Geschichte der Narkose
Am 10. Dezember 1844 besuchte der Zahnarzt H. Wells in Hartford, USA die Vorstellung einer Wanderbühne, bei der als besondere Attraktion Freiwillige Lachgas (Distickstoffoxid) einatmen konnten. Während der Vorstellung beobachtete Wells, dass eine der Versuchspersonen sich eine klaffende Unterschenkelwunde zuzog, ohne dabei eine Schmerzreaktion zu zeigen. Am nächsten Vormittag ließ sich Wells, der intuitiv die ungeheure Bedeutung dieses Vorgangs erkannt hatte, unter Lachgas einen Weisheitszahn ziehen; er empfand keine Schmerzen.
Entwicklung der Narkose
Fünf Wochen später trat er mit seiner Entdeckung an die Öffentlichkeit, nachdem er sich bei zahlreichen Patienten von der Wirksamkeit des Gases überzeugt hatte: Im General Hospital in Boston wollte er eine schmerzlose Zahnextraktion durchführen. Der Versuch misslang, Wells wurde ausgepfiffen. 1848 beging er – als gebrochener Mann – Selbstmord. Doch die Entwicklung der Narkose war nicht mehr aufzuhalten.
An derselben Stelle, an der Wells gescheitert war, gelang bereits im Oktober 1846 W. Morton, einem früheren Mitarbeiter von Wells, die erste klinische Narkose mit Äther. 1847 führte J. Simpson in Edinburgh Chloroform als Narkosemittel ein. Wenige Jahre danach wurde in allen Operationssälen der Welt nur noch unter Narkose operiert.
Vollnarkose
Der Begriff "Narkose" leitet sich vom griechischen Wort "narce" ("Starre") ab. Bei einer Narkose werden durch Lähmung von Teilen des Zentralnervensystems
- die Schmerzempfindung
- das Bewusstsein
- die Abwehrreflexe
- die Muskelspannung
reversibel, das heißt vorübergehend, ausgeschaltet. Die Vollnarkose ("Allgemein-Anästhesie") benötigt deshalb eine Kombination verschiedener Medikamente: Schlafmittel, schmerzdämpfende Mittel, Muskelrelaxantien (Mittel zur Erschlaffung der Muskulatur) und reflexdämpfende Mittel. Der damit erreichte Zustand ist durch einen Tiefschlaf sowie Schmerzunempfindlichkeit gekennzeichnet. Im Unterschied zur Vollnarkose bleibt bei einer Teilnarkose das Bewusstsein erhalten. Bei dieser Narkoseform wird nur ein Teil des Körpers gefühllos und damit schmerzunempfindlich.
Vitalfunktionen
Lange Zeit waren 4 Narkosestadien (Guedel) Grundlage der Narkoseführung. Mittlerweile haben sie jedoch an Bedeutung verloren. Der Anästhesist orientiert sich bei den modernen Kombinationsnarkosen an anderen klinischen Zeichen, zu denen u.a. Blutdruck- und Pulsverhalten, Hautbeschaffenheit (Schwitzen, Durchblutung), Muskeltonus und Augenzeichen (z.B. Tränenfluss) gehören.
Während einer Vollnarkose müssen die Narkoseärzte also ständig die "Vitalfunktionen" des Patienten überprüfen. So wissen sie immer, ob das Herz richtig funktioniert (EKG läuft permanent mit, Blutdruck und Puls werden permanent gemessen), ob genug Sauerstoff im Blut ist (wird permanent gemessen), ob die Lunge gut funktioniert (Beatmungsdruck wird permanent gemessen).
Ältere und jüngere Gehirnregionen
Vor allem die Atmung und der Herzschlag – also unsere lebenswichtigen Funktionen arbeiten selbst in Narkose noch ganz gut. Dagegen wird das Bewusstsein komplett ausgeschaltet. Wie ist das möglich? Das eine Narkose überhaupt machbar ist, beruht darauf, dass unser Gehirn eine unterschiedliche Entwicklung genommen hat. Um zu überleben, musste sich zuerst ein zentrales Nervensystem entwickeln.
Erst zu einem sehr viel späteren Zeitpunkt haben sich in unserem Gehirn das Bewusstsein und der Intellekt gebildet. Während einer Narkose werden nun die jüngeren Regionen unseres Gehirns als erstes ausgeschaltet, ältere Hirnregionen mit den entsprechenden Funktionen sind dann immer noch weitgehend aktiv.
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