufholjagd" bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens bekräftigt. Nach dem elektronischen Rezept würden in diesem Sommer auch die elektronische Patientenakte und das Forschungsdatengesetz auf den Weg gebracht, sagte Lauterbach am Mittwoch. An die Adresse der Ärzteschaft mahnte er, deren "Bedenkenträgerschaft" müsse enden.

Der Gesundheitsminister besuchte in Berlin-Charlottenburg eine kardiologische Gemeinschaftspraxis. Das E-Rezept funktioniere in der Praxis gut, sagte der Minister. Die Arbeitsabläufe würden deutlich vereinfacht und verbessert, außerdem werde Zeit eingespart. Das E-Rezept bringe aber auch mehr Sicherheit für die Patientinnen und Patienten, betonte Lauterbach. Fehler in der Medikation seien damit "viel unwahrscheinlicher".

Seit dem 1. Juli können E-Rezepte über die Gesundheitskarte eingelöst werden. Die Nutzung soll ab 2024 auch für Arztpraxen verpflichtend werden. 

Bis zum Mittwoch wurden nach Angaben Lauterbachs 2,4 Millionen dieser Rezepte eingelöst. "Bis jetzt sind die Erfahrungen sehr positiv", so der Minister. "Wir bekommen damit eine bessere Versorgung bei gleichzeitiger Entbürokratisierung."

Die elektronische Patientenakte könnte nach den Worten des Ministers am 30. August im Bundeskabinett beschlossen werden. Sie sei nötig, damit alle Ärzte an jedem Platz sehen könnten, "welche Untersuchungen sind bei einem Patienten in der Vergangenheit gemacht worden, wie haben sich die Laborwerte entwickelt, auf welche Medikamente hat er gut reagiert oder nicht".

Das ebenfalls zeitnah geplante Forschungsdatengesetz sei nötig, weil viele Pharmaunternehmen Deutschland als Forschungsstandort inzwischen mieden, weil Forschungsdaten fehlten.

Mit Blick auf Kritik aus der Ärzteschaft an den Digitalisierungsvorhaben sagte Lauterbach: "Wir können nicht so weitermachen wie bisher, die Bedenkenträgerei muss enden." Natürlich gebe es am Anfang "immer etwas Ruckelei", aber das E-Rezept funktioniere und die E-Akte werde ebenso funktionieren.

Die Stiftung Patientenschutz sieht in der Ärzteschaft die "größten Bremser" der Digitalisierung. "Schon beim Übertragen der Diagnosen zwischen den Praxen hapert es", erklärte Stiftungsvorstand Eugen Brysch. "Selbst wenn Befunde in einer Datenbank zum Download bereitstehen, kann nur der kleinste Teil der rund 65.000 Arztpraxen diese abrufen." Stattdessen müssten die Patienten Boten spielen. 

"Es wird Zeit, dass der Bundesgesundheitsminister Deutschland endlich auf den digitalen Beschleunigungsstreifen bringt", so Brysch. Es dürfe aber "keine Kompromisse in Sachen Datenschutz geben".

Der Deutsche Hausärzteverband sieht weiter Probleme. "Die Hausärztinnen und Hausärzte befürworten das E-Rezept – wenn es denn in der Praxis auch problemlos funktioniert. Das ist bis heute häufig leider nicht der Fall", sagte Verbandschef Markus Beier der "Rheinischen Post" (Donnerstagsausgabe). Einige Hersteller von Praxisverwaltungssystemen schafften es nicht, "ihre Systeme auf Vordermann zu bringen". Zudem "hakt es nach wie vor auch auf Seiten mancher Apotheken", so Beier.

Der Apothekerverband Nordrhein begrüßte, "dass es mit der Digitalisierung im Gesundheitswesen voran geht". Dadurch könnten die Apotheker "effizienter arbeiten und entlastet werden", sagte Verbandschef Thomas Preis der "Rheinischen Post". Bisher setze sich das E-Rezept aber nicht durch. Die Apotheken erwarten durch die seit Juli mögliche Einlösung über die elektronische Gesundheitskarte einen deutlichen Anstieg der elektronischen Verordnungen.

Die FDP-Gesundheitspolitikerin Christine Aschenberg-Dugnus erklärte, E-Rezept, elektronische Patientenakte und ein moderner Umgang mit Forschungsdaten seien wesentliche Bausteine der Digitalisierungsstrategie der "Ampel" für das Gesundheitswesen. "Die Aufholjagd in der Digitalisierung ist jetzt dringend notwendig, um in der Spitzenmedizin und als Forschungsstandort weiterhin Vorreiter zu bleiben", betonte sie. Deutschland sei hier im europäischen Vergleich bisher Schlusslicht.