Mann mit Schock liegt am Boden
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Anaphylaktischer Schock, septischer Schock & Co. – das steckt dahinter!

Von: Dr. med. Lisa Rosch (Ärztin)
Letzte Aktualisierung: 10.01.2022 - 17:57 Uhr

Ein Schock ist lebensgefährlich und muss sofort ärztlich behandelt werden. Dabei gibt es sehr viele verschiedene Ursachen des Schocks, die meist ähnliche Symptome aufweisen. Die Therapie ist je nach Schock-Art unterschiedlich – die Schocklagerung ist in vielen Fällen eine wichtige Erste-Hilfe-Maßnahme. Gemeinsam ist allen Schockformen der schnelle Verlauf und die hohe Sterblichkeit. Was sind typische Anzeichen für einen Schock und welche Schockformen gibt es? Hier erfahren Sie Wissenswertes über den anaphylaktischen Schock, den septischen Schock, den diabetischen Schock und viele mehr.

Was ist ein Schock?

Die Definition des Schocks lautet: Ein Zustand der mangelhaften Sauerstoffversorgung des Körpergewebes (Hypoxie). Als Folge können die Stoffwechselvorgänge in den Zellen nicht aufrechterhalten werden, im Endstadium kommt es zum Versagen von lebenswichtigen Organen bis hin zum Multiorganversagen.

Was sind typische Anzeichen für einen Schock?

Die Symptome bei einem Schock variieren je nach Art der Schocks. Gemeinsam ist allen Formen das Zusammenbrechen des Kreislaufs mit einem Abfall des Blutdrucks (Hypotonie) und einem kompensatorischen (ausgleichenden) Anstieg der Herzfrequenz (Tachykardie), um das Zirkulieren des Bluts im Körper zunächst aufrecht zu erhalten. Es werden die Alarmhormone Adrenalin und Noradrenalin ausgeschüttet, um die Gefäße der Arme und Beine zu verengen. Der Körper versucht so, das Blut in die Mitte des Körpers zurückzuholen, um eine Versorgung der lebenswichtigen Organe mit Blut und somit mit Sauerstoff und Nährstoffen zu gewährleisten.

Typische Anzeichen für einen Schock sind:

  • blasse Haut
  • Kaltschweißigkeit (kalte, schweißnasse Haut)
  • zunehmende Bewusstlosigkeit
  • schneller Atmen

Stadien des Schocks

Zunächst einmal sind die Reaktionen des Körpers auf die Sauerstoffunterversorgung lebensrettend. Je länger der Zustand dauert, desto mehr Nebenwirkungen dieser Abläufe treten jedoch auf und führen zu weiteren Problemen. In der Medizin nennt man das einen "Circulus vitiosus" (Teufelskreis).

Das Engstellen der arteriellen Gefäße des körperstammfernen Gewebes – also des Gewebes in Armen und Beinen – führt zu einer Ablagerung von sauren Stoffwechselabfallprodukten, vor allem Laktat. Zum Ausgleich schickt der Körper Wasser in diese Bereiche. Dieses Wasser fehlt wiederum im Blutkreislauf, es herrscht ein Volumenmangel, der den Schockzustand noch verschärft.

Außerdem entsteht durch den mangelhaften Abtransport des Bluts die Gefahr der Bildung von kleinen Blutgerinnseln (Mikrothromben). Bilden sich viele dieser Gerinnsel, kommt es zu Durchblutungsstörungen und zum massenhaften Verbrauch der lebenswichtigen Gerinnungsfaktoren (Verbrauchskoagulopathie) – das sind Proteine, die für die Blutgerinnung benötigt werden und uns bei Verletzungen vor dem Verbluten schützen.

Die drei Schockstadien

In der Notfallmedizin werden die klinischen Schockstadien in drei Schweregrade eingeteilt:

  • Stadium I: Der kompensierte Schock. Die betroffene Person ist bei Bewusstsein, der Blutdruck noch annähernd normal. Erste Anzeichen der Kaltschweißigkeit, Blässe und erhöhten Atemfrequenz sind bemerkbar.
  • Stadium II: Beginnender Schock. Die Person verliert allmählich das Bewusstsein, der Blutdruck fällt immer mehr ab. Die Atmung ist schnell, die Haut verfärbt sich bläulich. Erste Organe, wie die Niere, werden nicht mehr ausreichend durchblutet, weshalb die Urinproduktion abnimmt.
  • Stadium III: Manifester Schock. Die betroffene Person ist bewusstlos, der Blutdruck nicht mehr messbar, die Atmung ist sehr flach und unregelmäßig, die Haut grau.

Diese Stadieneinteilung trifft nicht auf den septischen und den neurogenen Schock zu. Auch der psychische Schock ist von den körperlichen Formen abzugrenzen.

Im Folgenden stellen wir Ihnen die unterschiedlichen Arten des Schocks und ihre Besonderheiten vor.

Hypovolämischer Schock: Zu wenig Flüssigkeit im Körper

Herrscht ein Volumenmangel, befindet sich im Körper also zu wenig Flüssigkeit, fällt der Blutdruck und es kommt zum Schock. Ursachen für den Flüssigkeitsverlust (Hypovolämie) können sein:

Sonderform hämorrhagischer Schock

Ist die Ursache des Volumenmangels ein Blutverlust, spricht man vom "hämorrhagischen Schock". Häufigster Grund für einen so großen Blutverlust, dass der Kreislauf zusammenbricht, sind schwere Verletzungen im Rahmen von Unfällen, große Operationen, Geburten, unstillbare Blutungen durch Gerinnungsstörungen oder die Einnahme von "Blutverdünnern".

Ein Schock nach einem Unfall wird am häufigsten durch Brüche von großen Knochen bedingt, wie dem Oberschenkel oder dem Becken. Da diese Knochen gut durchblutet sind, findet bei solchen Brüchen auch ein größerer Blutverlust statt.

Neurogener Schock: Ausfall des Nervensystems

Beim neurogenen Schock bricht der Kreislauf zusammen, weil das Nervensystem ausfällt, das für die Regulierung des Kreislaufs und die Versorgung der Gefäße zuständig ist. Mögliche Ursachen sind beispielsweise Vergiftungen oder schwere Verletzungen im Schädel-Hirn-Bereich, etwa nach einem Verkehrsunfall.

Im Gegensatz zu anderen Schockformen, sind die Gefäße beim neurogenen Schock weit gestellt und der Körper kann das Blut nicht in die Körpermitte zusammenziehen. Es kommt zu einem Abfall des Blutdrucks.

Der spinale Schock

Durch eine Verletzung des Rückenmarks besteht das Risiko des spinalen Schocks, einer Sonderform des neurogenen Schocks. Hierbei werden neben den Nerven der Muskel- und Sensibilitätsversorgung auch die Nerven des vegetativen Nervensystems verletzt. Lähmungserscheinungen und ungewollter Harnabgang sind neben den typischen Anzeichen des Schocks Hinweise auf einen spinalen Schock.

Allergische Reaktion – der anaphylaktische Schock

Einen Schock, der durch eine allergische Reaktion ausgelöst wird, nennt man anaphylaktischen Schock. Er stellt das schwerste Ausmaß einer Unverträglichkeitsreaktion dar. Kommt der Körper mit dem Allergie-Stoff, dem sogenannten Allergen, in Kontakt, werden bestimmte Zellen und Botenstoffe der Immunabwehr aktiviert und freigesetzt. Diese stellen die Gefäße weit und verursachen einen schnellen Blutdruckabfall, die Schockspirale beginnt sich zu drehen.

Durch die ausgeschütteten Botenstoffe kann es im gesamten Körper zur Bildung von Ödemen, also von Schwellungen kommen. Besonders gefährlich ist dies im Rachen. Schwillt dieser an, verengen sich die Atemwege und es kann zu einer lebensgefährlichen Luftnot kommen. Häufige Auslöser sind Nahrungsmittel wie Erdnüsse, Medikamente oder Insektengift.

Dem anaphylaktischen Schock vorbeugen

Wenn man weiß, dass man eine schwere Allergie hat, sollte man das Allergen nach Möglichkeit meiden. Betroffene erhalten durch ihre*n Ärztin*Arzt ein Notfall-Set, welches die wichtigsten Medikamente gegen die allergische Reaktion enthält und so im Notfall einen allergischen Schock und dessen Spätfolgen verhindern kann. In jedem Fall muss bei einer schweren allergischen Reaktion sofort notärztliche Hilfe gerufen werden.

Gefährliche Infektion: Der septische Schock

Auch beim septischen Schock spielt das Immunsystem eine entscheidende Rolle. Auslöser sind in diesem Fall Krankheitserreger, vor allem Bakterien, die die Abwehrzellen aktivieren. Die Gefäße werden weitgestellt, Flüssigkeit tritt aus den Gefäßen in das Gewebe über, der Blutdruck fällt ab und das Gewebe schwillt durch das Körperwasser stark an (Ödeme). Folge ist eine verminderte Durchblutung und Sauerstoffversorgung der Organe, was im Extremfall zu einem Multiorganversagen mit hoher Sterblichkeit führt.

Die Sonderform des toxischen Schocks

Der toxische Schock oder genau genommen das "toxische Schocksyndrom" wird meistens durch Bakterienteile (Toxine) von Staphylokokken oder seltener Streptokokken verursacht. Die Bakterien können beispielsweise durch eitrige Wunden in den Körper gelangen. Da auch zu lang in der Scheide verweilende Tampons das toxische Schocksyndrom auslösen können, wird es umgangssprachlich auch als Tamponkrankheit bezeichnet.

Gefährlicher Zucker: Der hyperglykämische Schock

Zuckermoleküle (Glucose) braucht unser Körper für alle wichtigen Stoffwechselvorgänge zur Energiegewinnung. Das Hormon, das den Zucker in die Zellen bringt, heißt Insulin. Menschen mit Diabetes produzieren nicht genug Insulin und müssen sich dieses als Medikament zuführen. Wenn Betroffene ihre Insulinspritzen nicht nehmen oder der Körper einen höheren Bedarf an Insulin hat, zum Beispiel bei fieberhaften Infekten oder körperlicher Anstrengung, dann können sie in ein diabetisches Koma oder einen "Diabetes-Schock" fallen.

Ketone statt Glucose – Entstehung des hyperglykämischen Schocks

Der Zucker verbleibt infolge des Insulinmangels im Blut (Hyperglykämie) und führt zu einer Verschiebung des Körperwassers aus den Zellen in die Blutbahn. Dadurch wird mehr Urin produziert und die betroffene Person verliert viel Flüssigkeit über den Harn.

Außerdem nimmt der Körper seine notwendige Energie von anderer Stelle und produziert aus Fettzellen in der Leber Ketonkörper. Diese Ketonkörper verursachen einen sauren pH-Wert im Blut (metabolische Azidose) und es kommt zum Erbrechen und Verlust von Flüssigkeit und Blutsalzen. All das mündet in einem Volumenmangel, dem ersten Schritt in den Schock.

Zu wenig Zucker: Der hypoglykämische Schock

Beim sogenannten hypoglykämischen Koma steht den Zellen zu wenig Glucose zur Verfügung, zum Beispiel weil die Person nichts gegessen oder sich zu viel Insulin verabreicht hat. Vor allem sehr sensible Organe wie das Gehirn funktionieren nicht mehr richtig. Betroffene zittern, schwitzen und werden irgendwann bewusstlos.

Herzfehler: Der kardiogene Schock

Der kardiogene Schock ist die Folge eines Versagens des Herzens. Wenn dieses das Blut nicht mehr richtig durch den Körper pumpen kann, beispielsweise aufgrund eines Herzinfarkts, einer Einblutung in den Herzbeutel oder auch einer Lungenembolie, werden die Alarmhormone ausgeschüttet und es kommt zum kardiogenen Schock.

Schockstarre: Der psychische Schock

Auch psychische Ursachen können bei einem Schock nach einem Unfall eine Rolle spielen.

Das Gehirn kann körperliche Reaktionen auslösen, die einem Schock sehr ähneln. Hilfreich bei einem seelischen Schock sind beruhigendes Zureden, Konzentration auf eine ruhige Atmung, das Einnehmen einer Schocklage mit Hochlagerung der Beine und gegebenenfalls eine fachliche psychische Betreuung.

Erste Hilfe beim Schock

Ein Schock ist ein medizinischer Notfall. Das ist bei einem Schock zu tun:

  • Sofort ärztliche Hilfe rufen.
  • Wenn die betroffene Person bei Bewusstsein ist, in die Schocklage bringen (in Rückenlage die Beine hochlagern, zum Beispiel Füße auf einem Rucksack ablegen).
  • Achtung: Bei Verdacht auf einen kardiogenen Schock dagegen unbedingt den Oberkörper hochlagern, um das Herz nicht weiter zu belasten.
  • Bei Bewusstlosigkeit die Person in die stabile Seitenlage bringen.
  • Bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand umgehend mit Wiederbelebungsmaßnahmen beginnen.
  • Warmhalten mit einer Decke.
  • Sichtbare Blutungen stillen.

Betroffene sollten schnellstmöglich medizinisch versorgt werden. Die Therapie eines Schocks umfasst unter anderem die hochdosierte Gabe von Sauerstoff, die Gabe von Infusionen zur Steigerung des Blutvolumens, den Wärmeerhalt und die jeweils passende Lagerung zur Stabilisierung des Kreislaufs.

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