Mann mit Proctalgia fugax
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Proctalgia fugax

Von: Daniela Heinisch (Medizinautorin)
Letzte Aktualisierung: 12.11.2018 - 10:39 Uhr

Obwohl Proctalgia fugax, die im englischsprachigen Raum auch als Levator-Syndrom bezeichnet wird, keine seltene Krankheit ist, ist fast nichts über sie bekannt. Selbst Betroffene wissen oft jahrzehntelang nicht, dass sie an Proctalgia fugax leiden. Erkrankte werden von plötzlichen, krampfartigen, nahezu anfallartigen Schmerzen im Mastdarm heimgesucht. Oft gehen diese Schmerzen schnell vorüber und werden deshalb nicht als Krankheit wahrgenommen. In diesen Fällen sehen betroffene Personen auch nicht immer einen Bedarf einer Therapie. Bei anderen ist die Lebensqualität durch häufige, langanhaltende Anfälle so stark eingeschränkt, dass ein enormer Leidensdruck entsteht.

Proctalgia fugax: Ursachen und Diagnose

Über die Ursachen von Proctalgia fugax tappt die Medizin völlig im Dunkeln. Vermutet werden muskuläre Verdickungen oder Krämpfe des inneren Schließmuskels oder des Beckenbodens. Auch chronische Stuhlverstopfung und psychosomatische Faktoren werden diskutiert – häufig sollen perfektionistische und ängstliche Menschen von Proctalgia fugax betroffen sein. Zunehmend werden hinter einer Proctalgia fugax auch Beckenbodeninsuffizienz, Störungen des vegetativen Nervensystems und hormonelle Störungen vermutet.

Als auslösende Faktoren beobachten Erkrankte manchmal Stresssituationen; Männer berichten öfters von Anfällen nach dem Geschlechtsverkehr (wobei Frauen etwa doppelt so häufig an Proctalgia fugax erkranken). In einigen Fällen wird zudem davon berichtet, dass Kältereize im Bereich des Beckenbodens (wie langes Sitzen auf kaltem Untergrund) eine Schmerzattacke auslösen können. Betroffene hören häufig, dass keine körperlichen Ursachen für eine Proctalgia fugax feststellbar sind; die Diagnose wird – wenn überhaupt – meist aufgrund der Schilderung der Symptome gestellt.

Besteht ein Verdacht auf Proctalgia fugax, sollte man sich ausgiebigen Untersuchungen unterziehen, um sowohl neurologische und hormonelle als auch ähnliche Symptomatik aufweisende Erkrankungen wie das Anogenital-Syndrom oder die Analfissur auszuschließen.

Proctalgia fugax: Symptome und Anzeichen

Von Proctalgia fugax Betroffene berichten einheitlich über fast unerträgliche Schmerzen des Analbereichs. Gerade bei einem erstmaligen Auftreten von Proctalgia fugax leiden die Patient*innen unter einer großen Angst, weil sie befürchten, es liege ein schwerwiegender Notfall vor. Vor der Pubertät tritt Proctalgia fugax äußerst selten auf, meist ist die Altersgruppe zwischen 40 und 50 betroffen.

Grundsätzlich werden zwei Typen von Proctalgia fugax unterschieden:

  • Ein Taganfall tritt von einem auf den anderen Moment auf. Der Schmerz wird immer stärker und kann von wechselhafter Lokalisation sein. Vom After ausgehend, kann er Analkanal, Beckenboden und Abdomen betreffen.
  • Dahingegen ist der Nachtanfall konstant in seiner Schmerzintensität, betroffen ist der gesamte Analbereich. Begleitend kommen bei beiden Formen von Proctalgia fugax meist Übelkeit bis Erbrechen, Schwindel, Schweißausbrüche und sogar Ohnmacht hinzu. Die Schmerzen hören manchmal schon nach kurzer Zeit auf, die meisten Anfälle von Proctalgia fugax dauern nicht länger als 30 Minuten. In besonders schweren Fällen dauern die Schmerzen einige Stunden an.

Die Anfälle treten unregelmäßig auf; die Abstände können Tage, Wochen oder Monate umfassen. Der allgemeine Durchschnitt überschreitet nicht sechs Anfälle im Jahr. Im Alter werden diese immer seltener.

Proctalgia fugax: Behandlung und Therapie

Leider stehen Fachleute der Frage einer Behandlung von Proctalgia fugax noch relativ ratlos gegenüber. Vereinzelt wird vom Erreichen einer Beschwerdefreiheit durch die Einnahme der Arzneistoffe Clonidin, Nifedipin und Salbutamol (bei inhalativer Anwendung) berichtet. Auch eine Hämorrhoidaltherapie soll in einigen Fällen erfolgreich sein.

Personen mit Proctalgia fugax berichten von unterschiedlichen Erfolgen mit krampflösenden und schmerzstillenden Medikamenten. Manche Patient*innen können die Schmerzen mit Paracetamol etwas lindern. Problematisch ist vor allem, dass die Wirkung oft erst eintritt, wenn die Schmerzen von alleine wieder aufhören. Eine regelmäßige präventive Einnahme von Schmerzmitteln (wie zum Beispiel Ibuprofen oder Diclofenac) ist bei Proctalgia fugax jedoch nicht sinnvoll, da unbekannt ist, wann der nächste Anfall auftritt.

Andere Betroffene berichten von so starken Schmerzen, dass sie nicht mehr in der Lage sind, Medikamente einzunehmen oder Einläufe durchzuführen. Generell stehen Krämpfe oft im Zusammenhang mit Magnesium- oder Calcium-Mangel. Manche Menschen mit Proctalgia fugax konnten durch Einnahme von entsprechenden Präparaten die Häufigkeit der Anfälle reduzieren.

Selbsthilfe bei Proctalgia fugax

Viele Betroffene von Proctalgia fugax haben aufgrund der unzureichenden Behandlungsmöglichkeiten selbst herausgefunden, wie sie die Anfälle erträglicher machen können. Dazu gehören Druck auf den Damm, vorsichtiges Einführen eines Fingers in den Anus oder Wärmezufuhr (zum Beispiel mit dem Brausekopf der Dusche auf die schmerzende Stelle oder einem heißen Sitzbad). Auch bestimmte Körperstellungen, wie die Knie-Ellenbogen-Lage, oder Dehnung (bei gestreckten Beinen die Zehen mit den Fingern berühren), können wirkungsvoll sein.

Auf lange Sicht gesehen empfehlen sich neben einer Schmerztherapie eventuell eine Regulierung der Darmfunktion, Psychotherapie, Entspannungstechniken und Beckenbodentraining. Generell gilt aber, diese Möglichkeiten der Selbsthilfe mit einem*einer Arzt*Ärztin für den individuellen Fall abzusprechen.