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Studie: Impfungen von Kindern gegen tödliche Krankheiten weltweit ins Stocken geraten

Quelle: Agence-France-Presse
Letzte Aktualisierung: 25.06.2025 - 12:47 Uhr

Impfungen von Kindern zum Schutz vor potenziell tödlichen Krankheiten sind einer Studie zufolge weltweit ins Stocken geraten. Gründe sind wirtschaftliche Ungleichheit, Unterbrechungen während der Corona-Pandemie, Desinformation und Impfskepsis, wie aus der am Mittwoch im Fachmagazin "The Lancet" veröffentlichten Studie hervorgeht. Damit seien Millionen Menschenleben gefährdet.

Durch die Entwicklungen erhöhe sich die Gefahr künftiger Ausbrüche vermeidbarer Krankheiten, warnten die Wissenschaftler. Gleichzeitig würden durch umfangreiche Kürzungen internationaler Hilfen bisherige Fortschritte bei der Impfung von Kindern in aller Welt gefährdet. Für die Studie untersuchte ein internationales Team aus Forscherinnen und Forschern die Impfraten in mehr als 200 Ländern zwischen 1980 und 2023.

Die Studie verweist aber auch auf positive Entwicklungen. So habe ein Immunisierungsprogramm der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in den vergangenen 50 Jahren Schätzungen zufolge rund 154 Millionen Menschenleben gerettet. Im Kampf gegen Krankheiten wie Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten, Masern, Polio und Tuberkulose habe sich zudem die Impfquote zwischen 1980 und 2023 verdoppelt, fand das Wissenschaftlerteam heraus.

Allerdings verlangsamte sich der Anstieg in den 2010er Jahren, als Impfungen zum Schutz vor Masern in rund der Hälfte der Länder abnahmen. Der stärkste Rückgang wurde in Lateinamerika verzeichnet. In mehr als der Hälfte aller einkommensstarken Länder ging unterdessen der Anteil der Kinder zurück, die zumindest eine Impfdosis gegen Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten, Masern, Polio oder Tuberkulose bekamen.

Dann schlug die Corona-Pandemie zu: Wegen der Lockdowns und anderer Maßnahmen brachen die Routineimpfungen ein. Dies führte dazu, dass zwischen 2020 und 2023 die Zahl der Kinder, die nie eine Impfdosis erhielten, um weitere knapp 13 Millionen anstieg. Rund 15,6 Millionen Kinder haben nicht die aus drei Impfdosen bestehende, komplette Impfung gegen Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten oder Masern erhalten.

Die ungleiche Versorgung mit Impfungen hält der Studie zufolge weiter an, vor allem in ärmeren Ländern. Von den 15,7 Millionen Kindern weltweit, die 2023 keinerlei Impfschutz hatten, lebten mehr als die Hälfte in nur acht Ländern, die mehrheitlich südlich der Sahara in Afrika liegen. 

In der Europäischen Union wurden im vergangenen Jahr zehn Mal mehr Masern-Fälle gezählt als 2023. Bei einem Masern-Ausbruch in den USA wurden im vergangenen Monat mehr als 1000 Fälle in 30 Bundesstaaten registriert. Das sind schon mehr Fälle als im Gesamtjahr 2024.

Fälle von Kinderlähmung, die in vielen Regionen lange Zeit als ausgerottet galt, nehmen in Pakistan und Afghanistan wieder zu. Papua Neu Guinea erlebt aktuell einen Polio-Ausbruch.

"Routine-Impfungen in der Kindheit gehören zu den stärksten und kosteneffektivsten öffentlichen Gesundheitsmaßnahmen, die es gibt", erklärte Jonathan Mosser vom US-Institut für Gesundheitsmetriken und Evaluation (IHME), einer der leitenden Autoren der Studie. Anhaltende globale Ungleichheiten, Herausforderungen der Corona-Pandemie und die zunehmende Desinformation und Impf-Skepsis hätten "zusammen dazu geführt, dass der Immunisierungsprozess ins Stocken gerät", fügte Mosser hinzu. 

Hinzu kämen "steigende Vertriebenenzahlen und zunehmende Ungleichheit wegen bewaffneter Konflikte, politischer Unbeständigkeit, wirtschaftlicher Unsicherheit, Klimakrisen", fügte Emely Haeuser, ebenfalls leitende Autorin und vom IHME, hinzu. 

Die Wissenschaftler warnten davor, dass die Rückschläge das Ziel der WHO gefährden könnten, bis 2030 90 Prozent aller Kinder und Jugendlichen auf der Welt mit den wichtigsten Impfungen zu versorgen. Die WHO will zudem bis 2030 die Zahl der ungeimpften Kinder gegenüber dem Stand von 2019 halbieren. Dies haben bislang nur 18 Länder erreicht, wie aus der von der Impfallianz Gavi und der Gates Stiftung finanzierten Studie hervorgeht. 

Die globale Gesundheitsversorgung ist zudem ins Taumeln geraten, seitdem die US-Regierung von Präsident Donald Trump ihre internationalen Hilfen drastisch zusammengekürzt hat. 

"Zum ersten Mal seit Jahrzehnten wird die Zahl sterbender Kinder in der Welt wegen massiver Kürzungen ausländischer Hilfsgelder wahrscheinlich steigen statt sinken", erklärte Bill Gates am Dienstag. "Das ist eine Tragödie", erklärte der Microsoft-Mitgründer. Der Gavi-Impfallianz, die am Mittwoch eine Geberkonferenz in Brüssel abhielt, sagte Gates 1,6 Milliarden Dollar (knapp 1,4 Milliarden Euro) zu.