Mann mit Narkolepsie schläft am Schreibtisch
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Narkolepsie: Symptome und Therapie

Von: Jule Eder (Studentin der Humanmedizin)
Letzte Aktualisierung: 10.06.2024 - 14:39 Uhr

Tagsüber ein erfrischendes Nickerchen zwischendurch, um Kraft zu sammeln und danach erholt aufzuwachen – für Menschen mit Narkolepsie ist diese Vorstellung weit weg von ihrer alltäglichen Realität. Denn bei der "Schlafsucht" handelt es sich um eine Erkrankung, die mit nicht kontrollierbarer Müdigkeit und ungewollten Schlafattacken einhergeht. Aber was hat es mit dieser seltenen Krankheit auf sich, welche Symptome sind bei Narkolepsie typisch, welche Differenzialdiagnosen sollte man beachten und wie sieht die Therapie aus?

Was ist eine Narkolepsie?

Ganz generell gesprochen handelt es sich bei Narkolepsie um eine neurologische Erkrankung, also eine Erkrankung des Nervensystems. Sie geht mit einer gestörten Schlaf-Wach-Regulation einher. Die Narkolepsie gehört zur Gruppe der Schlafsuchterkrankungen (Hypersomnien).

Wie schon erwähnt, handelt es sich bei Narkolepsie um eine seltene Krankheit. Man geht davon aus, dass 20 bis 50 von 100.000 Personen davon betroffen sind. Ganz verlässlich sind diese Zahlen nicht, da vermutet wird, dass die Erkrankung unterdiagnostiziert ist. Das heißt, sie wird oftmals nicht erkannt. Männer erkranken etwas häufiger als Frauen. Die Gründe dafür sind unklar. Klassischerweise wird eine Diagnose bis zum 20. Lebensjahr gestellt, davon bereits ein Fünftel bei Kindern unter zehn Jahren.

Narkolepsie oder Schlafkrankheit?

Umgangssprachlich wird die Narkolepsie oftmals auch als "Schlafkrankheit" bezeichnet. Genau genommen fällt unter diesen Begriff aber die Humane Afrikanische Trypanosomiasis, auch Westafrikanische Schlafkrankheit genannt.

Bei dieser Tropenkrankheit handelt es sich um eine schwere Infektion des Nerven- und Lymphsystems. Die Ansteckung mit den auslösenden Parasiten erfolgt meist über den Stich von infizierten TseTse-Fliegen.

Welche Ursachen stecken hinter einer Narkolepsie?

Ursache der Narkolepsie ist ein Problem im Hypothalamus. Der Hypothalamus ist eine Region im Zwischenhirn, welche als das wichtigste Regulationszentrum von vegetativen, also nicht willentlich steuerbaren Funktionen gilt. Er regelt nicht nur den Schlafrhythmus, auch Dinge wie Körpertemperatur, Hunger und Sexualverhalten werden durch ihn kontrolliert.

Im Falle der Narkolepsie sterben bestimme Nervenzellen (Neuronen) im Hypothalamus ab, welche den Botenstoff Hypokretin (auch Hypocretin oder Orexin) produzieren – daher werden sie auch "Hypokretin-produzierende Neurone" genannt. Hypokretin ist ein Neurotransmitter, also ein Stoff, welcher Reize von Nervenzelle zu Nervenzelle weitergibt und auch verändern kann. Die genaue Krankheitsentstehung der Narkolepsie ist nach derzeitigem Stand nicht abschließend geklärt, jedoch wurden einige mögliche Auslöser bereits identifiziert.

Autoimmune Auslöser

Man unterscheidet bei der Narkolepsie Typ 1 und Typ 2. Bei der Narkolepsie Typ 1 – der mit 80 bis 90 Prozent aller Fälle häufigsten Form – geht man von einer autoimmunen Entstehung aus. Autoimmun bedeutet, dass das eigene Immunsystem gegen körpereigene Substanzen vorgeht.

Der Auslöser der Krankheit ist vermutlich der Eintritt eines Antigens in den Körper. Ein Antigen ist ein Molekül, welches vom Immunsystem als fremd erkannt wird und so eine Immunreaktion auslösen kann. Dieser erste Schritt des Antigeneintritts kann ausgelöst werden durch einige Infektionen, wie etwa mit Streptokokken oder Influenza-Viren. So konnte man in der Vergangenheit nach Grippe-Epidemien einen Anstieg an Narkolepsiediagnosen beobachten. Auch konnte nachgewiesen werden, dass es einen Zusammenhang zwischen vermehrten Narkolepsieerkrankungen und der Influenza-Impfung vor allem bei Kindern und Jugendlichen gibt. Der zugrundeliegende Mechanismus ist noch völlig unklar, wahrscheinlich ist jedoch, dass die Entstehung von Narkolepsie in Zusammenhang mit einer Influenza-Impfung multifaktoriell ist und nicht allein die Impfung Auslöser der Erkrankung ist.

Der Eintritt des Antigens führt dann über verschiedene komplexe Prozesse dazu, dass es zu einer Autoimmunreaktion kommt und im Anschluss zu dem erwähnten Angriff und der Zerstörung der Nervenzellen im Hypothalamus.

Das Vernichten der Hypokretin-produzierenden Neuronen geht entsprechend mit einer erniedrigten Hypokretinkonzentration im Liquor (Flüssigkeit, die das Gehirn und das Rückenmark umgibt) einher. Dies ist das ausschlaggebende Kriterium, um Typ 1 von Typ 2 abzugrenzen. Denn bei Narkolepsie Typ 2 liegt eine normale Hypokretinkonzentration im Liquor vor. Die Krankheitsentstehung der Narkolepsie mit diesen normalen Werten ist derzeit noch unklar.

Genetische Ursachen

Abgesehen von äußeren Faktoren, wie einer Infektion mit Viren, gibt es auch eine genetische Komponente. Zwar scheint die Genetik eine untergeordnete Rolle zu spielen, da beispielsweise familiäre Häufungen selten sind und die Erkrankung somit eher nicht vererbbar ist. Jedoch gibt es einen klaren Zusammenhang der Krankheit mit dem Auftreten bestimmter Antigene. So kommen bestimmte Arten von HLA (Humanes Leukozyten Antigen) gehäuft bei Patient*innen mit Narkolepsie vor. Zu nennen ist hier vor allem HLA-DQB1*0602, welches bei 98 Prozent der Betroffenen mit Narkolepsie Typ 1 und bei 50 Prozent der Menschen mit Narkolepsie Typ 2 vorliegt.

Auslöser einer sekundären Narkolepsie

Die Narkolepsie Typ 1 und 2 zählen zur primären Narkolepsie. Davon abgrenzen muss man die sekundäre Narkolepsie. Bei dieser kommt es zu strukturellen Schädigungen des Hypothalamus oder angrenzender Hirnteile, wodurch die Regulation des Schlafrhythmus gestört wird. Auslöser hierfür können etwa eine traumatische Verletzung, Schäden durch mangelnde Blutversorgung, Tumoren oder Entzündungen sein.

Symptome: Wie macht sich Narkolepsie bemerkbar?

Bei etwa zwei Drittel der Betroffenen mit Narkolepsie treten die Symptome akut auf, auch im Erstfall; bei den anderen entwickeln sie sich schleichend. Vier charakteristische Symptome können hervorgehoben werden:

  • Tagesschläfrigkeit: Das Hauptsymptom der Erkrankung ist eine sehr stark ausgeprägte Tagesschläfrigkeit mit einem imperativen Schlafdrang. Das bedeutet, dass die Betroffenen an Schlafattacken leiden, welche nicht willentlich unterdrückbar sind. Diese treten insbesondere in monotonen Situationen auf, beispielsweise in der Schule, im Büro oder beim Fernsehen, können aber auch in sozialen Situationen, wie im Gespräch, auftreten. Die Tagesschläfrigkeit ist unabhängig von ausreichender Erholung in der Nacht. In der Regel kommt es durch die Schlafepisode zu einer deutlichen Erholung, bevor nach wenigen Stunden erneut eine Schläfrigkeit einsetzt.
  • Kataplexie: Bei den meisten Betroffenen treten kataplektische Anfälle auf. Darunter versteht man einen plötzlichen, reversiblen Verlust der Muskelspannung. Dies kann komplett oder inkomplett sein, also den gesamten Körper oder nur Körperbereiche betreffen; auch einseitige Kataplexien sind beispielsweise möglich. Die Atemmuskulatur und die glatte Muskulatur (der inneren Organe etwa) sind nie betroffen. Verwaschene Sprache, das Schließen der Augenlider, das Wegkippen des Kopfes oder auch ein plötzliches Zusammensacken mit Sturz können die Folge sein. Dies passiert alles bei vollem Bewusstsein und hält von wenigen Sekunden bis hin zu zwei Minuten an. Auslöser hierfür ist häufig eine emotionale Stresssituation wie starke Freude, Aufregung oder Ärger. Kataplexien treten nur bei Narkolepsie Typ 1 auf.
  • Halluzinationen: Etwa die Hälfte der Betroffenen hat sogenannte hypnagoge (beim Einschlafen) oder hypnopompe (beim Aufwachen) Halluzinationen. Diese können das Sehen, Hören oder Fühlen betreffen (also visuell, akustisch oder taktil). In der Regel ist den Patient*innen die Entstehung der Wahrnehmungen bewusst und sie können sich davon distanzieren. Da diese Art der Halluzinationen jedoch auch bei bis zu 20 Prozent der Gesunden auftreten kann, hat sie keinen großen Krankheitswert.
  • Schlaflähmungen: Auch bei etwa der Hälfte der Betroffenen tritt eine Schlaflähmung (Schlafparalyse) auf. Dabei kommt es beim Einschlafen und/oder direkt nach dem Aufwachen zu einer kompletten Muskelatonie. Dies bedeutet, dass die Personen sich weder bewegen noch sprechen können, jedoch alles mitbekommen. Wie auch bei den Halluzinationen treten diese Formen von Schlaflähmungen bei bis zu 20 Prozent der Schlafgesunden auf und haben damit ebenfalls keinen Krankheitswert.

Weitere Symptome einer Narkolepsie können sein:

  • automatisches Handeln (etwa weiterlesen eines Textes, ohne diesen zu verstehen)
  • Fragmentierung des Nachtschlafs (also häufig längere Wachphasen, eventuell assoziierte Schlafstörungen, wie Schlafwandeln oder Schlafapnoe)
  • Gewichtszunahme
  • Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen
  • Depressionen
  • Potenzstörungen bei Männern
  • Kopfschmerzen
  • Leistungsminderung

Diagnostik bei Narkolepsie

Grundlage für die Diagnose einer Narkolepsie sind eine ausführliche Anamnese, also ein Gespräch zur Krankheitsgeschichte und den Beschwerden, eine körperliche Untersuchung sowie das Ausfüllen von strukturierten Tests in Form von Fragebögen. Wichtig ist dabei besonders die schlafmedizinische Anamnese, da besonders eine Kataplexie ein sehr wegweisendes Symptom ist, welches bei fast keiner anderen Erkrankung auftritt.

Verschiedene Skalen und Fragebögen, speziell ausgerichtet auf Kinder oder Erwachsene, können Narkolepsie-typische Symptome erfassen.

Meist wird eine Aktigrafie durchgeführt. Dafür trägt man über mehrere Tage tagsüber und nachts ein Gerät am Handgelenk, welches Bewegungen, Helligkeit und Umgebungstemperatur misst. Dadurch können Aktivitäts- und Ruhezyklen beurteilt und Rückschlüsse über etwa die Schlafdauer gezogen werden. Um den Schlaf-Wach-Rhythmus zu bewerten, können auch Schlaf-Wach-Protokolle angefertigt werden, in welchen die betroffenen Personen (oder bei Kindern ihre Eltern) die Schlaf- und Wachphasen festhalten.

Ziel dieser beiden Methoden ist es, die Schlafhygiene zu prüfen und einen Schlafmangel als Ursache auszuschließen.

Zu der klassischen Diagnostik gehört ebenfalls das Durchführen einer Polysomnografie. Dabei werden die Betroffenen in zwei aufeinanderfolgenden Nächten in einem Schlaflabor untersucht. Verschiedene Werte werden gemessen, unter anderem die Hirnströme mittels Elektroenzephalografie (EEG), die Augenbewegungen dank Elektrookulografie (EOG) und die Muskelaktivität mittels Elektromyografie (EMG). Des Weiteren wird gemessen:

Anhand der Beurteilung von Schlafdauer und -struktur können Narkolepsie-typische Befunde nachgewiesen sowie andere Schlafstörungen ausgeschlossen werden.

Auch durchgeführt wird in der Regel ein Multipler Schlaflatenztest (MSLT). Dabei handelt es sich um einen Test, der die Einschlafneigung erfasst. Wie bei der Polysomnografie werden hier bei den untersuchten Personen bestimmte Werte erhoben. Die Patient*innen werden fünfmal im Abstand von jeweils zwei Stunden dazu aufgefordert, 30 Minuten zu schlafen. Typisch für eine Narkolepsie ist eine sogenannte verkürzte mittlere Einschlaflatenz, also ein frühes Einschlafen in unter acht Minuten nach dem Hinlegen. Auch klassisch sind Sleep-Onset-REM-Phasen. Hierbei geht man in unter 15 Minuten nach dem Einschlafen in den REM-Schlaf über. Dies tritt bei Schlafgesunden in der Regel erst nach circa 60 Minuten ein.

Weitere Diagnostik

Abgesehen von diesen grundlegenden Untersuchungen kann weitere Diagnostik durchgeführt werden:

  • HLA-Typisierung zum Nachweis der typischen Gene
  • Bluttests zum Ausschluss verschiedener Krankheiten, wie Anämie, Eisenmangel, Diabetes mellitus oder Hypothyreose
  • EEG zum Ausschluss einer Epilepsie
  • Magnetresonanztomografie (MRT) vom Schädel zum Ausschluss von strukturellen Ursachen
  • In unklaren Fällen eine Liquoruntersuchung zur Hypokretinbestimmung

Vor einer endgültigen Diagnosestellung müssen natürliche mögliche Differenzialdiagnosen durch die behandelnde Person berücksichtigt und ausgeschlossen werden.

Was kann man gegen Narkolepsie tun?

Die Behandlung einer Narkolepsie beginnt mit allgemeinen Maßnahmen. Wie bei allen Krankheiten hilft auch hier eine gesunde Lebensweise mit ausgewogenen, regelmäßigen Mahlzeiten sowie ausreichend körperlicher Bewegung.

Speziell die Schlafhygiene ist besonders zu beachten. Eine ausreichende Schlafdauer und strukturierte Bettzeiten helfen. Auch kann es Betroffene unterstützen, Tagesschlafphasen einzuplanen, um den imperativen Schlafdrang zu mindern. Hierdurch kann auch die Kataplexie abgeschwächt werden. Zuletzt ist zu bedenken, dass eine Psychotherapie die Akzeptanz und den Umgang mit der Erkrankung verbessern kann.

Eine medikamentöse Therapie ist bei Erwachsenen ebenfalls möglich. Folgende Medikamente können zur Anwendung kommen, abhängig von Lebenssituation, Vorerkrankungen und Symptomen:

  • Modafinil
  • Solriamfetol
  • Pitolisant
  • Natrium-Oxybat
  • Amphetaminderivate
  • verschiedene Antidepressiva

Bei Kindern ist eine medikamentöse Therapie mit den oben genannten Substraten auch möglich. Hierbei ist das Alter der Kinder vor allem für die Zulassung entscheidend.

Kann man mit Narkolepsie Autofahren?

Generell gilt: Narkolepsie kann trotz Behandlung die Lebensqualität einschränken. Mit unbehandelter Narkolepsie Auto zu fahren, ist keine gute Idee und nicht sicher, weshalb die Krankheit auf der Liste der Erkrankungen steht, die die Fahreignung einschränken. Wird sie aber medikamentös behandelt und es besteht kein imperativer Schlafdrang mehr, steht dem Autofahren nichts mehr im Wege. Die Fahrtüchtigkeit muss hierbei durch eine*n Fachärztin*Facharzt für Neurologie bescheinigt werden. Aber Achtung: bei unkontrollierten Kataplexien sollten Sie nicht am Steuer sitzen.

Weitere Einschränkungen möglich

Abgesehen von mobilen Einschränkungen, kann Narkolepsie einem auch andere Hindernisse in den Weg stellen. Die akuten Anfälle können vor allem in sozialen Situationen zur Belastung werden. Hier ist eine psychosoziale Beratung des Umfeldes wichtig, sodass das Bewusstsein und die Akzeptanz für die Krankheit geschaffen wird.

Mit einer Diagnose können Narkoleptiker*innen einen Schwerbehindertenausweis anfordern. Junge Menschen können etwa für das Studium oder die Schule eine Bescheinigung zum Nachteilsausgleich bekommen. Für den Beruf kann man ein Attest darüber erhalten, dass Powernaps am Arbeitsplatz krankheitsbedingt notwendig sind.

Prognose und Lebenserwartung

Narkolepsie ist eine chronische Erkrankung, die wie jede Krankheit von Person zu Person einen unterschiedlichen Verlauf nehmen kann. Durch einen gesunden Lebensstil und Medikamente sind die Symptome gut zu behandeln, heilbar ist die Erkrankung bisher jedoch nicht. Erkrankte können aber mit einer normalen Lebenserwartung rechnen.

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