Beschneidung
Die weibliche Genitalverstümmlung ist ein grausames Ritual, was traditionell auch heute noch vor allem in Afrika, aber auch im Nahen und Mittleren Osten und in Asien praktiziert wird. Weltweit sind 100-150 Millionen Mädchen und Frauen betroffen, jährlich kommen etwa 2 Millionen hinzu, das heißt mehr als 5.000 pro Tag. Da immer mehr Frauen aus solchen Kulturen in die westliche Welt migrieren, gelangen diese Praktiken hier zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit. Es wird vermutet, dass in Deutschland derzeit bereits etwa 25.000 betroffene Frauen und 6.000 gefährdete Mädchen leben.
Um diese in Zukunft vor solch einem Schicksal zu bewahren, ist die möglichst objektive Aufklärung von betroffenen Frauen und Mädchen, der Öffentlichkeit und besonders bestimmter Berufsgruppen wie Sozialarbeiter, Psychologen, Ärzte, Hebammen, Pflegende und Juristen äußerst wichtig. Nur wenn diese sich der Thematik bewusst und dazu ausreichend geschult sind, gelingt es, betroffene und gefährdete Frauen adäquat sozial und medizinisch zu betreuen. Dazu gehört neben der Kenntnis über die verschiedenen Praktiken und deren Konsequenzen auch das Wissen um die soziokulturellen Hintergründe und Besonderheiten. Ein komplexes Thema, das nur mit viel Engagement, Aufmerksamkeit und Einfühlungsvermögen sowie Toleranz bewältigt werden kann.
Grausame Rituale
Die weibliche Beschneidung wird in vielen der sie praktizierenden Kulturen als Übergang von der Kindheit zum Erwachsenensein gesehen. Das Durchschnittsalter der Mädchen liegt bei 4 bis 8 Jahren. Die Eingriffe werden ohne Betäubung meist von speziellen Beschneiderinnen oder traditionellen Hebammen mit Instrumenten wie Messern, Rasierklingen und Glasscherben unter meist horrenden hygienischen Verhältnissen durchgeführt. Die zeitlichen und örtlichen Ursprünge des Rituals sind nicht genau bekannt.
Die traditionellen Glaubenslehren verbinden mit der Beschneidung neben gesellschaftspolitischen Gesichtspunkten auch Schönheitsideale, Reinlichkeit und Sittlichkeit. Durch die Beschneidung soll der Sexualtrieb der Frau eingedämmt werden, um so Untreue vor und während der Ehe vorzubeugen. Letztlich wird darüber der soziale Stellenwert und Rolle der Frau definiert: unter der Kontrolle des Mannes und nur dann etwas wert, wenn sie sich den vorgehsenen Ritualen unterzieht.
- Sunna: Es wird die Vorhaut der Klitoris entfernt; seltenste Form.
- Klitoridektomie: Die Klitoris und kleinen Schamlippen werden teilweise oder vollständig entfernt. Manchmal wird zusätzlich Haut und Gewebe aus der Vagina ausgeschabt werden (Introzision).
- Infibulation ("pharaonische Beschneidung"): Die Klitoris wird ganz entfernt, die kleinen Schamlippen ganz oder teilweise. Die großen Schamlippen werden abgeschabt und anschließend zusammengenäht oder mit Dornen zusammengeheftet. Für das Urinieren und die Menstruation verbleibt so nur noch ein kleines Loch, häufig nicht größer als ein Reiskorn.
- Varianten der verschiedenen Praktiken.
Die körperlichen und psychischen Folgen für die Mädchen sind gravierend. Nicht wenige sterben direkt nach dem Eingriff an Blutungen, Infektionen und Schock. Auch längerfristig ist die Sterblichkeit erhöht. Stärkste Beschwerden bei der Menstruation und dem Wasserlassen, ständige Schmerzen und immer wiederkehrende Entzündungen sind häufige Folgen, oft lebenslang. Auch Unfruchtbarkeit ist nicht selten, die Frauen haben meist Schmerzen beim Geschlechtsverkehr und leiden unter verminderter oder fehlender Orgasmusfähigkeit.
Ein weiteres Problem ist das Gebären - für viele Schwangere und ihre Kinder endet die Geburt tödlich. Bei der Infibulation muss das Gewebe oft wieder aufgetrennt werden, da der Ausgang zu klein für den kindlichen Kopf ist - nach der Geburt wird das Genital allerdings wieder verschlossen! Auch psychisch leiden die Frauen - aufgrund der starken Tabuisierung des Themas häufig still. So kann es zu Schlaf-, Ess- und Konzentrationsstörungen sowie Depressionen bis hin zum Suizid kommen.
Gegenbewegungen
In den Ursprungsländern, aber auch zunehmend in Europa, Kanada und den USA wird die Bekämpfung des Rituals überwiegend durch die Aufklärungsarbeit einheimischer Frauen oder Einwanderinnen geleistet. Diese haben sich vielerorts zu Gruppen zusammengeschlossen und versuchen, Überzeugungsarbeit zu leisten, damit die Tradition durch Vernunft ersetzt wird. Sie werden oft mit Geld, Autos und anderen Hilfsmitteln von internationalen Menschenrechtsgruppierungen wie Terre des Femmes, UNICEF, UNO, Amnesty International und INTACT unterstützt.
In den westlichen Industrieländern wird die Genitalverstümmelung als Menschenrechtsverletzung angesehen und als schwere Körperverletzung strafrechtlich verfolgt. Auch in Deutschland ist sie verboten - bereits der Versuch gilt als Verbrechen. Bis allerdings das endgültige Ziel von UNICEF und UNFPA - die Ausrottung dieser Praktiken innerhalb von drei Generationen - erreicht wird, müssen international noch viele Anstrengungen unternommen und unermüdlich Aufklärungsarbeit geleistet werden.
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