Zwänge
© Angelo Esslinger

Zwänge haben viele Gesichter

Von: Deutsche Gesellschaft Zwangserkrankungen e.V.
Letzte Aktualisierung: 06.12.2013 - 12:14 Uhr

Bei vielen psychischen und physischen Erkrankungen leiden die Betroffenen unter ähnlichen Symptomen. Anders bei den Zwangsstörungen. Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Zwangsformen können so groß sein, dass die Betroffenen selbst nicht glauben, tatsächlich unter der gleichen Störung zu leiden. Das Verbindende zwischen ihnen ist jedoch, dass sie alle in irgendeiner Form unkontrollierbare Gedanken und Impulse erleben.Auch die Anzahl der Symptome schwankt von Person zu Person: Während einige untereinem Zwang leiden, kämpfen andere gleich gegen eine ganze Reihe verschiedenerZwangsstörungen. Die häufigsten Formen werden nachfolgend kurz dargestellt, wobei dieso genannten Reinigungs- und Waschzwänge den größten Anteil ausmachen.

Reinigungs- und Waschzwänge

Die Betroffenen verspüren panische Angst oder Ekel vor Schmutz, Bakterien, Viren sowie Körperflüssigkeiten oder -ausscheidungen. Das damit einhergehende Unbehagen führt zu ausgiebigen Wasch- und Reinigungsritualen. Dabei werden die Hände, der gesamte Körper, die Wohnung oder auch der verschmutzte Gegenstand stundenlang gereinigt und desinfiziert. Der Ablauf der Rituale ist genau festgelegt. Kommt es zu Unterbrechungen, so muss der Betroffene noch einmal von vorn beginnen.

Kontrollzwänge

Die zweitgrößte Gruppe der Zwangserkrankungen sind die so genannten Kontrollzwänge. In diesem Fall fürchten die Betroffenen, durch Unachtsamkeit und Versäumnisse eine Katastrophe auszulösen. Aus diesem Grund werden technische Haushaltsgeräte, Türen und Fenster sowie gerade gefahrene Strecken immer wieder kontrolliert. Aber auch nach dem wiederholten Überprüfen stellt sich bei dem Zwangserkrankten nicht das Gefühl ein, dass jetzt wirklich alles in Ordnung ist. Oft bitten die Betroffenen dann Familienangehörige oder Nachbarn, ihnen bei der Kontrolle zu helfen. Auf diese Weise können sie die Verantwortung abgeben und ihre Kontrollgänge schneller beenden.

Wiederhol- und Zählzwänge

Die so genannten Wiederholzwänge bringen den Betroffenen dazu, ganz alltägliche Handlungen - wie beispielsweise Zähne putzen oder das Bettzeug aufschütteln - immer eine bestimmte Anzahl lang zu wiederholen. Bei einem Nichteinhalten seiner Regeln befürchtete er, ihm selbst oder einer nahe stehenden Personen könnte etwas Schlimmes zustoßen. Bei Zählzwängen verspürt der Zwangskranke den Drang, bestimmte Dinge wie Bücher im Regal, Pflastersteine oder Badezimmerfliesen immer wieder zu zählen.

Sammelzwänge

Sammelzwängler haben Angst davor, aus Versehen etwas für sie Wertvolles oder Wichtiges wegzuwerfen. Dabei fällt es ihnen äußerst schwer, zwischen den für jeden Menschen wichtigen Erinnerungsstücken und wertlosem Müll zu unterscheiden. Viele sammeln darüber hinaus noch weggeworfene Gegenstände wie alte Autoteile oder kaputte Haushaltsgeräte, um sie "irgendwann mal" zu reparieren. In den Medien wird seit einiger Zeit verstärkt über die so genannten Messies berichtet. Die Betroffenen zeichnen sich durch das so genannte "Verwahrlosungssyndrom" aus. Ein großer Teil von ihnen leidet zudem unter Sammelzwängen.

Ordnungszwänge

Die Betroffenen haben sich sehr strengen Ordnungskriterien und -maßstäben unterworfen. Entsprechend viel Zeit verbringen sie täglich damit, ihre Ordnung penibel wieder herzustellen. So stellen sie beispielsweise die Konservendosen immer auf eine bestimmte Art und Weise ins Regal oder sie achten darauf, dass die Wäsche im Schrank exakt aufeinander liegt.

Zwanghafte Langsamkeit

Da die Zwangsrituale sehr viel Zeit verschlingen, verlangsamt jede Zwangsstörung das Leben der Betroffenen entsprechend. Bei einer kleinen Untergruppe ist jedoch die Langsamkeit selber das Problem. Sie benötigen Stunden für ganz alltägliche Handlungen wie essen oder anziehen. Beim Haarekämmen muss beispielsweise jedes Haar einzeln gebürstet werden. Kommt der Betroffene dabei durcheinander, so muss er wieder von vorne beginnen.

Zwangsgedanken ohne Zwangshandlungen

Aufdringliche Gedanken spielen bei den meisten Zwangserkrankungen eine zentrale Rolle. Bei einer Untergruppe der Betroffenen besteht der Zwang jedoch ausschließlich aus aufdringlichen Gedanken. Diese haben meist aggressive ("Ich könnte meine Frau schlagen"), sexuelle ("Ich könnte das Nachbarskind sexuell misshandeln" oder "Ich bin homosexuell") oder religiöse ("Ich könnte mich während des Gottesdienstes blasphemisch äußern") Inhalte. Die größte Angst der Betroffenen besteht darin, dass ihre Gedanken irgendwann Realität werden könnten. Tatsächlich ist bislang kein Fall bekannt geworden, wo ein Zwangskranker seine beängstigenden Zwangsgedanken in die Realität umgesetzt hat.