Violetter Ölkäfer
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Ölkäfer: So giftig ist der Maiwurm

Von: Dr. rer. nat. Isabel Siegel (Diplom-Biologin und Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 04.05.2023 - 12:13 Uhr

Wenn es im Frühjahr wärmer wird, zieht es viele Leute nach draußen in die Natur. Auch Käfer und andere Insekten kommen aus ihrem Versteck gekrabbelt. Kreuzt ein violetter oder ein schwarzblauer Ölkäfer im Garten auf, sollte man jedoch lieber Abstand halten. Denn der Ölkäfer besitzt ein Gift, das es in sich hat – er gehört zu den giftigsten Tieren Deutschlands. Wie man den Käfer erkennt, wo er vorkommt und wie giftig er wirklich ist, das und mehr erfahren Sie im folgenden Artikel.

Was ist ein Ölkäfer?

Ein Ölkäfer ist ein Käfer, der für seine Vermehrung auf Wildbienen angewiesen ist. Sein sehr komplizierter Lebenszyklus umfasst ein Larvenstadium, das sich von den Larven der Wildbiene und deren Pollenvorrat ernährt. Er wird daher auch als Wildbienen-Parasit bezeichnet.

Die Familie der Ölkäfer (Meloidae) umfasst in Mitteleuropa zwanzig bis dreißig verschiedene Arten. In Deutschland kommt am häufigsten der schwarzblaue Ölkäfer (Meloe proscarabaeus) vor.

Wie sieht ein schwarzblauer Ölkäfer aus?

Ein schwarzblauer Ölkäfer sieht auf den ersten Blick nicht wie ein typischer Käfer aus. Seine Größe beträgt bis zu vier Zentimeter in der Länge. Der schwerfällige, große Käfer hat einen dicken Hinterleib und seine Flügel sind stark verkürzt, weshalb er nicht fliegen kann. Die Weibchen sind in der Regel größer als die Männchen – ihr riesiger Bauch ist im Frühjahr vollgefüllt mit Eiern, was ihnen ein wurmartiges Aussehen verleiht. Schwarzblaue Ölkäfer haben lange Fühler, die aus mehreren länglichen bis kugelförmigen Gliedern bestehen und einen Knick aufweisen. Ihr Kopf ist quer-oval geformt und deutlich abgegrenzt.

Der schwarzblaue Ölkäfer lässt sich nicht immer sofort eindeutig bestimmen: Er ist zwar – wie der Name schon sagt – schwarz und schimmert metallisch-bläulich, sieht dem (eng verwandten und ebenfalls giftigen) violetten Ölkäfer (Meloe violaceus) aber zum Verwechseln ähnlich. Aufgrund seines Aussehens mit dem dicken Hinterleib wird der Ölkäfer auch Maiwurm genannt.

Wann und wo kommt der Ölkäfer vor?

Der Ölkäfer ist in Deutschland heimisch. Man kann ihm in vielen verschiedenen Lebensräumen mit offenen, sonnigen und sandigen Stellen begegnen, in deren Nähe Wildbienenvölker vorkommen:

  • Gärten
  • Parks
  • lichte Wälder
  • Wegränder
  • Streuobstwiesen
  • Heiden
  • Trockenrasen
  • Dünen

Dort findet er im Frühling seine bevorzugte Nahrung. Er frisst Pflanzenteile von Blütenpflanzen, wie beispielsweise Buschwindröschen, Scharbockskraut oder Bärlauch. Am liebsten hält er sich am Boden auf, doch auch auf Blüten und Blättern ist er manchmal anzutreffen.

Insbesondere von April bis Juni findet man die Tiere vermehrt. Ihre Hochsaison haben die Maiwürmer im Mai, wenn die Weibchen ihre Eier in sich tragen.

Da der Lebensraum des Ölkäfers zunehmend eingeschränkt wird und auch die Anzahl der Wildbienen abnimmt, wodurch die Larven des Käfers immer weniger Nahrung finden, ist das Vorkommen der Ölkäfer in Deutschland rückläufig. Der Ölkäfer wird daher als gefährdete Art eingestuft und es ist nicht erlaubt, ihn zu bekämpfen.

Warum ist der Ölkäfer giftig?

Ölkäfer tragen in ihrem Körper ein Gift namens Cantharidin. Es ist Bestandteil der öligen Flüssigkeit, die in kleinen Tröpfchen aus den Beingelenken abgegeben wird.

Cantharidin erfüllt verschiedenen Funktionen: Es erhöht die Paarungsbereitschaft der weiblichen Käfer und wirkt auf andere Insekten abschreckend. Bei der Paarung wird der Stoff von den Männchen an die Weibchen übertragen, die ihn wiederum an ihre Eier, Larven und Puppen weitergeben, damit diese vor Fressfeinden geschützt sind. Schon in geringen Mengen ist Cantharidin hochgiftig für den Menschen.

Wie giftig ist der Ölkäfer?

Das im Körper des Ölkäfers vorkommende Cantharidin ist ungefähr zehn Mal giftiger als Strychnin. Das bedeutet, dass schon 0,5 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht tödlich sein können. Eine tödliche Dosis beträgt also (je nach Gewicht) ungefähr 10 bis 60 Milligramm. Demnach reicht schon das Gift eines einzigen Käfers, um einen Menschen zu töten. Auch für viele Tiere, beispielsweise für Hunde, ist der Ölkäfer hochgefährlich.

In der Vergangenheit wurde das Gift des Ölkäfers sogar gezielt für die Tötung von Menschen eingesetzt, etwa im Rahmen von Giftmorden oder Hinrichtungen. Aber auch versehentlich ist es schon zu Vergiftungen gekommen. Beispielsweise haben sich Soldaten rund um das Jahr 1800 unter Napoleon Frösche zubereitet, die zuvor sehr viele Ölkäfer gefressen hatten. Die Männer litten an den typischen Symptomen wie Bauchschmerzen, gesteigertem Durst, schmerzhaftem Wasserlassen, Dauererektionen, Übelkeit und allgemeinem Schwächegefühl.

Welche Symptome treten bei Kontakt mit dem Ölkäfer auf?

Das Sekret reizt bei Kontakt die Haut und Schleimhäute, was sich durch Rötungen, Blasenbildung und nässende Wunden zeigt. Es kann auch zu Entzündungen und Geschwüren kommen. Es ist also kein Biss des Käfers, der zu Symptomen führt, sondern die Berührung der giftigen Substanz oder die Aufnahme über den Mund. Deshalb ist Vorsicht geboten und man sollte das Tier nicht anfassen.

Wird Cantharidin verschluckt, führt es zu Magenschmerzen sowie vermehrtem Harndrang und Brennen beim Wasserlassen. In größeren Mengen kann Cantharidin zahlreiche weitere Beschwerden auslösen und sogar zum Tod führen. Zu den möglichen Folgen gehören unter anderem:

Die Auswirkungen, die das Gift im Körper hat, beruht darauf, dass es verschiedene Abläufe in den Körperzellen stört. So werden beispielsweise das Zusammenziehen von Muskeln und Gefäßen sowie die Vermehrung von Zellen negativ beeinflusst.

Kontakt mit dem Ölkäfer: Was tun?

Insbesondere bei neugierigen Kindern besteht die Gefahr, dass sie einen Ölkäfer anfassen und es zu einer Vergiftung durch das Berühren kommt. Wenn das giftige Sekret des Ölkäfers auf die Haut oder in die Augen gelangt oder sogar ein Ölkäfer verschluckt wurde, treten die Beschwerden in der Regel schnell auf. Es sollten dann folgende Maßnahmen ergriffen werden:

  • Bei Kontakt mit der Haut: Die betroffene Hautstelle großzügig und gründlich mit Wasser und Seife waschen, danach etwa zehn Minuten lang mit Wasser spülen und anschließend kühlen.
  • Bei Kontakt mit den Augen: Es sollte umgehend eine augenärztliche Praxis aufgesucht werden.
  • Nach dem Verschlucken: Bei Kleinkindern oder nach dem Verschlucken einer größeren Menge des Gifts sollte notärztliche Hilfe unter der Rufnummer 112 angefordert werden. Grundsätzlich gilt: Es darf kein Erbrechen ausgelöst werden. Zudem sollte mit dem örtlich zuständigen Giftnotruf Kontakt aufgenommen werden.

Werden die giftigen Käfer im Außenbereich eines Kindergartens oder auf dem Schulhof gesichtet, sollte man das Vorkommen bei der Einrichtung melden. Abstand halten ist der beste Schutz vor dem Gift des Ölkäfers. Dieser sollte lieber aus sicherer Entfernung beobachtet werden und man sollte ihn keinesfalls anfassen.

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Medizin: Wofür wird der Ölkäfer verwendet?

Das Gift des Ölkäfers wird schon seit mehr als 3.500 Jahren zur Heilung von bestimmten Leiden und Krankheiten eingesetzt. Auch heute noch findet Cantharidin Anwendung in der Naturheilkunde. Einige der Einsatzgebiete sind jedoch fragwürdig, denn wissenschaftliche Belege zur Wirksamkeit und Sicherheit in der Anwendung liegen nur selten oder gar nicht vor. Hinzu kommt die Gefahr der Überdosierung. So wird aus der heilenden Substanz schnell ein tödliches Gift.

Unter anderem sind folgende Anwendungsgebiete bekannt:

  • Potenzsteigerung: Ein bekannter Vertreter der Familie der Ölkäfer ist die "Spanische Fliege", ein kleinerer Käfer mit metallisch-grünen Flügeldecken. Sein Sekret oder der ganze, getrocknete und gemahlene Käfer werden auch heute noch als Potenzmittel angewendet.
  • Ausleitende Verfahren: Hierbei kommen blasenziehende Pflaster zur Anwendung, die heute nur noch in der Naturheilkunde eine Rolle spielen. Durch Aufkleben von Pflastern mit Cantharidin bilden sich mit Lymphflüssigkeit gefüllte Blasen auf der Haut. Diese sollen dazu dienen, dem Körper schädliche Schlacken zu entziehen.
  • Entfernung von Dornwarzen und Dellwarzen: Cantharidin wird auch heute noch in Form von Pflastern zur Warzenentfernung genutzt.
  • Homöopathie: Ganz nach dem Motto des Gründers der Homöopathie, Samuel Hahnemann, "Gleiches wird durch Gleiches geheilt", wird Cantharidin stark verdünnt bei prall gefüllten Brandblasen, bei starkem Harndrang und Brennen beim Wasserlassen angewendet.

Aufgrund der Anwendung und Wirkung von Cantharidin trägt der Ölkäfer auch andere Namen, darunter Blasenkäfer, Pflasterkäfer oder Pisskäfer.

Der Ölkäfer in Wissenschaft und Forschung

Das Gift des Ölkäfers rückte in den letzten Jahren vermehrt in den Fokus der Wissenschaft. Sowohl Medizin als auch Molekularbiologie, Chemie und Pharmakologie sind daran interessiert, mehr über Cantharidin und seine Einsatzmöglichkeiten bei der Behandlung verschiedener Krankheiten zu erfahren. Denkbar wäre beispielsweise die Anwendung bei Krebserkrankungen, Schlaganfällen, Herzerkrankungen, Diabetes und Hautinfektionen.