Ärztin hört Patienten mit Stethoskop ab
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Langzeitfolgen und Komplikationen von Corona

Von: Dagmar Schüller (Medizinredakteurin und Dipl.-Trophologin), Jasmin Rauch (Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 12.09.2022 - 14:11 Uhr

Das Coronavirus SARS-CoV-2 verursacht die Krankheit COVID-19, die vielseitige Beschwerden mit unterschiedlichem Schweregrad auslösen kann. Auch wenn sich die meisten Betroffenen wieder vollständig erholen, heilt bei vielen Infizierten die Erkrankung nicht vollständig aus. Auch Monate nach der akuten Phase haben sie dann mit Symptomen zu kämpfen. Inzwischen bezeichnen Fachleute diesen Umstand als Post-COVID-Syndrom oder Long-COVID – bis jetzt sind über 200 Symptome bekannt, die darunterfallen. Welche Langzeitfolgen sind nach überstandener Corona-Infektion besonders häufig?

COVID-19 ist eine Multisystemerkrankung

Da Corona und die daraus resultierende Erkrankung COVID-19 recht neu sind, wissen Fachleute bisher zu wenig, um allgemeingültige Aussagen über die Prognose einer Infektion treffen zu können. Allerdings ist inzwischen klar, dass Corona alle Organe des Körpers schädigen kann. Denn SARS-CoV-2 bindet an das Enzym ACE2, das sich als Rezeptor auf den Zellen von Lunge, Herzmuskel und weiteren Organen befindet. So gelangt Corona leicht in Zellen des menschlichen Körpers und kann dort Schäden anrichten. Fachleute sprechen daher davon, dass COVID-19 als Multisystemerkrankung betrachtet werden muss.

Eingeschränkte Lungenfunktion als Langzeitfolge von Corona

COVID-19 ist in erster Linie eine Lungenkrankheit. In schweren Fällen müssen Betroffene invasiv beatmet werden – auch das kann die Lungenfunktion nachhaltig einschränken. Durch die Bettlägerigkeit wird zudem die Atemmuskulatur geschwächt, was die Lungenkapazität einschränkt. Die Sterblichkeit unter beatmeten Personen ist vergleichsweise hoch im Gegensatz zu denen, die nicht beatmet wurden. Dabei macht es keinen nennenswerten Unterschied, ob die Beatmung invasiv oder nicht invasiv ist.

Bisher wird davon ausgegangen, dass sich ein Großteil der Infizierten wieder vollständig erholt. Doch bei einigen Menschen wird das Lungengewebe durch die Virusinfektion so stark geschädigt, dass sie noch Wochen nach der Genesung nur eine eingeschränkte Lungenfunktion haben. Sie kann nach überstandener Infektion um 20-30 Prozent zurückgehen. Beschwerden wie Luftnot und chronischer Husten sind die Folge. Außerdem zeigten Lungen-Scans von Personen mit COVID-19 eine Trübung der Lunge. Im schlimmsten Fall könnte dies auf eine Lungenfibrose hindeuten.

Ob die bisher beobachteten Schäden der Lunge nur vorübergehend sind oder dauerhaft bleiben, ist bisher noch nicht vollständig geklärt. Da das Organ über eine hohe Regenerationsfähigkeit verfügt, stehen die Chancen auf ein vollständiges Ausheilen der Lunge jedoch gut.

Folgen von Corona: Nierenerkrankungen und andere Organschäden

Im Verlauf der Erkrankung kann es zum Ausfall einzelner Organe kommen. Besonders die Niere ist häufig betroffen, weshalb bei beatmungspflichtigen Personen oft Nierenversagen als Langzeitfolge von Corona beobachtet wird. Betroffene können dann lebenslang dialysepflichtig oder auf eine neue Niere angewiesen sein.
Eine der gefürchteten Folgen von COVID-19 ist zudem das sogenannte Multiorganversagen, bei dem gleich mehrere Organe ihren Dienst versagen.

Ist die Erkrankung überstanden, ist dennoch eine langfristige Schädigung der betroffenen Organe möglich. Eine zentrale Rolle bei der Schädigung der Organe spielen vermutlich Gefäßentzündungen, welche die Durchblutung der Organe behindern. Diese werden durch eine überschießende Reaktion des Immunsystems ausgelöst (Hyperinflammationssyndrom).

Schäden des Herz-Kreislaufsystems durch Coronavirus

Neben der Lunge kann SARS-CoV-2 auch das Herz befallen – Menschen mit bestehenden Vorerkrankungen des Herz-Kreislaufsystems haben ein besonders hohes Risiko für einen schweren Verlauf von COVID-19. Durch eine Infektion mit Corona können akute Schäden am Herz entstehen:

Auch chronische Schädigungen des Herzens sind möglich, weshalb der kardiovaskuläre Schutz bei der Behandlung von Corona besonders wichtig ist. Im Fokus sollten dabei blutverdünnende Medikamente stehen, um Thrombosen vorzubeugen. Eine Obduktionsstudie aus Hamburg hat ergeben, dass es bei Betroffenen mit COVID-19 zu einer Gerinnungsaktivierung und einem gehäuften Auftreten von Thrombosen in den Beinvenen sowie Lungenembolien kommt.

Die Herzmuskelentzündung ist eine gefürchtete Komplikation bei anderen Viruserkrankungen wie der Grippe. Auch bei COVID-19 gibt es zunehmend Hinweise auf diese Langzeitfolge von Corona – betroffen sind auch Menschen ohne Vorerkrankung des Herzens. Außerdem wird das Herz zusätzlich belastet, wenn es durch eine Infektion mit Corona zu einer Lungenentzündung kommt. Denn die Blutgefäße verengen sich und das Herz muss gegen den stärkeren Druck anpumpen.

Mögliche neurologische Langzeitfolgen von Corona

Inzwischen sind auch neurologische Komplikationen von COVID-19 bekannt. Es gibt Fallberichte über Menschen mit Langzeitfolgen nach Corona, die teilweise auch bei mildem Verlauf von Corona auftraten. Dazu gehören:

  • Guillain-Barré-Syndrom und Miller Fisher-Syndrom: Entzündliche Erkrankungen der Nerven, die zu fortschreitenden Lähmungen führen. Ursache sind überschießende Immunantworten des Körpers, wenn er die Erkrankung bekämpft und dabei eigenes Gewebe schädigt.
  • Hirnhautentzündung (Meningitis)
  • Entzündungen der Nerven im Gehirn oder im Rückenmark
  • Muskelentzündungen
  • Hirnfunktionsstörungen, darunter Gedächtnisverlust und Reduktion des IQ um bis zu sieben Punkte
  • Nervenschäden
  • Schwierigkeiten bei der Konzentration
  • erhöhtes Schlaganfallrisiko

Verlust von Geruchs- und Geschmackssinn?

Zu den häufig auftretenden Symptomen bei einer Infektion mit dem Coronavirus zählt der Verlust von Geruchs- und Geschmackssinn. Auch eine veränderte Wahrnehmung von Gerüchen oder ein veränderter Geschmackssinn können auftreten. Innerhalb weniger Wochen erholen sich Geschmacks- und Geruchsnerven bei den meisten jedoch wieder.

Auch von der Grippe ist bereits bekannt, dass eine Infektion zu einem dauerhaften Geruchsverlust führen kann – ähnlich könnte es bei manchen COVID-19-Betroffenen sein. Grundsätzlich benötigen die Geschmackszellen bis zu 14 Tage, bis sie erneuert werden, während sich die Riechzellen erst innerhalb mehrerer Monate neu bilden.

Diabetes als Langzeitfolge von Corona?

Menschen mit Diabetes mellitus gehören zu den Risikogruppen für schwere Verläufe bei einer Corona-Infektion. Umgekehrt könnte COVID-19 aber möglicherweise auch Diabetes auslösen, wie Fachleute im New England Journal of Medicine bereits 2021 warnten. Daneben gab es einige Berichte von Betroffenen, bei denen nach einer COVID-19 Erkrankung Typ-1-Diabetes diagnostiziert wurde. Ähnliches war zuvor auch bereits bei der SARS-Pandemie berichtet worden.

Untermauert wurde diese These durch eine im August 2021 veröffentlichte Studie. In deren Rahmen stellten die Forschenden fest, dass Coronaviren auch die Bauchspeicheldrüse infizieren können. Dieses Organ ist an der Produktion von Insulin beteiligt, welches den Blutzuckerspiegel beeinflusst.

Bereits seit vielen Jahren wird vermutet, dass die Autoimmunerkrankung Typ-1-Diabetes durch Viren ausgelöst werden könnte. Bei dieser Form des Diabetes werden die Zellen des Körpers angegriffen, die für die Produktion von Insulin verantwortlich sind. In der Folge kann der Körper das Hormon, das für die Verarbeitung von Zucker zuständig ist, nicht mehr in ausreichender Menge ausschütten und der Blutzuckerspiegel wird nicht mehr richtig reguliert. Ob diese Schäden an der Bauchspeicheldrüse langfristig bestehen bleiben oder ob sich die durch das Coronavirus befallenen Zellen wieder erholen können, ist noch nicht geklärt.

Auch das Risiko, Diabetes Typ 2 zu entwickeln, könnte nach den Ergebnissen einer Studie aus dem Frühjahr 2022 erhöht sein. Im Rahmen der Studie wurden die Daten von 70.000 Erkrankten aus Deutschland ausgewertet. In der Untersuchung wurde das Risiko, nach einer COVID-19-Erkrankung einen Diabetes Typ 2 zu entwickeln, mit dem Risiko nach einer anderen Atemwegserkrankung verglichen.

Die Forschenden kamen zu dem Ergebnis, dass im Anschluss an eine Corona-Infektion die Wahrscheinlichkeit, an Diabetes zu erkranken, etwa um 28 Prozent höher ist als nach einer anderen Atemwegserkrankung. Auch hier ist allerdings nicht klar, ob der Diabetes langfristig bestehen bleibt oder ob es sich um eine vorübergehende Folge von COVID-19 handelt.

Treten nach einer Corona-Infektion für Diabetes typische Symptome auf, sollte dies deshalb sicherheitshalber ärztlich abgeklärt werden.

Veränderungen an Haut und Haaren

Hautveränderungen als Symptom einer Coronavirus-Infektion sind bereits bekannt. In etwa einem Gelegentlich berichten Betroffene jedoch auch längerfristig von Veränderungen im Hautbild. Dazu gehören rissige und sehr trockene Hände sowie eine Überempfindlichkeit gegenüber Reizen (Hyperästhesie).

Etwa ein Viertel der Betroffenen leidet zudem unter verstärktem Haarausfall.

Anhaltende Schmerzen als Langzeitfolge

Treten anhaltende Schmerzen in Verbindung mit einer Fatigue auf, ist dies ein typisches Symptom eines Post-COVID-Syndroms. Folgende Bereiche können von chronischen Schmerzen in Folge einer Corona-Infektion betroffen sein:

  • Kopf
  • Muskeln
  • Gelenke
  • Nerven

Erschöpfung als Folge der Infektion

Eine Studie aus Wuhan hat 1.733 Personen mit schwerem Verlauf von COVID-19 nach ihrer Genesung für sechs Monate beobachtet. Mehr als die Hälfte von ihnen hatten mit anhaltender Müdigkeit oder Muskelschwäche zu kämpfen. Insbesondere Abgeschlagenheit und Müdigkeit infolge einer Corona-Infektion werden immer wieder von Betroffenen genannt. Diese Symptome werden auch als Fatigue bezeichnet. Mehr zur Fatigue als Langzeitfolge von COVID-19 erfahren Sie hier.

Kawasaki-Syndrom durch Corona bei Kindern?

Auch Kinder und Jugendliche infizieren sich mit dem Coronavirus. Die meisten von ihnen zeigten nur sehr milde Symptome der Infektion, dennoch gibt es Berichte über infizierte Kinder mit schwerem COVID-19-Verlauf: Dabei ging es zunächst um Symptome, die dem Kawasaki-Syndrom ähneln – bei der Erkrankung entzünden sich die Gefäßwände im gesamten Körper. Mittlerweile wird für das Syndrom der Name Multisystem inflammatory syndrome in children (MIS-C) oder pädiatrisches entzündliches Multisystem-Syndrom (PIMS) verwendet.

Die mit SARS-CoV-2-infizierten Kinder zeigten etwa einen Monat nach der Infektion typische Symptome des Syndroms: Entzündungen der Blutgefäße, Hautausschlag, anhaltendes Fieber, Magen-Darm-Beschwerden wie Bauchschmerzen, Erbrechen und Übelkeit oder Durchfall sowie eine geschwollene Zunge und einen beschleunigten Herzschlag. Als Ursache wird eine überschießende Immunreaktion auf eine Atemwegsinfektion vermutet. Die Erkrankung tritt nach ersten Einschätzungen nur sehr selten auf.

Viele Erkenntnisse beruhen bisher auf den von Eltern geschilderten Beschwerden der Kinder. Weitergehende Studien zum Thema sind noch offen.

Psychische Folgen von Corona

Manche Menschen haben nach dem Ende der Erkrankung mit psychischen Folgen zu kämpfen: Trotz überstandener Infektion leiden sie unter Angstzuständen, depressiven Phasen oder Psychosen. Betroffene sollten achtsam mit sich umgehen und sich nach der Erkrankung schonen. Je nachdem, wie schwer die Schäden durch das Coronavirus waren, braucht der Körper länger, um sich zu erholen.

Das zeigt auch eine Studie aus dem chinesischen Wuhan: Ein halbes Jahr nach überstandener Infektion litten 23 Prozent der 1.733 COVID-19-Betroffenen unter Depressionen oder Angststörungen, 26 Prozent hatten Schlafstörungen.

Auch die in Deutschland geltenden Kontaktbeschränkungen und Empfehlungen zum Social Distancing können psychische Auswirkungen haben. Denn die Menschen sind dazu angehalten, ihre sozialen Kontakte auf ein notwendiges Minimum zu reduzieren. Durch die Vereinzelung kann es zu Einsamkeit kommen, die andauernden Einschränkungen durch die Corona-Pandemie können die Psyche belasten.

Gesundheitliche Langzeitfolgen durch Lockdown & Co.?

Die Corona-Pandemie kann auch andere Langzeitfolgen haben: Durch temporäre Ausgangsbeschränkungen und Lockdown begaben sich viele Menschen seltener in ärztliche Behandlung. Noch immer werden zeitweise weniger reguläre Vorsorgeuntersuchungen durchgeführt und nicht dringende Operationen verschoben. Vor allem Menschen mit Vorerkrankungen wird empfohlen, während der Pandemie vorsichtig zu sein und ihre Kontakte zu beschränken.

In der Folge werden möglicherweise Krebserkrankungen oder andere schwerwiegende Krankheiten nicht in einem frühzeitigen und damit gut behandelbaren Stadium entdeckt. Deshalb raten Fachleute dazu, bei Beschwerden und gesundheitlichen Problemen auch während der Pandemie rechtzeitig ärztlichen Rat zu suchen. Dies gilt auch bei Symptomen einer Atemwegserkrankung: Hier sollten Betroffene weiterhin zeitnah ärztlichen Rat suchen oder den ärztlichen Bereitschaftsdienst unter 116 117 telefonisch kontaktieren und das weitere Vorgehen besprechen.

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