Frau mit Reizdarm
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Reizdarm: Ursachen und Therapie des Reizdarmsyndroms

Von: Dagmar Reiche (Ärztin und Medizinautorin), Jasmin Rauch (Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 10.06.2022 - 10:12 Uhr

Unangenehmer Bauchdruck bis hin zu Bauchschmerzen, Völlegefühl, Blähungen und Durchfall – das Reizdarmsyndrom (kurz: RDS oder einfach Reizdarm) hat viele Gesichter. Ein Reizdarm ist zwar harmlos, aber für die Betroffenen oft sehr unangenehm. Die Symptomatik ist vielfältig – ebenso die Namen der Erkrankung: Neben Reizdarm sind auch noch die Begriffe Reizdarmsyndrom (RDS), Colon irritabile, irritables Darmsyndrom (IDS) oder nervöser Darm gebräuchlich. Was ist über die Ursachen eines Reizdarms bekannt, welche Anzeichen können auf ein Reizdarmsyndrom hindeuten und welche Rolle spielen Medikamente und Ernährung bei der Therapie?

Was ist ein Reizdarm?

Reizdarm ist ein Oberbegriff für funktionelle Magen-Darm-Erkrankungen. Das sind ständige oder immer wiederkehrende Beschwerden im Magen-Darm-Trakt, für welche keine körperliche Ursache gefunden werden kann. Tatsächlich sollte die Diagnose Reizdarm erst dann gestellt werden, wenn andere Krankheiten mittels verschiedener diagnostischer Maßnahmen ausgeschlossen worden sind.

Genaue Angaben zur Häufigkeit des Reizdarmsyndroms in Deutschland sind schwierig; Vermutungen liegen bei einem Anteil von 10 bis 20 Prozent (oder sogar höher) an der Gesamtbevölkerung. Frauen sind häufiger betroffen als Männer.

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Was ist die Ursache für einen Reizdarm?

Nach wie vor ist nicht abschließend geklärt, wie das Reizdarmsyndrom entsteht. Es gibt jedoch unterschiedliche Thesen, die wir im Folgenden näher erläutern.

Gestörte Darmbeweglichkeit

Forschende vermuten, dass eine gestörte Darmbeweglichkeit und eine Überempfindlichkeit des Magen-Darm-Trakts bei der Erkrankung zusammenspielen. Die Darmmuskulatur arbeitet zu schnell oder zu langsam oder reagiert fehlerhaft auf Reize. Aufgrund dieser mangelnden Koordination werden sowohl Nahrungsbrei als auch Darmgase verzögert und dann wieder beschleunigt transportiert, was Symptome wie Druck- und Völlegefühl, Blähungen und Verstopfung im Wechsel mit Durchfall zur Folge haben kann. Auch eine gesteigerte Aktivität von Nerven- und Epithelzellen im Darm aufgrund eines gestörten Gallensäurestoffwechsels könnte die gesundheitlichen Probleme auslösen.

Überempfindlichkeit der Nerven

Auffällig ist zudem eine erhöhte Empfindlichkeit der Nerven, insbesondere eine verstärkte Schmerzempfindlichkeit der Betroffenen im Bereich des Darms: Normale Nervenreize wie die Dehnung des Darms werden durch das Nervensystem als Schmerzen interpretiert – was erklärt, warum gerade nach dem Essen krampfartige Bauchschmerzen oder ein unangenehmes Völlegefühl auftreten. Vermutlich kommen weitere Auslöser hinzu oder können die Symptome bei Reizdarm verschlimmern. Generell wird ein Zusammenhang zwischen einer erhöhten Empfindlichkeit der Nerven im Darm auf Reize (Hypersensitivität) und der Entstehung eines RDS vermutet.

Psychische Faktoren

Auch psychische Faktoren, wie Stress, Angst oder Trauer könnten bei der Entstehung eines Reizdarmsyndroms eine Rolle spielen. Dass die Psyche die Darmaktivität beeinflussen kann und Menschen in belastenden Situationen beispielsweise Magenschmerzen oder Durchfall entwickeln, gilt als belegt. Umgekehrt kann ein lang bestehendes Reizdarmsyndrom wiederum psychische Beschwerden hervorrufen. Bei Angsterkrankungen oder Depressionen kommt das Reizdarmsyndrom gehäuft vor.

Magen-Darm-Infektionen

Als weiterer möglicher Auslöser eines Reizdarms werden Magen-Darm-Infektionen diskutiert. In der Folge einer solchen Erkrankung kann die Darmflora, also das Gleichgewicht der Bakterien im Darm, gestört werden, was die Entstehung eines RDS begünstigen könnte.

Erhöhte Durchlässigkeit der Darmwand

Bei einigen Betroffenen wurde durch die Entnahme von Gewebeproben aus dem Dickdarm eine erhöhte Durchlässigkeit der Darmwand (erhöhte Permeabilität) festgestellt. Dadurch können schädliche Stoffe die Darmbarriere passieren und so eine Immunreaktion auslösen, was sich beispielsweise durch erhöhte Entzündungswerte zeigt. Ob die übermäßige Durchlässigkeit der Darmwand eine Ursache oder eine Folge des RDS ist, ist noch nicht abschließend geklärt.

Weitere Auslöser möglich

Generell werden sehr viele unterschiedliche Einflussfaktoren auf die Entstehung eines Reizdarms diskutiert. Neben den bereits genannten kommen unter anderem als potenzielle Ursachen genetische Faktoren, hormonelle Einflüsse oder eine veränderte Signalverarbeitung im Gehirn infrage.

Ob eine ungesunde Ernährung oder der Konsum von Alkohol und Nikotin zur Entstehung eines Reizdarmsyndroms beiträgt, konnte bisher wissenschaftlich nicht geklärt werden. Oft wird auch eine übermäßige Besiedlung mit Darmpilzen (Candida) verantwortlich gemacht – auch für diese These gibt es bislang keinen wissenschaftlichen Beweis.

Reizdarm: Symptome

Die Symptome beim Reizdarmsyndrom sind vielfältig und können zu ganz unterschiedlichen Problemen im Magen-Darm-Trakt führen.

Unter anderem können diese Anzeichen auf ein RDS hindeuten:

  • krampfartige Bauchschmerzen
  • Völlegefühl
  • Durchfall
  • Verstopfung
  • Blähungen

Typisch ist zudem, dass sich die Magenschmerzen und das Völlegefühl in der Regel nach dem Stuhlgang bessern. Je nachdem, welche Beschwerden besonders häufig auftreten, wird das Reizdarmsyndrom in verschiedene Typen unterteilt (beispielsweise RDS-D, also Reizdarmsyndrom mit führendem Durchfall).

Ausführlichere Informationen zu den Symptomen bei Reizdarm finden Sie hier.

Diagnose eine Reizdarmsyndroms

Die Diagnose eines Reizdarms ist aufgrund der unklaren Ursachen und vielfältigen Symptome schwierig. Anhaltspunkte liefern die sogenannten Rom-IV-Kriterien, die durch den*die Arzt*Ärztin zurate gezogen werden sollten. Diese Kriterien beinhalten folgende Punkte:

  1. Die Magenschmerzen treten regelmäßig mindestens einmal pro Woche auf.
  2. Die Beschwerden bestehen seit mindestens drei Monaten und sind mindestens sechs Monate vor dem Untersuchungstermin das erste Mal aufgetreten.
  3. Die Beschwerden stehen in Zusammenhang mit der Darmentleerung.
  4. Die Konsistenz des Stuhls und die Häufigkeit des Stuhlgangs sind verändert.

Zudem erfolgt die Diagnose über den Ausschluss anderer Erkrankungen als Auslöser. Ausgeschlossen werden müssen beispielsweise Darminfektionen, aber auch ernsthafte Erkrankungen. Dazu gehören Darmkrebs und chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, wie Morbus Crohn, aber auch Magengeschwüre und Magenkrebs, eine Zöliakie und Lebererkrankungen.

Zur Ausschlussdiagnostik werden verschiedene Maßnahmen angewendet:

  • eine Tastuntersuchung des Enddarms
  • Magen- und Darmspiegelung
  • Ultraschalluntersuchungen
  • Stuhl- und Blutuntersuchungen

Im Gespräch zur Krankheitsgeschichte werden auch spezifische Fragen gestellt, die Aufschluss über das mögliche Vorliegen anderer Erkrankungen geben sollen – beispielsweise, wann die Beschwerden auftreten, wie lange sie bereits bestehen oder ob Begleitsymptome wie Fieber und Gewichtsverlust vorliegen.

Oft werden bei Reizdarm auch Tests zum Ausschluss einer Milchzucker- oder Fruktoseunverträglichkeit beziehungsweise einer Allergie durchgeführt.

Was tun bei Reizdarm? Therapie und Tipps

Zwar ist das Reizdarmsyndrom an sich harmlos, doch für die Betroffenen oft sehr belastend und mit Einschränkungen im Alltag verbunden. Die Behandlung bei einem Reizdarm zielt vor allem darauf ab, die Beschwerden zu lindern und die Häufigkeit von deren Auftreten zu reduzieren. Eine vollständige Heilung des Reizdarms ist meist nicht zu erwarten. Es ist sinnvoll, mögliche Ursachen zu finden und diese so weit möglich zu eliminieren beziehungsweise zu vermeiden.

Bei akuten Schmerzen hilft es vielen Betroffenen, den Reizdarm durch eine Wärmeanwendung zu behandeln, zum Beispiel mit einem Heiz- oder Dinkelkissen auf dem Bauch. Auch eine sanfte kreisende Bauchmassage im Uhrzeigersinn lindert vielfach die Schmerzen bei Reizdarm.

Reizdarm behandeln: Medikamente helfen nicht immer

Ob Medikamente als Teil der Behandlung sinnvoll sind, sollte ärztlich besprochen werden. Ein klassisches Medikament zur Behandlung von Reizdarm gibt es nicht, stattdessen wird je nach Beschwerdebild eine passende Therapie ausgewählt. Häufig wird dann zunächst für einen begrenzten Zeitraum ausprobiert, ob die Medikamente anschlagen. Einige der zur Verfügung stehenden Medikamente wirken nur bei manchen Betroffenen:

  • Krampflösende Wirkstoffe (Spasmolytika) wie Butylscopolamin helfen in Einzelfällen, sollten aber wegen ihrer Nebenwirkungen nicht dauerhaft eingenommen werden.
  • Substanzen gegen Blähungen wie Simeticon bringen eher selten eine Besserung der Beschwerden, sind aber einen Versuch wert.
  • Nicht empfehlenswert bei der Behandlung sind Abführmittel. Sie führen auf Dauer zu einer Gewöhnung, was beim chronischen Krankheitsbild Reizdarm eher kontraproduktiv ist.
  • Stopfende Substanzen wie Loperamid sollten nur kurzfristig eingenommen werden.
  • Bauchschmerzen können möglicherweise durch Antidepressiva gemildert werden, da diese die Schmerzschwelle erhöhen. Diese Mittel sollten nur eingesetzt werden, wenn zeitgleich mit dem RDS eine psychische Erkrankung vorliegt oder die Schmerzen besonders stark sind.

Wichtig bei der Wahl des Medikaments ist auch, ob die betroffene Person vermehrt an Durchfall, Verstopfung oder beiden Symptomen leidet.

Reduzierung von psychischer Belastung

Auch eine starke psychische Belastung kann die Symptomatik bei einem Reizdarmsyndrom beeinflussen. Je nach Ausmaß der Beschwerden können deshalb beispielsweise eine kognitive Verhaltenstherapie, autogenes Training oder andere Entspannungstechniken dabei helfen, die Beschwerden zu lindern.

Bei sehr hohem Leidensdruck oder ausgeprägten Symptomen kann auch eine psychotherapeutische Begleitung das Reizdarmsyndrom bessern. Dabei eingesetzte Methoden sind beispielsweise Verhaltenstherapie, Gesprächstherapie oder Hypnose.

Oft machen sich die Betroffenen große Sorgen um ihre Gesundheit. Deshalb ist es für sie wichtig zu wissen, dass die Erkrankung zwar die Lebensqualität einschränkt, nicht aber die Lebenserwartung. Ein Reizdarm erhöht nicht das Risiko für Darmkrebs oder andere Folgeerkrankungen.

Akupunktur als Therapieoption

Zur Wirksamkeit von Akupunktur beim Reizdarmsyndrom gibt es einige vielversprechende Studien – insbesondere bei Durchfall als Teil des Beschwerdebilds und als Ergänzung zu anderen Therapieformen kann die Akupunktur helfen. Die Wirkung der Akupunktur betrifft dabei sowohl die Linderung von Beschwerden als auch die Steigerung der Lebensqualität. Als Nebenwirkungen treten in der Regel nur leichte Schmerzen sowie blaue Flecken auf.

Die Rolle der Ernährung bei Reizdarm

Eine wichtige allgemeine Maßnahme bei der Behandlung eines Reizdarms und damit auch zur Vorbeugung der Beschwerden ist das Umstellen der Ernährung.

Dabei gibt es keine pauschalen Empfehlungen. Vielmehr ist es sinnvoll, bei RDS mit dem*der Arzt*Ärztin über eine sinnvolle Ernährungsumstellung zu sprechen, die zu den auftretenden Leitbeschwerden passt. Eine medizinische Ernährungsberatung ist im Vorfeld einer Ernährungsumstellung auch sinnvoll, um Mangelerscheinungen durch das Weglassen von Lebensmitteln zu vermeiden.

Empfehlenswert ist in aller Regel eine gesunde, ausgewogene Ernährung mit vielen Ballaststoffen und ausreichend Flüssigkeit. Sogenannte lösliche Ballaststoffe sind dabei besonders wichtig. Sie dienen den gesunden Darmbakterien als Nahrung und sind beispielsweise in Obst und Gemüse, aber auch in Hafer oder Gerste enthalten.

Wichtig sind regelmäßige Mahlzeiten, bei denen man das Essen in Ruhe genießen und nicht hastig herunterschlingen sollte. Häufigere und dafür kleinere Mahlzeiten sind empfehlenswert. Auf stark blähende, fettreiche, sehr heiße, scharf gewürzte oder kalte Speisen sollte größtenteils verzichtet werden. Sind Unverträglichkeiten bekannt, sollten diese berücksichtigt werden. Kaffee und Alkohol sollten allenfalls in Maßen getrunken werden.

Viele Betroffene profitieren vom regelmäßigen Verzehr von Probiotika (zum Beispiel Joghurt, Apfelessig oder bestimmte Käsesorten). Probiotische Präparate zum Ausgleich der Darmflora sind auch in der Apotheke erhältlich.

Darüber hinaus ist die sogenannte Low-FODMAP-Diät Bestandteil vieler Behandlungsansätze bei einem Reizdarm. Low steht dabei für "wenig" oder "niedrig", FODMAP für Fermentierbare Oligo-, Di- und Monosaccharide und Polyole. Diese kurzkettigen Kohlenhydrate können durch den Dünndarm schlecht aufgenommen werden. Im Dickdarm entstehen bei ihrer Umwandlung Gase, was wiederum Blähungen auslöst. Auch Bauchschmerzen werden auf den Konsum von FODMAPs zurückgeführt. Bei bekanntem RDS sollte also eine Low-FODMAP-Diät als mögliche Therapieoption in Betracht gezogen werden.

Generell empfiehlt es sich, bei Magen-Darm-Beschwerden viel zu trinken. Am besten geeignet sind kohlensäurearme, gut verträgliche Getränke, wie (nicht zu heißer) Kräutertee oder stilles Wasser.

Hausmittel und Tipps bei Reizdarm

Zusätzlich zur ärztlichen Behandlung können Betroffene auch mit Hausmitteln und Verhaltensänderungen dazu beitragen, die Symptome des RDS zu lindern.

Die Pflanzenheilkunde bietet Kümmel- oder Pfefferminzöl zur Einnahme (in Form von Tee oder Kapseln) an. Flohsamen oder Flohsamenschalen wirken bei Reizdarm leicht abführend. Mit der Nahrung aufgenommene Quellstoffe wie Leinsamen und Weizenkleie regen die Darmtätigkeit an, müssen aber mit viel Flüssigkeit eingenommen werden.

Auch Heilerde wird eine positive Wirkung der Beschwerden bei Reizdarm nachgesagt. Eine Studie zu dem Thema bescheinigte Betroffenen bei zweimal täglicher Einnahme von Heilerde eine Verbesserung der Durchfall-Symptomatik sowie der allgemeinen Lebensqualität. Allerdings war die untersuchte Studiengruppe mit 80 Teilnehmenden sehr klein.

Weitere Tipps gegen Reizdarm:

  • Genügend Bewegung kann dazu beitragen, Ihre Beschwerden zu lindern. Treiben Sie regelmäßig Sport – so bleibt Ihr Körper fit und Sie können Stress abbauen.
  • Bauen Sie feste Ruhe- und Erholungsphasen in Ihren Alltag ein, um gezielt abschalten zu können. Für den Stressabbau sind auch Entspannungstechniken wie Yoga oder progressive Muskelentspannung gut geeignet.
  • Bei akuten Problemen können eine Wärmflasche oder ein Wärmekissen dazu beitragen, die Beschwerden zu lindern.

Um dem Auslöser Ihrer Beschwerden auf die Spur zu kommen, kann es hilfreich sein, ein Tagebuch zu führen. Darin können Sie zum einen vermerken, wann die Schmerzen genau auftraten, welche Lebensmittel Sie gegessen haben und wie stark Ihre Beschwerden waren. Zum anderen kann in dem Tagebuch aber auch vermerkt werden, wie Sie sich an den einzelnen Tagen gefühlt haben und wie groß beispielsweise die Belastung im Job oder im sozialen Umfeld war.

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